Lange Zeit verschollenes Drehbuch

Klaus Manns letzter literarischer Text

10:45 Minuten
Porträt von Klaus Mann, um 1946.
"Der Kaplan" sollte in der Gegend um Florenz spielen. Dort war Klaus Mann im Winter 1944/45 als Angehöriger der 5th Army stationiert. © picture-alliance / akg-images / Horst Maack
Susanne Fritz im Gespräch mit Joachim Scholl · 07.01.2021
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Roberto Rossellinis Filmklassiker "Paisà" (1946) erzählt von der Befreiung Italiens vom Faschismus. Auch der deutsche Schriftsteller Klaus Mann war daran beteiligt. Doch sein Drehbuch wurde nie realisiert. Jetzt ist es auf Deutsch erschienen.
Klaus Manns Text "Der Kaplan" galt lange als verschollen. Er lag vergessen in Archiven und wurde erst in den 1970er-Jahren wiederentdeckt. Die Regisseurin und Autorin Susanne Fritz hat ihn jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlicht.
"Der Kaplan" ist ein Drehbuch und war ursprünglich als vorletzter Teil von Roberto Rossellinis Film "Paisà" geplant, erzählt Fritz. Doch diese Episode wurde nie gedreht. "Paisà" erzählt in sechs Episoden die Geschichte der Befreiung Italiens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Unterschiedliche Welten prallten zusammen

"Der Kaplan" sollte in der Gegend um Florenz spielen. Dort war Klaus Mann im Winter 1944/45 als Angehöriger der 5th Army stationiert. Im Sommer 1945 erwartete er in Rom die Entlassung aus der Armee. Dort lernte er Rossellini kennen und es entstand die Idee zu "Paisà".
"Klaus Mann war weit mehr als nur der Autor dieses Drehbuchs", erzählt Fritz. "Er hatte eine Art Gesamtleitung in einem vierköpfigen Drehbuchteam. Er hat auch den Gesamtentwurf verfasst."
Dass es dann doch nicht dazu kam, dass die Episode gedreht wurde, habe wohl daran gelegen, dass hier Literatur und Film und damit unterschiedliche Welten zusammenprallten, mutmaßt Fritz.
Für Mann sei dieses Filmprojekt das erste Engagement wieder im zivilen Leben gewesen. Es muss für ihn eine ganz große Enttäuschung gewesen sein, dass daraus nichts geworden ist, vermutet die Autorin.
Mann habe große Hoffnung in das Projekt gesetzt, denn nach der Entlassung aus der Armee habe er nicht gewusst, wo er danach arbeiten würde.

Mit Worten der Gewalt gegenüberstellen

Der Text sei ein reiferes Werk von Klaus Mann, sagt Fritz. "Er ist in der Linie von 'Mephisto' und 'Der Vulkan', aber jetzt kommt noch mal eine ganz gewaltige Erfahrung dazu – nach dem Exil und nach dieser direkten Kriegserfahrung. Und es gehe um ganz große Fragestellungen, die jetzt nicht mehr nur auf dem Papier, sondern noch stärker im Leben verwurzelt sind: Wie kann man sich mit Worten dieser Gewalt gegenüberstellen?"
Die Hauptfiguren sind der amerikanische Militärkaplan Martin und der faschistische Jugendliche Ernesto, der als Buckliger und Außenseiter beschrieben wird. Mann beschreibt den Apennin, eine zerklüftete, bergige Landschaft. Dort steckt ein Militärkonvoi im Schlamm fest, es ist nebelig und dort gilt es nun Weihnachten zu feiern. "Einen größeren Kontrast können wir uns nicht vorstellen", sagt Fritz.
Über die Handlung erzählt Fritz, dass der Militärkaplan in seiner Weihnachtsansprache vor den kämpfenden Truppen zur Nächstenliebe und zur Feindesliebe aufruft, woraufhin er gleich einen Rüffel vom General bekommt.

Ein neuer Blick auf Italien

Fritz kennt die Gegend gut, in der der Film spielen sollte, und sie ist oft dort gewesen. Deshalb habe sie sich gleich für den Text interessiert, und umgekehrt habe sie über dieses Drehbuch Italien noch mal anders kennen- und sehen gelernt.
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