Ukraine-Krieg und Umweltschutz

Wie Landwirte in die Zukunft schauen

06:38 Minuten
Zwei Männer in einem Kuhstall
180 Kühe stehen im Stall von Holger Jabben (l.), der Nachbar Carl Noosten hilft mit seinen Ackerbohnen - und bekommt Gülle im Tausch. © Alexander Budde
Von Alexander Budde · 11.04.2022
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Neue EU-Regeln für den Umweltschutz, die Pläne der Bundesregierung und der Ukraine-Krieg - dazu mehr stillliegende Flächen und der Verzicht auf Pestizide: Die Landwirtschaft wird sich verändern müssen. Zwei Landwirte in Niedersachsen zu den Folgen.
Carl Noosten ist Ackerbauer in der Gemeinde Dornum. Weizen, Raps, Hafer gedeihen hier in der wasserreichen Marschlandschaft, gleich gegenüber der Insel Baltrum an der Nordseeküste. In diesem Jahr erprobt Noosten neben solchen Futterpflanzen auch den Anbau von Erbsen und Lupinen für den menschlichen Verzehr. Und er könnte noch weit mehr Flächen beackern, um die heimische Produktion ein wenig anzukurbeln - wenn man ihn nur ließe.

„Nicht alles rausjagen, was geht! Nach dem Motto, wir produzieren jetzt bis in die letzte Ecke hinein - aber ich erwarte, dass man in Zukunft strategischer denkt: Was brauchen wir, um uns selbst zu versorgen?“

Besondere EU-Vorgaben für den Umweltschutz

Noosten ist runter vom Trecker. Er gräbt. Aus dem Erdreich lugt ein Spross der Ackerbohne. Viele Landwirte wollen die proteinreiche Futterpflanze auch auf der so genannten Ökologischen Vorrangfläche anbauen. Das ist jener Teil der Ackerfläche, auf denen größere Betriebe künftig besondere Vorgaben der EU für den Umweltschutz erfüllen müssen. Beispielsweise sind dort nur bestimmte Arten und Weidetiere erlaubt. Auch Pestizide sind tabu.

„Das schmälert den Ertrag der Ackerbohne gewaltig! Wenn das doch noch erlaubt werden würde, dieses Jahr noch, dann könnte man das einsetzen. Und könnte verhindern, dass die Ackerbohne zum Beispiel an der Schokoladenkrankheit, so nennt die sich, zugrunde geht.“
Carl Noosten kniet auf seinem Ackerland
Ab nächstem Jahr müssen Landwirte in Deutschland vier Prozent ihrer Ackerfläche stilllegen, um Direktzahlungen erhalten zu können - Carl Noosten sieht keinen ökologischen Nutzen darin.© Alexander Budde
Das EU-Recht kennt Ausnahmen – doch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen hat sich gegen den Einsatz von Pflanzenschutz auf Ökoflächen entschieden. Die Bundesregierung will dort auch den Anbau von Getreide nicht sehen. Über die kurzfristige Bewirtschaftung von Brachflächen wird noch verhandelt.

Vier Prozent Ackerfläche muss stillliegen

Ab nächstem Jahr müssen Landwirte in Deutschland überdies vier Prozent ihrer Ackerfläche stilllegen, um Direktzahlungen erhalten zu können. Die organisierte Bauernschaft fordert, diese selbst unter Naturschützern umstrittene Regelung vorerst auszusetzen oder ganz zu kassieren – zumal sie strenger ist als die europäischen Vorgaben. Auch Noosten sieht keinen ökologischen Nutzen darin, wenn er mehr als zwölf Hektar seines Ackerbodens für ein Jahr ruhen ließe. Das würde eher zur Verwahrlosung führen.

„Das wird mir in der Seele wehtun, weil dann kommt nur Unkraut, was eigentlich nur mehr Ärger macht. Ich denke, dass die Vernetzung der Biotope durch den Gewässerrandstreifen mehr bringen kann.“

In Niedersachsen werden Landwirte dafür honoriert, wenn sie solche Blühstreifen entlang von Bachläufen, Kanälen und Flüssen anlegen. In diesen rund fünf Meter breiten Rückzugszonen dürfen sie nicht düngen und keinen Pflanzenschutz aufbringen. Auch Noosten hat die Uferbereiche von Wassergräben naturnah gestaltet.

„Wicke haben wir, Serradella, Klee - was alles nicht weggefroren ist. Was weg ist, ist die Sonnenblume. Und die hat sich wahrscheinlich im Winter das Rehwild geholt.“

Gemeinsame Agenda für mehr Bio-Landbau

Vor der Kulisse eines drohenden Volksbegehrens hatten sich Landwirte und Umweltverbände 2019 auf eine gemeinsame Agenda für mehr Bio-Landbau und Artenschutz geeinigt. Noosten lobt den kooperativen Geist der Agenda.

„Dass man sich austauscht - und nicht per Verordnung irgendwas durchzuboxen. Dass uns die Umweltverbände sagen, was sie gerne hätten, und dass wir den Umweltverbänden sagen, was machbar ist. Letztendlich waren diese Jahre, wo wir uns mit dem NABU oder mit dem BUND gekloppt haben, für die Wiesenbrüter verlorene Jahre.“

Die drohenden Vorzeichen des Klimawandels sind hier an der Küste überdeutlich. Für viel Geld werden Deiche erhöht, mit dem Meeresspiegel wird auch der Salzgehalt im Grundwasser steigen. Kein Gedanke, das Erreichte über Bord zu werfen, versichert Noosten. Doch mit dem Güllefass allein komme ein konventioneller Ackerbauer nicht weit. Rund die Hälfte seiner Nährstoffe müsse er teuer zukaufen.

Futtermittel aus der Ukraine

180 Kühe stehen im Stall von Holger Jabben. Der Tierhalter aus Neßmergrode produziert Gentechnik-freie Milch, verzichtet deshalb auch auf Soja. Allerdings stammte ein wesentlicher Teil der ökologisch erzeugten Futtermittel bislang aus der Ukraine. Der Preis für Rapsschrot etwa hat sich seit dem russischen Angriff auf das Land verdreifacht. Zum Glück, sagt Jabben, ist da außer dem Weltmarkt auch noch der Nachbar mit seinen Ackerbohnen.

„Dafür gebe ich Gülle ab, die auf seine Flächen als Nährstoffe ausgebracht werden.“

Auch Noosten hilft die regionale Zusammenarbeit, zumindest einen Teil der rasant steigenden Produktionskosten aufzufangen: Stickstoffdünger, vor allem in Russland energieintensiv mit Erdgas produziert, war schon vor dem Krieg knapp.

„Wahrscheinlich nächstes Jahr noch viel schlimmer, weil kein Mineraldünger hergestellt wird. Und wenn man dann weiß, einen gewissen Teil habe ich schon mal sicher, ist das ein gutes Gefühl.“

Grünlandbewirtschaftung mit Kühen

Doch ist der Fleischkonsum nicht an sich schon ein Problem?  

„Persönlich bin ich auch nicht derjenige, der jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben muss, aber deswegen die Tierbestände abzubauen, finde ich nicht sinnvoll.“

Zumindest hier in Ostfriesland, wo die Zahl weidender Kühe am höchsten ist, hält Jabben dagegen.

„Wir bei den Kühen bewirtschaften hier in erster Linie Grünland. Das Gras könnte der Mensch nicht verwerten. So haben wir über die Kuh einen Riesennutzen von diesem Grünland, indem wir da ein gutes Nahrungsmittel von produzieren. Und das sehe ich zumindest in der Rindermast genauso, dass diese Tiere halt nicht in Konkurrenz stehen zu der menschlichen Ernährung.“

Jetzt, in der Krise, gilt es vieles abzuwägen. Der Landwirt Carl Noosten drängt die Politik, sich mit Entscheidungen nicht zu lange aufzuhalten.

„Diesen Sommer muss ich wissen, was nächstes Jahr erlaubt und machbar ist. Sonst ist es einfach zu spät!“
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