Landestheater Tübingen spielt vor Publikum

In kleinen Schritten zurück zur Normalität

09:43 Minuten
Auf einer Konzertbühne stehen zwei Musiker vor dem Hintergrund eines fallenden Bundesadlers. Einer der Musiker trägt ein Foto des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß als Maske.
Das Landestheater Tübingen öffnete am 16. März: Als erstes feierte das Konzert "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" Premiere. © Landestheater Tübingen/Tobias Metz
Thorsten Weckherlin im Gespräch mit Janis El-Bira · 27.03.2021
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Auch in Tübingen finden im Rahmen eines Pilotprojekts wieder vorsichtige Theateraufführungen vor Publikum statt - eine Teststrategie macht es möglich. Intendant Thorsten Weckherlin berichtet von enthusiastischer Aufbruchstimmung.
"Pilotprojekt Testing" – das war in der vergangenen Woche das Stichwort, das den Theatern und anderen Kulturbetrieben wie ein Hoffnungsschimmer in der tristen Corona-Wirklichkeit erschienen sein muss. Denn in Berlin wurde plötzlich wieder Theater und Musik gespielt – Voraussetzung war ein negativer Schnelltest.
Seit dem Hin und Her um die geplante und dann doch wieder gekippte "Osterruhe" ist aber unklar, wie es mit dem Projekt weitergeht.

Enthusiasmus in Tübingen

Ganz anders sieht es dagegen beim schon Tage früher gestarteten Modellversuch in Tübingen aus. Hier, wo gerade auch Außengastronomie und Geschäfte geöffnet sind, kommt natürlich auch das Tübinger Landestheater gerade mit einer Premiere nach der anderen raus. Als erstes feierte am 16. März Christoph Roos' und Jörg Wockenfuß' inszeniertes Konzert "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" Premiere.
Der Intendant Thorsten Weckherlin nimmt mit großem Enthusiasmus am Modellprojekt teil – und auch die strengen Hygienevorschriften trüben seine Freude nicht, sagt er im Gespräch:
"Das wird hier in Tübingen eher als Event genommen! Sie müssen sich vorstellen: Als wir am 16.3. angefangen haben, hat es gegraupelt. Es waren drei Grad. Wir waren an der Gefriergrenze. Draußen standen die Leute in der Schlange und gingen in ein hell erleuchtetes Zelt hinein und kamen aus diesem Zelt strahlend wieder heraus – und mussten noch 15 Minuten in dieser Kälte verharren, um auf das Negativergebnis zu warten."
Lag das negative Ergebnis dann vor, "konnte man in dieses positiv-warme Foyer des Theaters gehen. Das nahm man gerne so mit!"

Kein Test war positiv

Bislang seien alle Tests negativ ausgefallen, keine Karte hätte wegen eines positiven Ergebnisses zurückgegeben werden müssen. Dennoch findet auch Weckherlin, dass Vorsicht angebracht sei:
"Dieser Modellversuch ist ja unabhängig von der Inzidenz. Das ist erstmal ein erster Schritt. Bloß wenn die Inzidenz um dieses gallische Dorf Tübingen herum immer mehr in die Höhe geht, dann werden wir uns wahrscheinlich auch mal fragen müssen: Ist das richtig, was wir hier machen?"

Kein unsolidarischer Alleingang

Den Einwand, dass die Modellprojekte bloße Profilierung der Hochkultur und zudem unsolidarisch gegenüber anderen Zweigen der Veranstaltungsbranche seien, denen diese Experimente nicht zugestanden werden, will Weckherlin nicht gelten lassen:
"Wir müssen in kleinen Schritten wieder Richtung Normalität kommen. Mit einem kleinen Schritt. Wahrscheinlich tatsächlich nur für eine kleine Gruppe. Aber so fängt es immer an. Und wenn es auch erstmal nur wenige erreicht – so ist es immer, wenn man etwas Neues und Pragmatisches auf die Beine stellen möchte. Dann geht es immer nur in kleinen Schritten."

"Panik vor dem Einrosten"

Konkret gefragt, ob er so weit gehen würde, unter den Auflagen des Modellversuchs auch dauerhaft und unabhängig von der Inzidenz zu öffnen, sofern die Politik es erlaubt, hat Weckherlin eine deutliche Antwort:
"Ja, selbstverständlich. Wenn ich spielen kann und die Möglichkeit dazu bekomme – durch die Landesregierung oder durch die Stadt –, dann werde ich spielen! Ich habe eine Panik vor dem Einrosten. Wenn wir uns nicht mehr bewegen, wenn wir den Trott nicht mehr haben, in die Garderobe zu gehen, in die Maskenabteilung, geschminkt zu werden, dann auf die Bühne zu gehen, den Kontakt zum Publikum – dann habe ich die Befürchtung, dass wir einrosten."
Der Tübinger Modellversuch wird nun auf Antrag der Stadt und mit Genehmigung der Landesregierung bis zum 18. April verlängert.
(jeb)
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