Lakonisch Elegant

#80 Hurra, die Welt geht unter - (Dreh-)Bücher schreiben in der Krise

44:49 Minuten
Die Regisseurin Doris Dörrie sitzt vor einem roten Vorhang in einem Kinosaal in Essen.
Doris Dörrie erklärt Lakonisch Elegant, warum sie kein Drehbuch über die Krise schreiben will. © imago images / Cord
Von Christine Watty und Johannes Nichelmann · 23.04.2020
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Mit Blick auf die Film- und Literaturgeschichte: Welche Phasen gibt es in der Aufarbeitung von gesellschaftlichen Wendepunkten? Gemeinsam mit der Regisseurin Doris Dörrie überlegen wir: Wie wird nach der Krise über die „Covid-19-Gesellschaft“ erzählt werden?
Eigentlich müsste es für Autorinnen und Autoren ganz gut laufen - egal, ob für Bücher oder Filme: Gerade scheint viel Zeit zum Schreiben zu sein und die Themen aus der Dystopie-Schatzkiste liegen direkt vor der Tür. Schließlich befindet sich die gesamte Menschheit in der Pandemie.
Werden wir in den kommenden Jahren aber überhaupt Filme sehen und Romane lesen wollen, die sich direkt auf das beziehen, was im Hier und Heute passiert? Oder ist das Gegenteil der Fall: Das Publikum will sich zukünftig am liebsten mit romantischen Komödien und guter Unterhaltung begnügen? Es könnten erst unsere Enkel und Urenkel sein, die sich mit großen Kinoblockbustern zur Corona-Krise beschäftigen wollen.

Das Virus hat keine Bedeutung
Dass die Filmwirtschaft in der Vergangenheit rasch auf Krisen reagiert habe, zeige die Finanzkrise von 2007, sagt Wolfgang M. Schmitt. Zwar habe Hollywood etwas Zeit gebraucht, um Filme herzustellen. Diese hätten aber durchaus einen Mehrwert gehabt und die Fakten aus der Tagespresse klug ergänzt. So einfach ginge das mit der laufenden Pandemie nicht, sagt der Filmkritiker: "Das Virus hat ja keine Bedeutung. Keinen Sinn. Es vermehrt sich wie verrückt und jetzt muss man irgendwie versuchen, das künstlerisch aufzuarbeiten, dass man nicht dem Virus einen Sinn gibt."
Aber was für Filme und literarische Erzählungen wären möglich? Kammerspiele aus der Quarantäne? Dialoge per Videochat? Dramen um Pflegerinnen und Ärztinnen, kranke Regierungschefs und zahlreiche Tote in Altenheimen?
Humor statt Homeoffice
Darauf ein Drehbuch über die momentane Situation hierzulande zu schreiben hätte die Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie gerade keine Lust. "Das ist zu gefährlich. Weil man doch zu nah dran ist und falsche Beurteilungen zulässt."
Dörrie hat vor kurzem ein Buch über das Schreiben veröffentlicht. In "Leben Schreiben Atmen - Eine Einladung zum Schreiben" (Diogenes, 2019) ermutigt sie die Leserinnen und Leser zu regelmäßigen Schreibübungen. Auch auf ihrem Instagram-Account ruft sie regelmäßig dazu auf.
Anstatt über dramatische Geschichten aus dem hier und jetzt nachzudenken, erhebt die Autorin ein Plädoyer auf gutgemachte Komödien. "Humor funktioniert so, als würde man das Fenster aufmachen und es kommt wieder Luft rein."
Hinterzimmer statt Homeoffice
Am Dienstag, den 17. März 2020, um 9:57 Uhr ist bei Jo Lendle, nach eigener Bekundung via Twitter, der erste Quarantäne-Roman eingetroffen. Er ist der Verleger des Hanser Verlags.
Bei der Literaturagentin Elisabeth Ruge sei bislang noch kein einziges Angebot oder gar Skript zum Ausnahmezustand auf dem Schreibtisch gelandet. Warum sie darüber sehr froh ist, erläutert sie im Kulturpodcast.
Außerdem verrät sie, warum sie der Überzeugung ist, dass ein dokumentarischer Stoff über den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, gerade besonders interessant sein könnte.