Lakonisch Elegant

#77 Kurven und Kranke: Die Bildsprache der Coronakrise

50:00 Minuten
Das italienische Militär hilft in Bergamo, die Särge mit Verstorbenen durch das Coronavirus ins Krematorium zu bringen. Padova, Italy, 1. April, 2020.
Das Drama in Europa, wie hier in Italien, werde meist abstrakt erzählt. Auch mit Verweis auf die Würde der Opfer. Berichterstattung z.B. aus Afrika sieht oft anders aus. © picture alliance/NurPhoto/Roberto Silvino
Von Christine Watty und Johannes Nichelmann · 02.04.2020
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Weil alle drinnen sind, und alles so dramatisch, ist die Motivlage im Fotojournalismus kompliziert. Wie zeigt man das Leben mit Corona? Was erzählen leere Straßen, Bücherregale im Homeoffice, Intensivstationen und Särge über unser neues Leben?
Der prominente Illustrator und Autor Christoph Niemann sitzt derzeit eher ratlos in seinem Berliner Atelier. Die Situation könne er kaum gestalterisch kommentieren, sagt er. Vielmehr sei er von den Fotos aus den Krankenhäusern in Italien bewegt. Ebenso von Aufnahmen leerer Krankenhausbetten in Deutschland – im Wissen, was dort bald passieren werde.

Bei "Lakonisch Elegant" erzählt der Künstler, dass es ihm irrelevant vorkomme "zu zeichnen, wie sich ein paar Leute das Klopapier aus dem Einkaufswagen nehmen".
Wichtig seien für den Zeichner vielmehr Informationsgrafiken. "Ein wahnsinnig wichtiges Medium, das gerade gut oder schlecht eingesetzt werden kann", meint Niemann. Denn schließlich forderten uns die Kurven, Zahlen und Daten zum Handeln oder Nicht-Handeln auf.
Der Journalist und Fotograf Benjamin Moscovici, der zwei Jahre in Westafrika arbeitete, schaut mit uns auf die Fotografien, die zur Bebilderung von Berichten rund um Corona herangezogen werden.
"Elend, Leid und Tot – das kennen wir ja von Bildern", sagt er. "Aber wir kennen das immer nur von woanders. Es sind die anderen, deren Kinder in Aleppo unter Trümmern begraben liegen. Es sind die anderen, die im Mittelmeer ertrinken."
Zum ersten Mal seien wir in Europa das Epizentrum. Wir sehen die Bilder von unseren Großeltern und Eltern, und hätten das Gefühl, dass wir das auch selbst sein könnten.

Mit zweierlei Maß

Die Abbildung von Pandemien und Epidemien in den Medien unterscheide sich. Immer davon abhängig, wo sie stattfänden. Das Drama in Europa, momentan vor allem in Spanien oder Italien, werde meist abstrakt erzählt. Auch mit Verweis auf die Würde der Opfer.

Während zu Zeiten der Ebolakrise 2014 bis 2016 in Teilen Afrikas allerdings sehr deutlich schwer erkrankte oder gar tote Menschen abgelichtet worden seien.
"Da gibt es Leute, die sagen, da wird mit zweierlei Maß gemessen. Solange People of Color betroffen sind, sind wir sehr lax im Umgang mit Persönlichkeitsrechten. Das scheint uns natürlich zu sein. Erst, wenn das bei uns passiert, scheint man darüber nachzudenken", beobachtet Benjamin Moscovici.

Bundeskanzlerin im Homeoffice

Die Bildsprache der Coronakrise definiert sich aber nicht nur über Fotografien, Fernsehberichte und Infografiken. So melden sich nun Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten vermehrt aus ihren eigenen vier Wänden und nicht, wie früher, aus aufgeräumten Fernsehstudios.
Was macht das mit der Aufnahme von Informationen, während die Zusehenden vielleicht doch die Wandfarbe oder die Einrichtung bestaunen?
Außerdem: Weshalb ist die Bundeskanzlerin, die sich derzeit in ihrer Wohnung in Quarantäne befindet, nur per Telefon und Audio-Botschaft zu hören? Davon erzählt der Leiter des Deutschlandradio Hauptstadtstudios, Stephan Detjen.
Das Bücherregal als "beste Tapete"

Das Bücherregal als "beste Tapete"

Über die vielen bildlichen Eindrücke aus den privaten Räumen von Kolleginnen und Kollegen während der nun täglichen Videokonferenzen aus dem Homeoffice sprechen wir mit Sally Fuls.
Sie ist die Leiterin des Stil-Ressorts des Magazins Architectural Digest, AD. Während in überteuerten Städten nun Menschen in sehr kleinen Wohnungen sichtbar in ihren Betten arbeiten, essen, schlafen, leben müssten, würde für andere das Bücherregal zur "besten Tapete" werden.

Über die drei verschiedenen Typen der Videokonferenz und darüber, ob das alles unseren Einrichtungsstil verändern wird, erzählt sie im Kulturpodcast.
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