#75 Ist Kultur systemrelevant? Das Feuilleton im Homeoffice
48:12 Minuten
Worüber reden und schreiben Kulturjournalisten, wenn Theater und Museen schließen, Lesungen und Konzerte ausfallen? Und wer hört ihnen zu? Ein Podcast mit Kollegen der FAS, SZ und aus Italien über Sinn und Unsinn des Feuilletons in Zeiten von Corona.
Es ist noch keine Woche vergangen, seit auch die Welt in Deutschland Kopf steht, Geschäfte, Kitas und Schulen geschlossen sind. Kein Kino mehr, kein Theater – nur Homeoffice, Home-Cinema, Homeschooling. Wenn die Kulturevents ausfallen und alle nur noch über Corona reden (wollen) – worüber redet dann das Feuilleton? Und wen interessiert das überhaupt noch?
Im Stil einer Bundesligakonferenz schaltet sich Lakonisch Elegant jetzt in die Homeoffice-Feuilletons der Republik. Tobias Rüther von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung spricht über die soziale Lage der Kulturschaffenden. Sein Kollege Harald Staun sieht die Aufgabe des Feuilletons derzeit darin, "die Lähmung, die Leerstelle wieder aufzubrechen", die das Virus in der Gesellschaft erzeuge.
Das digitale Leben neu gestalten
Andrian Kreye, Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung, sieht das ähnlich. Kultur werde es immer geben, und damit auch das Reden und Schreiben über Kultur. Nun müsse man das digitale Leben anders gestalten, sagt Kreye. Ein gestreamtes Konzert von Radiohead aus dem Büro eines Radiosenders ist zwar nett, aber auf Dauer keine Lösung. "Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut", so Kreye.
Was Deutschland noch drohen könnte, zeigt der Blick nach Italien. Was das Virus für die Kulturberichterstattung in Italien bedeutet, erzählt die Journalistin Liza Boschin. Sie befindet sich schon zwei Wochen im Homeoffice: "Nach ein paar Tagen in Quarantäne hat das Coronavirus zwar immer noch Priorität, aber es gibt eben auch noch Platz für anderes. Und es ist auch ein guter Moment, Dinge zu besprechen, über die man sonst nicht redet."
Leergekaufte Zeitungskioske
Wie etwa das bedingungslose Grundeinkommen, hofft die Journalistin Emily Thomey. In Italien könnte es eine Bonuszahlung von 600 Euro für Selbstständige geben. Die Regierung diskutiert. Doch 600 Euro sind nicht viel und hätten das Überleben in den vergangenen Wochen auch nicht gesichert.
Nach einer längeren Zeit jenseits der Normalität tun die Konzerte von italienischen Balkonen gut. "Und warum nicht die Kultur ein bisschen die Laune verbessern lassen?" so Boschin. Die Zeitungskioske in Italien sind immerhin leer gekauft. Und nein, das hat nichts mit Klopapierknappheit zu tun.