Lakonisch Elegant

#68 Boyband oder Straßenbande – Wie Pop darf Rap sein?

49:14 Minuten
Tyler The Creator performt auf der 62. Verleihung der Grammy Awards.
Tyler the Creator findet, die Kategorie "Urban" bei den Grammys sei nur eine höfliche Umschreibung für das N-Wort. © Getty Images / Kevin Winter
Von Emily Thomey und Christine Watty · 30.01.2020
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Rap ist das beliebteste und spannendste Musikgenre unserer Zeit und wird von der Kritik trotzdem in die immergleichen Schubladen gesteckt. Warum das nervt, diskutieren unter anderem Ebow und Juse Ju.
Als der Musiker Tyler the Creator bei den Grammys ausgezeichnet wurde, freute er sich, sagen wir mal, so mittel. Für manche ein Lebenstraum, empfand Tyler den Gewinn eher als vergiftetes Kompliment. Die Kategorien "Rap/Urban" haben für ihn einen rassistischen Unterton: "I don’t like that 'urban' word. That's just a politically correct way to say the n-word to me", so Tyler. "Why can't we just be in Pop?"

Was gehört in die Kategorie Pop?

Tyler the Creator wurde mit Rap berühmt. Das prämierte Album "IGOR" hingegen lässt sich nicht mehr so einfach einem Genre zuordnen. "Für mich ist das nach klassischen, stilistischen Vorgaben kein Rap-Album. Es ist schon auffällig, wenn schwarze Menschen immer wieder in den Rap-Kategorien nominiert werden, obwohl sie gar kein Rap machen", sagt die Musikjournalistin Miriam Davoudvandi. Gleichzeitig räumt die weiße Sängerin Billie Eilish in der Pop-Kategorie ab – mit viel Beats und Sprechgesang. "Ich hab das Gefühl, es wird dabei eher der Lifestyle genommen anstatt die Musik, um Leute zu kategorisieren", so Rapper Juse Ju.
Was also hat es mit Kategorien wie Pop und Rap auf sich? Sind sie rassistisch konnotiert und bilden sie – in den USA – mehr Gesellschaft ab als einzelne wirklich unterscheidbare Musikgenres? Andererseits: Wieso will denn der Rap dem Pop überhaupt so nahekommen, sich mit ihm schon fast verbünden? All das fragen wir in dieser Ausgabe von Lakonisch Elegant.

Musiker als Unterhalter

"Gerade die amerikanische Popmusik bedient sich extrem an Hip-Hop und schwarzer Kultur. Das funktioniert, weil Rap Popmusik 'upgradet' und cool macht. Andersherum funktioniert das nicht ganz so leicht", so Podcaster Dominik Djialeu.
Hinter Tylers Kritik steckt mehr als bloß eine vermasselte Preisvergabe. Schwarze Menschen und People of Color würden – in den Staaten, aber auch hierzulande – vor allem als Entertainer gesehen, so Miriam Davoudvandi: "Solange sie in der Rolle der unterhaltsamen Person funktionieren, ist das okay. Aber sobald diese Personen Kritik äußern oder nicht nur ein kleines Stückchen vom Kuchen haben wollen, dann will man sie doch nicht ganz teilhaben lassen." Tyler the Creator dürfe bei den Grammys gewinnen, aber eben nur den Preis, der für ihn vorgesehen sei.

"Hip-Hop sind wir alle"

Herausgehobene Preise für Rap und die Rede von einer "Szene" zeichneten ein falsches Bild, so Davoudvandi weiter. Hip-Hop sei die größte Jugendkultur und viel zu groß, um es gesondert zu betrachten. "Hip-Hop sind wir alle. Und es betrifft jeden in irgendeiner Weise."
Rap ist Mainstream und wird - allein in Deutschland - täglich millionenfach gehört. Trotzdem halten sich Klischees und Zuschreibungen wie "Schmuddeljungs" oder die angebliche Nähe zu kriminellen Clanstrukturen hartnäckig. Gerade erst hat das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Gangsta-Rap-Analysen von 13 Autorinnen schreiben lassen. Dem Genre wird die Kraft einer "Kulturmacht" attestiert, die da entstehe. Das stimmt, ja: Rap dominiert die Charts und, um es in den Worten vom Spiegel zu sagen: "Innerhalb weniger Jahre ist die Schmuddelware zum Bestseller geworden, die Milieumusik zum Mainstream."

Musikkategorie als Klassenfrage

Wer welches Genre bewertet oder auf der anderen Seite zugeschrieben bekommt, hat für die Rapperin Ebow auch etwas sehr Klassistisches. Als wäre nur Rap aus schwarzer Kultur entstanden: "Man vergisst, dass sämtliche anderen Genres auch aus schwarzer Kultur entstanden sind." Was muss sich also ändern? "Die Strukturen müssen sich verändern und das braucht Zeit. Und es müssen Leute in diesen Jurys sitzen, die Ahnung von Musik haben", so Ebow.


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