Lakonisch Elegant

#53 "Joker" - Gewaltexzess oder Gesellschaftsanalyse?

40:44 Minuten
Joaquin Phoenix als Arthur Fleck im Film "Joker"
Viel gelobt: Joaquin Phoenix als Arthur Fleck im Film "Joker". © picture alliance / dpa / Warner Bros. / Everett Collection
Von Christine Watty · 10.10.2019
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Der preisgekrönte Film "Joker" von Todd Phillips läuft in Deutschland an. Die Debatten darum haben längst begonnen: Ein zumutbarer Film, der gesellschaftliche Missstände abbildet – oder eine Erzählung, die schlicht brutale Gewalt legitimiert?
25 Kilo habe der neue "Joker"-Darsteller Joaquin Phoenix abgenommen, dazu monatelang das hysterische Lachen geübt und selbst in den Set-Pausen soll er seine Rolle nie verlassen haben: Die Legendenbildung rund um diese Rolle, die auch als der "Mount Everest" des Schauspiels bezeichnet wird und die Schauspieler Heath Ledger einst gebrochen haben soll, ist auch für Phoenix in vollem Gange.

Demütigungen als Auslöser für Hass

Der Schauspieler jedenfalls wird allgemein gelobt, für den Film gab es bereits den Goldenen Löwen in Venedig – aber auch Kritik: Todd Phillips erzählt darin die Geschichte des "Joker", des Gegenspielers von Batman. Warum wurde er so brutal, wie er – in inzwischen über 40 Darstellungen – gezeigt wird? Die Demütigung eines psychisch kranken Mannes liegt all dem Hass zugrunde, das legt Phillips Film nahe. Ob das eine Erklärung ist, die hinnehmbar ist oder eine, die schlimmstenfalls auf die Zuschauer wie eine Art Freibrief für die Anwendung von roher Gewalt wirken könne – darüber streiten sich die Kritiker und Kritikerinnen.
"Ohne die Ängste kleinreden zu wollen, steckt da für mich ein bisschen befremdliches Verständnis von populärer Kunst dahinter – also, dass die so ein didaktisches Element haben muss, dass man sich mit dem Protagonisten vollständig identifizieren können muss, weil er moralisch integer und ethisch verantwortbar ist – dass scheint mir nicht die Funktion von Kunst und auch von populärer Kunst zu sein", sagt Cord-Christian Casper im Kulturpodcast. Er ist Herausgeber von "Closure", dem Journal für Comicforschung der Uni Kiel. Die Panik, dass die Zuschauer das, was sie da auf der Leinwand sehen, direkt umsetzten, erinnert Casper an ähnliche Ängste vor Comicveröffentlichungen aus den 60er-Jahren.

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Im Podcast erklärt Casper, warum die Figur des Joker so attraktiv als Erzählgefäß für immer andere gesellschaftliche Umstände ist. Die Filmkritikerin Anna Wollner sieht im Film, der im Jahr 1981 spielt, deutliche Parallelen zu heute: "Diese Gesellschaft, die im Film gezeichnet wird, die kann man natürlich auch aufs Heute legen. Michael Moore hat das auf Facebook und Instagram geschrieben, nachdem er den Film gesehen hat: Das ist nicht das Amerika, was Trump erschaffen hat, sondern das ist das Amerika, was Trump überhaupt möglich gemacht hat. Also diese wirkliche Empathielosigkeit, dieser blanke Hass, der einem in diesem Film entgegenschlägt – und dieser blanke Hass hat sich diesem Film, bevor der überhaupt ins Kino gekommen ist, entgegengestellt im Internet – und wenn man das alles mal reflektieren würde, dann wäre die Welt vielleicht ein bisschen besser."

Wir feiern: Ein Jahr Lakonisch Elegant!

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