Lakonisch Elegant

#36 Sag einfach leise "sorry!" - Die Kulturtechnik der Entschuldigung

38:12 Minuten
Sorry - ein kleines Wort über das man viel nachdenken kann.
Sorry - einerseits inflationär gebraucht, andererseits fällt es manchmal schwer. © imago/ Panthermedia
Von Christine Watty und Julius Stucke · 13.06.2019
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Nicht nur in den sozialen Medien scheint das Wörtchen "Entschuldigung" etwas aus der Mode gekommen zu sein. Warum das so ist und wieso es hilfreich wäre, öfter mal Fehler einzuräumen, besprechen wir mit den Journalistinnen Nicole Diekmann und Dunja Hayali.
Die erfolgreiche Geschichte einer Entschuldigung hat aktuell der CDU-Mann Roderich Kiesewetter erlebt: Er hat sich beim Teilen eines Videos auf Twitter vergriffen und sich dafür beim Youtuber Rezo entschuldigt. Mehr als 12.000 Twitter-Herzchen gab es bisher für sein Einsehen.
Die ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann findet die positive Aufmerksamkeit für diese Entschuldigung gut. In der Vergangenheit sei es öfter mal so gewesen, dass es für eine Entschuldigung eher noch Häme gab, "weil man dann schwarz auf weiß hatte, dass der- oder diejenige tatsächlich was falsch gemacht hatte", so Diekmann im Kulturpodcast.

Versöhnliche Töne in den Social Media

Diekmann selbst hat zehntausende Follower auf Twitter und ist shitstorm-erprobt. Sie schaut hoffnungsvoll auf kleine Entwicklungen wie eine gelungene Twitter-Entschuldigung: "Es könnte wieder versöhnlicher werden. Dieser Graben, der sich in unserer Gesellschaft allmählich auftut (..) - natürlich hat das Effekte auf das analoge Leben, es nimmt einfach ein bisschen Druck aus dem Kessel."

Mangelnde Fehlerkultur

Dunja Hayali ist Journalistin, Reporterin, Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins und sucht immer wieder das Gespräch auch mit Leuten, die sie persönlich oder ihre Arbeit für einen öffentlich-rechtlichen Sender angreifen. Sie empfindet eine negative Veränderung der öffentlichen Debatten-Kultur sowie des Umgangs miteinander und vermisst eine Fehlerkultur in Deutschland.

Mitverantwortung der Medien

Kritik richtet sie auch an die Medien: "Ich sehe auch bei uns Medien eine Art von... ich will nicht sagen 'Mitverantwortung', aber: Wir sind auch nicht die großen Schlichter. Wenn man sich unsere Überschriften, die Zuspitzungen, die Verkürzungen anschaut - dass wir den lauten Aussagen mehr Raum geben, als denen, die vielleicht das Verbindende oder das Schlichtende suchen -, müssen wir uns nicht wundern, woher auch die Aggressivität in den sozialen Medien kommt oder auch auf der Straße."

Die Kunst der Entschuldigung

Entschuldigungs-Nachhilfe gibt's von der Philosophin und Ethikprofessorin Maria-Sibylla Lotter von der Ruhr-Universität Bochum. Sie forscht derzeit in einem Projekt der Uni Bielefeld, das sich mit der kulturellen Produktivität von Schuld auseinandersetzt. "Das Entschuldigen ist eine Kunst. Eine gute erfolgreiche Entschuldigung bringt man nicht rüber, indem man einfach die Floskel "es tut mir leid" verwendet. Man muss auf eine Weise, die authentisch und überzeugend klingt, das, worum es geht, beschreiben und klarstellen, dass man da selbst einen Fehler gemacht hat."