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#14 Menschen, die auf Vögel starren - brauchen wir Twitter noch?

32:07 Minuten
Vögel auf Stromleitung.
Algorithmengesteuerter Hass, algorithmengesteuerte Liebe: Wer braucht noch Twitter? © EyeEm / Balázs Varga
Von Christine Watty und Johannes Nichelmann  · 10.01.2019
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Warum hat der Twitter-Rückzug des Grünen-Chefs Robert Habeck so viel Aufregung ausgelöst? Wir machen uns auf die Suche nach des Twitterns Sinn – mit Margarete Stokowksi, Michael Seemann und Schlecky Silberstein.
Verrückt – da verlässt ein Politiker Twitter und Facebook und dieser Vorgang wird zum großen Thema. Selbst in den Tageszeitungen, die neulich doch noch "Holzmedien" genannt wurden (damals, als es auch noch "Netzgemeinde" hieß). Woher kommt die Aufregung? Robert Habecks Begründung für den Auszug ist unter anderem, dass Twitter ihn zu "aggressiver und zugespitzter Kommunikation" verleitet habe. Für seine Selbstwahrnehmung gibt’s Lob, manche Twitter-Fans nehmen ihm den Schritt übel, andere verhöhnen ihn. Noch dazu steht die Frage im Raum, ob es strategisch schlau ist, sich von Twitter zu entfernen und damit auch einen Kommunikationskanal mit potentiellen Wähler*innen zu verlassen.

Twitter ist nicht schuld

Margarete Stokowoski kennt sich gut aus mit der Art der unterirdischen "Kommunikation", die soziale Netzwerke erzeugen können. Auf Twitter machte sie erst vor Kurzem die Begegnung mit einem Journalisten, der sie als "behandlungsbedürftigen Sonderfall" bezeichnete – und der, mit ihrer Reaktion konfrontiert, ein paar Tweets lang keine Entschuldigung hervorbrachte, sondern die Sache noch verschärfte.
Margarete Stokowski, bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung 100 Frauen und 100 Jahre Frauenwahlrecht im Bundesministerium der Justiz und fuer Verbraucherschutz, 01.11.2018, Berlin. Berlin Deutschland .
Die Autorin Margarete Stokowski© imago/photothek
Ein symptomatisches Twitter-Ereignis, wenn man Medium und Öffentlichkeit unterschätzt. Stokowski sagte, dass Leute manchmal "für schnelle Likes oder aus einem Impuls heraus Sachen tun, die am Ende dann nicht gut sind". Sie glaubt aber, dass es falsch sei, dies dann dem Medium zuzuschreiben – denn es gebe auch sehr viele Leute, die das sehr gut hinbekämen. Für sie persönlich überwiegt das Gute auf Twitter, darunter auch die Möglichkeit, ungehörte Stimmen zu entdecken und Leute kennenzulernen.

Antiaggressionstraining für Social Media

Michael Seemann ist Kulturwissenschaftler, Journalist und als @mspro seit Jahren auf Twitter unterwegs – er wird das Netzwerk ganz sicher nicht verlassen in nächster Zeit. Zu den diversen Empörungsspiralen und der Frage, ob Twitter unsere Kommunikation verändert, sagt Seemann, er glaube, "dass wir auch Mechanismen und Techniken finden werden, unsere Emotionen zu kontrollieren, wenn wir Twitter nutzen oder Social Media". Seemann spricht von einer "Transitionsphase", was die Bedeutung von Social Media für den politischen Diskurs betrifft. "Wir haben diese neue Öffentlichkeit, sie hat mehr Leute in den Diskurs gebracht, aber das verändert die Strukturen viel viel stärker, als wir gedacht haben. Wir sehen, dass das alte System und die neue Öffentlichkeit noch nicht so richtig gut zusammenpassen."

Social-Media-Verbot für Abgeordnete?

Schlecky Silberstein, Unterhaltungskünstler und Autor, Blogger und Kopf vom Bohemian Browser Ballett, verkündete 2018 schon in seinem Buch "Das Internet muss weg", dass auch Social Media nicht so sein Ding ist. Außer natürlich als beruflicher Kanal.
Der Blogger und Autor Christian Brandes alias Schlecky Silberstein sitzt auf einem Sofa bei der Leipziger Buchmesse im Jahr 2018.
Der Blogger und Autor Schlecky Silberstein© imago
Für ihn ist Robert Habeck der "Mann des Jahres", weil er eine spannende Debatte angeleiert habe: Inwiefern vertragen sich Demokratie und twitternde Politiker? Silbersteins Haltung ist klar: gar nicht. Er findet überlegenswert, ob man nicht ein Verbot für Abgebordnete einführen sollte, sich auf Social-Media-Kanälen zu präsentieren.

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