Flourish (Lotic)
Julia Crescitelli
Deutschland 2021, 3'15", Farbe
Hässlich-schöner Körperhorror
06:45 Minuten
Raphael Smarzoch im Gespräch mit Massimo Maio · 09.05.2022
Haut, Fingernägel, Wimpern montiert zu metallenen Elektro-Klängen: „Flourish“ wurde auf den Oberhausener Filmtagen als bestes Musikvideo ausgezeichnet. Der Film changiere zwischen „Ekel und Faszination“, sagt Jury-Mitglied Raphael Smarzoch.
Haut, Blutegel, Fingernägel, die geschnitten werden. Eine Zunge, die Eis schleckt. Wimpern, das Zerlegen eines Bratens: alles in Nahaufnahme, im Split Screen montiert zu metallischen Rhythmen und scharrend-schabenden Geräuschen.
Abstoßend und faszinierend zugleich. Zu nah, als dass die Aufnahmen den Zuschauer unberührt lassen können.
Ekel und Faszination
„Das ist eine unheimlich einnehmende Bildgewalt“, beschreibt Raphael Smarzoch, der bei Deutschlandfunk Kultur Musikredakteur ist, das Musikvideo „Flourish“ von Julia Crescitelli. Der Film wurde auf den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen als bestes Musikvideo ausgezeichnet. „Wir waren sehr, sehr schnell überzeugt von dem Video“, sagt Smarzoch, der in der Jury saß.
Die Bilder zeigen „ganz alltägliche Dinge, die in der Nahaufnahme verstörend wirken“, erzählt er. Dadurch entstehe eine Ambivalenz. Das Video changiere zwischen „Ekel und Faszination“. Es finde Schönheit in der Hässlichkeit, aber auch Hässlichkeit in der Schönheit.
„Ich würde das als Körperhorror bezeichnen“, sagt Raphael Smarzoch. „Man ist die ganze Zeit damit beschäftigt, die Bilder zu lesen und zu deuten, und das hat tatsächlich auch etwas Unterhaltsames.“
Monströs und schön zugleich
Das Video sei „unglaublich präzise produziert“, betont er. Die Bilder seien perfekt zu der Musik der US-amerikanischen Elektro-Musikerin Lotic „geschaltet“. Die in Berlin beheimatet Produzentin und Musikerin ist bekannt für Deconstructed Club Music, in der Club-Sounds mit genrefremden Klängen kombiniert werden.
Genau wie das Video verbinde die Musik „Monströses mit Schönem“, erklärt er. Dem Zuhörer sei die Musik „irgendwie fremd, aber man kennt sie auch“.
Musikvideos zu experimenteller elektronischer Musik seien nicht ungewöhnlich, betont Raphael Smarzoch. Das habe es schon immer gegeben. Bei den meisten handele es sich aber um abstrakte Arbeiten. „Das Ganze hatte so einen Medienkunst-Effekt.“ Die detaillierten Nahaufnahmen in „Flourish“ stehen dazu im Gegensatz.