Kurz und kritisch

03.10.2013
Carl Schmitt und sein Verhältnis zur Öffentlichkeit, was für Richard Wagner Deutschsein war und warum Inflation kein Schreckgespenst sein muss, in kurzen Rezensionen.
Inszenierung eines öffentlichen Gesprächs
Öffentlichkeit ist längst zum Staatsersatz geworden. Ununterbrochen wird Transparenz beschworen, gerade weil im Zeitalter der Öffentlichkeit die Offenheit aufhört. Statt Offenheit also Öffentlichkeit, um dort neue Spielräume für das Geheimnis zu gewinnen und im Geheimen umso nachhaltiger wirken zu können. Das lehrte der umstrittene Jurist Carl Schmitt.

Er wahrte nicht die früher übliche Distanz des deutschen Professors zur Presse. Er suchte bewusst den Kontakt zu Journalisten. Denn diese inszenierten das öffentliche Gespräch, den Dialog und die Debatte, um für ihre eigene Weltsicht Stimmung zu machen.

Carl Schmitt, nach 1945 seines Lehrstuhls enthoben und ohne einflussreiche Ämter, wollte sich in diese Planspiele einmischen und dennoch im geheimnisvollen Hintergrund bleiben. Das gelang ihm vollständig. Denn die wichtigsten Journalisten waren neugierig auf ihn und waren bereit, ihm und seinen Ideen Gehör zu verschaffen, ohne offen zugeben zu müssen, mit ihm zu verkehren. Das Geheimnis schütze beide: Carl Schmitt und die Journalisten.

Kai Burkhardt (Hrsg.) - Carl Schmitt und die Öffentlichkeit (Lesart)
Kai Burkhardt (Hrsg.) - Carl Schmitt und die Öffentlichkeit (Lesart)© Promo
Hrsg. Kai Burkhardt:
Carl Schmitt und die Öffentlichkeit. Briefwechsel mit Journalisten, Publizisten und Verlegern aus den Jahren 1923 bis 1983

Duncker & Humblot, Berlin



Das Zwecklose als das vollkommen Schöne
Die Frage: "Was ist deutsch?" beschäftigte immer wieder Dichter, Maler oder Musiker. Richard Wagner fand darauf die berühmte Antwort: Die Sache, die man treibt, um ihrer selbst willen zu treiben. Er sprach als Künstler, für den nur das Zwecklose das vollkommen Schöne ist.

Sein deutsches Bewusstsein hat nichts mit der Nation und dem Volk zu tun. Für ihn ist es die Sprache, die jemanden zum Deutschen macht. Für Wagner ist sie die letzte wahre Weltsprache. Deshalb konnten gerade Deutsche aus der Musik eine Universalsprache entwickeln, die Völker über Raum und Zeit hinweg verbindet.

Das Reich, die Nation kann vergehen, die deutsche Sprache und deutsche Musik hat mit solchen Zweckveranstaltungen nichts zu schaffen. Soweit Wagner. Folgen wir diesem Buch, so steckt in Wagner viel Schiller und Herder, Goethe und Hegel, aber kein Hitler.

Siegfried Gerlich - Richard Wagner: Die Frage nach dem Deutschen (Lesart)
Siegfried Gerlich - Richard Wagner: Die Frage nach dem Deutschen (Lesart)© Promo
Siegfried Gerlich:
Richard Wagner: Die Frage nach dem Deutschen. Philosophie, Geschichtsdenken und Kulturkritik

Karolinger Verlag, Wien



Entdämonisierung der Inflation
Das Wort "Inflation" hat im Deutschen einen üblen Klang – seit der Hyperinflation nach Ende des Ersten Weltkriegs, die sich als nationales Trauma von einer Generation zur nächsten vererbte. Der Wirtschaftsjournalist Mark Schieritz unternimmt den Versuch, den Begriff seiner dämonischen Aura zu entkleiden; er weist nach, dass eine moderate Entwertung bei stabilen Währungen üblich ist und dass die Inflationsrate bei der hochgeschätzten D-Mark stets höher ausfiel als bisher beim Euro.

Er argumentiert gegen verbreitete Ängste der deutschen Bevölkerung. Gierige Finanzdienstleister würden einschlägige Hysterien schüren, um Geschäfte zu machen. Er warnt vor der Flucht in Gold und Immobilien und schreibt eingängig und auch für Laien gut verständlich.

Dass es zu den von ihm behandelten Phänomenen gänzlich andere und gut begründbare Meinungen gibt, deutet er nur vorsichtig an. Doch Analysen und Prognosen zur spätkapitalistischen Wirtschaft sind eben genauso unberechenbar wie die spätkapitalistische Wirtschaft selbst.

Mark Schieritz - Die Inflationslüge (Lesart)
Mark Schieritz - Die Inflationslüge (Lesart)© Promo
Mark Schieritz:
Die Inflationslüge: Wie uns die Angst ums Geld ruiniert und wer daran verdient

Knaur Klartext, München