Kurz und kritisch

Von Künstlerbohème und Tierseuchen

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Von Künstlern erwartet die Gesellschaft "Bohème", schreibt Werner Büttner in seiner "Düngeschlacht". © dpa / picture alliance / Michael Latz
Von Kolja Mensing, Kim Kindermann und Thorsten Jantscheck · 21.06.2014
In unseren Kurzrezensionen heute: Ein Horror-Roman, der die Grenzen des Genres sprengt, ein hervorragendes Kinderbuch über den Umgang mit dem Tod und ein Kunstprofessor, der einen Einblick in seine Arbeit gibt.
Auf den ersten Blick ist Benjamin Percys "Roter Mond" ein klassischer Horror-Roman. Eine Tierseuche ist auf die Menschheit übergesprungen und hat eine Population von Werwölfen geschaffen, deren Angehörige in den USA heftig diskriminiert werden.
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B. Percy: "Roter Mond"© Penhaligon Verlag
Die Werwölfe - in diesem Roman heißen sie Lykaner - schlagen zurück: mit Aufständen, Anschlägen, Massakern. Amerika befindet sich im Krieg gegen eine ganz eigene Art von Terrorismus: Das ist der Ausgangspunkt.
Claire ist Lykanerin, Patrick ist der einzige Überlebende einer mörderischen Wolfsattacke in einem Flugzeug, und rund um diese beiden Figuren - die sich natürlich ineinander verlieben - entwirft Benjamin Percy einen Roman, der die Grenzen des Genres sprengt.

Benjamin Percy: Roter Mond
Aus dem Amerikanischen von Michael Pfingstl
Penhaligon Verlag, München
640 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook erhältlich

Kinder verdienen die Wahrheit – auch bei schlimmen Themen
In diesem genialen Kinderbuch geht es ums Sterben. Es ist eins der besten zu diesem schwierigen Thema. "Für immer" heißt es. Zwei kleine Worte, die aber genau ausdrücken, worum es hier geht. Darum dass ein geliebter Mensch weg ist. Unwiederbringlich!
Genau das erlebt Egon. Der Vater des kleinen Jungen stirbt. Nicht ohne vorher noch gemeinsam mit Egon einen roten Papier-Drachen gebastelt zu haben. Der Drache bleibt - auch auf jedem Bild. Fest in den Armen des kleinen Jungen, der sich verzweifelt nach Hilfe sehnt.
Aber man will ihn schonen. Und so verstecken sich die Erwachsenen hinter Rollen: Die Flüsterer und Grinser, nennt Egon sie. Dabei weiß Egon längst: Gegen das "Für immer" gibt es keine Tabletten und es wird nie wieder so sein wie es war. Aber es wird weitergehen! Mal besser, mal schlechter.
Genau darum geht es: Kinder verdienen die Wahrheit. Das muss man verstehen lernen und dieses Buch hilft dabei.

Kai Lüftner und Katja Gehrmann: "Für immer"
Verlag Beltz & Gelberg, Landsberg 2013
32 Seiten, 12,95 Euro

Einblick in eine komplizierte Künstlerwelt
Es ist schon schwer genug, zu verstehen, was ein Künstler eigentlich macht, wenn er Kunst herstellt. Noch schwerer ist es, zu begreifen, was ein Künstler tut, wenn er Professor an der Kunsthochschule ist.
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W. Büttner, "Düngeschlacht über den Fontanellen"© Textem Verlag
In dem jüngsten Katalogbuch des in Hamburg lehrenden Kunstprofessors Werner Büttner erhält man von beidem eine Ahnung: Hier wird Büttner als Künstler etwa mit seinen gedankenblitzenden, bild- und wortwitzigen Collagen kenntlich, aber eben auch als ziemlich eigenwilliger Lehrer.
"Das totgeschwiegene Lehrziel der Akademie", schreibt Büttner in einem seiner hinreißend ruppigen Texte, "heißt 'Boheme'. Dahinter verbirgt sich eine sozialgeschichtlich einmalige Mixtur: hohes gesellschaftliches Prestige bei gleichzeitigem materiellen Elend." Vom Bohemien erwarte man "Schamlosigkeit, Exzess, deviante Tages- und Nachteinteilung."

Werner Büttner: Düngeschlacht über den Fontanellen. Erziehungsversuche an Anderen und am Selbst
Textem Verlag Hamburg 2014
172 Seiten, 35,00 Euro