Luca Crippa und Maurizio Onnis: Wilhelm Brasse. Der Fotograf von Auschwitz
Aus dem Italienischen übersetzt von Bruno Genzler
Karl Blessing-Verlag, München 2014
336 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook erhältlich
KZ-Häftlinge im Sucher der Kamera

Für das Porträt "Wilhelm Brasse - Der Fotograf von Auschwitz" führten Luca Crippa und Maurizio Onnis Gespräche mit dem KZ-Überlebenden. Neu herausgegeben wurden auch Martin Warnkes Berichte über den Auschwitz-Prozess.
Wilhelm Brasse war politischer Häftling im Konzentrationslager Auschwitz. Einer der ersten, die 1940 eingeliefert wurden und einer der letzten, die 1945 freikamen und die Tortur überlebt hatten. Inhaftiert wurde er, weil er nicht deutscher Soldat werden wollte als Sohn eines österreichischen Vaters und polnischer Bürger blieb, so wie er von seiner Mutter erzogen worden war.
Und ihn rettete, dass er als versierter Fotograf zum Erkennungsdienst abgestellt wurde. Die Dunkelkammer wurde gleichsam sein Zufluchtsort inmitten eines mörderischen KZs. Das Leid der anderen, ihre Mimik – Erschrecken, Trauer, Erschöpfung, aber auch Naivität und Stolz – sah er durch den Sucher seiner Kamera.

Cover Luca Crippa/ Maurizio Onnis "Wilhelm Brasse - Der Fotograf von Auschwitz"© Blessing
Er machte beispielsweise die drei obligatorischen Fotos von Pater Maximilian Kolbe, der sich später anstelle eines Familienvater bei einer Strafaktion töten ließ. Oder von einem kräftigen Seemann und dessen kunstvoller Tätowierung auf seinem Rücken. Dafür wurde dieser dann ermordet, um aus seiner Haut einen bunten Bucheinband zu machen.
Wohl alle Fotos, die in Auschwitz aufgenommen wurden, gingen durch die Hände von Wilhelm Brasse. Viele von ihnen sind noch heute erhalten, weil er den Befehl nicht ausführte, sie zu vernichten. Seinen Beruf als Fotograf gab er nach der Befreiung auf, weil das Trauma des Erlebten ihn nicht losließ. Aber er berichtete Besuchern bereitwillig über das Lagerleben bis zu seinem Tod im Jahr 2012. So auch zwei italienischen Journalisten.
18 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz begann im Dezember 1963 in Frankfurt am Main der erste von sechs Strafprozessen gegen SS-Leute und andere Aufseher. Als jüngster Pressevertreter berichtete Martin Warnke eine Zeit lang aus der Beweisaufnahme für die "Stuttgarter Zeitung".

Cover Martin Warnke "Zeitgenossenschaft. Zum Auschwitz-Prozess 1964"© diaphanes
Ihn beeindruckte, wie Zeugen, die das KZ als Häftlinge überlebt hatten und eindrucksvoll das erlebte Leid schilderten, wie mittlerweile alt gewordene Leute sich unter bohrenden Fragen der Juristen an Details erinnern sollten, welche die Schuld gerade dieser Angeklagten belegt oder auch widerlegt hätten.
Weshalb auch seine Berichte über Höhepunkte oder magische Situationen nicht erkennen ließen, dass das Verfahren über weite Strecken ermüdend abgelaufen und von Banalitäten geprägt gewesen sei.
Gleichwohl hätten die Anklage und der Prozess eine neuerliche Auseinandersetzung erzwungen, in einer gesellschaftlichen Stimmungslage, die lieber einen Schlussstrich unter die jüngste deutsche Vergangenheit gezogen hätte.
Warnke selbst wurde nicht Journalist, sondern Kunsthistoriker, lehrte an den Universitäten von Marburg und Hamburg, aber er forderte seinen Fachbereich 1970 auf dem "Kunsthistorikertag" in Köln heraus, indem er seinen Kollegen vorhielt, ungerührt vom Dritten Reich und seinem Scheitern in alten Denkmuster weiterzuarbeiten.
Martin Warnke: Zeitgenossenschaft. Zum Auschwitz-Prozess 1964
Vorgestellt von Pablo Schneider und Barbara Welzel
Diaphanes-Verlag, Zürich 2014
128 Seiten, 17,95 Euro