Kurz und kritisch

Franziskus, der Vielbeschriebene

Papst Franziskus berührt die israelische Grenzmauer zum Westjordanland
Papst Franziskus berührt die israelische Grenzmauer zum Westjordanland © dpa / picture-alliance / Osservatore Romano Handout
Von Ernst Rommeney · 01.06.2014
Drei Bücher über Papst Franziskus: Miguel Hirsch befragt Weggefährten des Papstes, Paolo Suess setzt sich mit der Kirche Lateinamerikas auseinander und Hans Waldenfels erklärt aus Jesuitensicht seinen Ordensbruder.
Als bescheiden und wortkarg, volksnah und sozial eingestellt, eher orthodox und ethisch denkend, denn konservativ, durchaus politisch, strategisch handelnd und behutsam vorgehend. So beschreibt Miguel Hirsch seinen Landsmann Jorge Bergoglio.
Der Journalist befragte Wegfährten des früheren Erzbischofs von Buenos Aires, zitiert die Schwester, dass sich ihr Bruder auch im neuen Amt nicht ändern werde, und berichtet überrascht, dass Franziskus mit Freude im Vatikan zu sein scheine, da er nun international etwas bewegen, sich beispielsweise einsetzen könne für Arbeiterrechte, gegen Lohnsklaverei und Menschenhandel.
Obschon mehrfach als künftiger Papst gehandelt, hatte er nicht mit seiner Wahl gerechnet, sich vielmehr innerlich auf den Ruhestand vorbereitet - und doch sich mit einer engagierten Rede auf dem Konklave beworben, in dem er die Selbstverliebtheit der katholischen Kirche verurteilte.
Als Bischof war er stets auf der Straße unterwegs, besuchte die Elendsviertel. An der Universität gründete er eine unabhängige Denkfabrik, welche die Ursachen der Armut erforschte, und mit der Präsidentenfamilie Kirchner stand er über Kreuz.
Ihm wurde verübelt, sich vehement gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen zu haben, doch verurteilte er nicht die Homosexuellen, nicht ihre Neigung oder ihre Partnerschaft. Er redete mit ihnen.

Miguel Hirsch: Jorge. Begegnungen mit einem, der nicht Papst werden wollte
Herder Verlag Freiburg, Februar 2014
160 Seiten, 18,99 Euro, auch als ebook

Paolo Suess, ein deutscher Priester, der seit 1966 in Brasilien lebt, sieht im argentinischen Papst einen Befreiungstheologen. Und er vereinnahmt ihn damit, denn Franziskus ist kein theologischer Theoretiker, sondern ein religiöser Praktiker. Mit der sehr politischen Theologie der Befreiung hatten selbst lateinamerikanische Bischöfe stets ihre liebe Not.
Suess ignoriert den alten Streit, räumt sogar ein, dass auch die Linke, wo immer sie regierte, weder ihre Sozialversprechen einhielt noch mit dem Kapitalismus brach. Allen Enttäuschungen zum Trotz bleibt für ihn die Solidarität mit den Armen die wichtigste Aufgabe. Aus den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils heraus entwickelt er theologisch die Idee einer zweiten Moderne.
Die notwendige Kirchenreform sei bereits damals in den Sechziger Jahren erarbeitet worden, die Lateinamerikaner hätten sie dann für sich schrittweise umgesetzt, nun müssten, so will er verstanden sein, die Europäer und die Kurie nachziehen.
Es gehe um Demokratie, darum die Basis, die Rolle der Gemeindemitglieder zu stärken, plurale Formen religiösen Heils anzuerkennen, die Kulturen indigener Völker zu respektieren, abzuschütteln, was aus der Kolonialzeit haften geblieben ist: Klerikalismus, Paternalismus, Eurozentrismus. So verbindet er seine Botschaft mit der von Papst Franziskus.

Paolo Suess: Und sie bewegt sich doch! Wegmarken pastoraler Praxis in Theologie und Kirche Lateinamerikas
Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern Februar 2014
178 Seiten, 20,00 Euro

Hans Waldenfels erklärt als Jesuit seinen Ordensbruder. Er beschreibt ihn als diszipliniert und strukturiert, gut organisiert und effektiv - intellektuell wie praktisch. Und mit diesem Rüstzeug konzentriere sich Jorge Bergoglio sich auf eine, auf seine selbst gestellte Aufgabe, sich für die Armen einzusetzen, als Kirche zu den Menschen, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen.
Hans Waldenfels war Fundamentaltheologe in Bonn, seine Auslandserfahrung sammelte er nicht in Südamerika, sondern in Asien. Auch er vermittelt, dass die katholische Kirche von Franziskus nicht ein weiteres Konzil zu erwarten habe, sondern den Anstoß, sich im Geiste des letzten auf den Weg zu machen.
Skeptikern und Kritikern werden so deren eigene Argumente und Quellen entgegengehalten, ihnen wird der Gedanke nahe gelegt, der neue, der argentinische Papst führe doch nur fort, was der alte, der deutsche begonnen habe. Das Publikum spürt einen Wandel, auf den Paukenschlag dürfte es vergeblich warten.

Hans Waldenfels: Sein Name ist Franziskus. Der Papst der Armen
Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 2014
159 Seiten, 19,90 Euro, auch als ebook