Kurz und kritisch

Drei Elektrotechniker und ihre ungleichen NS-Biografien

Nahaufnahme eines Texts in einem Buch von 1905, in dem "Telegraph" zu lesen ist.
Unterschiedliche Wege gingen die drei Nachrichtentechniker Küpfmüller, Piloty und Mayer im Dritten Reich. © picture alliance / Maximilian Schönherr
Von Arkadiusz Luba · 07.03.2015
Scharf umrissene Porträts über drei renommierte Experten der Nachrichtentechnik haben Joachim Hagenauer und Martin Pabst verfasst. "Anpassung, Unbotmäßigkeit und Widerstand" zeigt auf, wie unterschiedlich sie die NS-Zeit durchlebten.
Das Buch "Anpassung, Unbotmäßigkeit und Widerstand" porträtiert drei international renommierte Ingenieure und Professoren der Nachrichtentechnik: Karl Küpfmüller, Hans Piloty und Hans Ferdinand Mayer.
Sie stammten aus unterschiedlichen Milieus und wurden nach 1933 doch vergleichbar sozialisiert. Sie erlebten den Krieg, Zusammenbruch und Wiederaufbau und erreichten schließlich hohe Stellungen und Auszeichnungen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben sich gut gekannt, sind beruflich gemeinsame Wege in Wissenschaft und Forschung gegangen und haben teilweise gemeinsam publiziert.
In der Politik verhielten sie sich jedoch äußerst unterschiedlich.
Wenn man bedenkt, welche Konvolute die beiden Buchautoren Joachim Hagenauer und Martin Pabst zur Recherche herangezogen haben, könnte man erwarten, davon erschlagen zu werden. Sie haben Familienangehörige, Bekannte und ehemalige Mitarbeiter befragt, Firmenarchive sowie staatliche und private Archive gesichtet und ausgewertet.
Cover Klaus Strunk "Zur Geschichte der Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert"
Cover Klaus Strunk "Zur Geschichte der Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert"© Bayrische Akademie der Wissenschaften
Daraus entstanden drei scharf fokussierte Porträts, die exemplarisch für das unterschiedliche Verhalten in Nazi-Deutschland stehen: Karl Küpfmüller wurde NSDAP-Mitglied und erreichte einen hohen SS-Rang, Hans Piloty wählte den Weg begrenzter Unbotmäßigkeit, Hans Ferdinand Mayer entschloss sich zu aktivem Widerstand, wurde in Konzentrationslagern inhaftiert und entkam nur knapp dem Tod.
Objektiver Bericht-Stil
Die zahlreichen Quellenangaben in ebenso zahlreichen Fußnoten erschweren die Lektüre jedoch nicht. Der Stil bleibt objektiv und oft einem Bericht ähnlich, allerdings mit subtiler Neigung kritisch zu hinterfragen und die Protagonisten aus allen Perspektiven zu beleuchten, so dass der Leser über deren Lebensführung allein urteilen kann.
Am Ende stört nur die moralisierende Anregung der Autoren, "sich damit auseinanderzusetzen, wie man selbst unter vergleichbaren politischen Bedingungen handeln würde".
Gebrüder Grimms monumentales Wörterbuch schuf vor 200 Jahren Grundlagen für das Fach Germanistik, und doch ist es ihnen misslungen, die "deutsche Seele" zu entschlüsseln. Vergebens sucht man nach der Erklärung, wie sich das Volk der Dichter und Denker mit dem Mördervirus infizieren konnte.
Die Fälle Küpfmüllers, Pilotys und Mayers zeigen – selbst, wenn sie keine Mörder waren –, dass diese Frage und die NS-Vergangenheitsbewältigung lange noch nicht abgeschlossen sind.

Joachim Hagenauer und Martin Pabst: "Anpassung, Unbotmäßigkeit und Widerstand. Karl Küpfmüller, Hans Piloty, Hans Ferdinand Mayer – Drei Wissenschaftler der Nachrichtentechnik im Dritten Reich"
Schriftenreihe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2014
112 Seiten, 48,00 Euro