Kurz und kritisch
In "Madchester-Kapitalismus" geht es über Finanzmärkte. "Nichtsangst" beschäftigt sich mit Tod und Leben. "Das Wissen von Morgen" zeigt Ideen von Wissenschaftlern.
Bernd Niquet: Der Madchester-Kapitalismus
Volk Verlag, München 2008
Manchesterkapitalismus kennen wir alle – aber was verstehen wir unter der Madchester-Variante? Keineswegs nur eine zeitgemäße Verhöhnung, von Madchester sprach man bereits Ende der Achtziger in der Popmusik. Der von Drogen getriebene Madchester-Rave stand für ekstatische Dauerparties. Analog dazu verhielten sich lange Jahre unsere Finanzmärkte: "Überall gab es jetzt Geld zu Niedrigzinsen, in Japan sogar zum Nullzins, so dass die Kreditkosten in keinem Verhältnis mehr zu den Riesenerträgen standen, die bei der gleichzeitigen Anlage an den Märkten zu erzielen waren. Das wirkte", heißt es bei Bernd Niquet, "als gäbe es Ecstasy-Pillen umsonst und beim Schlucken jeder Pille noch eine Flasche Schnaps gratis dazu".
Der Volkswirt, Börsenpublizist und Romancier Niquet schafft das Kunst¬stück, in einer fiktiven Biografie den Zusammenbruch des irrationalen Madchester-Kapitalismus vorwegzunehmen und selbst wirtschaftlich unberatenen Lesern begreifbar zu machen. Beispiele aus Fußball und Musik illustrieren seine Thesen. So prophetisch wie originell – hätte man das Buch nur früher in die Hände bekommen!
Jürg Amann: Nichtsangst
Haymon Verlag, Innsbruck 2008
Ein ganzes Brevier dreht sich ums nichts. Das Nichts – Das Ende von allem: Gevatter Tod. "Das Leben selbst ist lebensfeindlich: denn es geht zum Tod", sagt der Schweizer Schriftsteller Jürg Amann in einem von Hunderten novembertrüber Epitaphe. Obsessiv kreist sein Denken ums schwarze Nichts, um die allgemeine Hoffnungslosigkeit, den mangelnden Lebenssinn, den unsichtbaren Schöpfer. Gibt es ihn vielleicht doch?
Lässt er sich wenigstens mit physikalischen Theorien in Einklang bringen? "Der Urknall: Indem Gott explodierte, existierte die Welt. Von ihm ist nichts mehr geblieben." Das sitzt ... andere Aphorismen verrutschen dem Autor schon mal in raunende Beliebigkeit. Kunststück: Brillanz braucht Helligkeit, in diesem Buch ist aber alles dunkel. Grabesschwer ringt es seinen Leser nieder. Trost? Nur so: "Das einzig Gerechte am Sterben: Jeder muss einmal. Und jeder muss nur einmal."
John Brockmann (Hrsg.): "Das Wissen von Morgen. Was wir für wahr halten, aber nicht beweisen können
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008.
Die Idee ist hübsch, das Buch eine nette Nachttischlektüre: Was halten US-Wissenschaftler für wahr, ohne es beweisen zu können? Mancher begibt sich auf dünnes Eis. J. Craig Venter, der umstrittene Genforscher, bekennt sich zur "Panspermie" - alles Leben auf der Erde, sagt diese Theorie, kam einst aus dem Weltall, von frei herumsegelnden DNA-Bruchstücken gewissermaßen. Die Anthropologin Judith Harris meint, dass die Evolution nicht nur nach Nutzen, sondern auch nach Schönheit selektiert. Beweisbar ist das nicht, wie vieles auf dem Feld der Evolutionstheorie, der Astrophysik und natürlich der Mathematik.
Da sagt Verena Huber-Dyson: "Ich glaube an die Kraft der Langeweile", während ihr Namensvetter Freeman Dyson konkreter wird: "Die Umkehrung einer Zweierpotenz kann nie eine Fünferpotenz sein!" Eine Anregung zum Nachdenken, liebe Hörer - oder pflichten Sie dem einfach bei. Es lässt sich nämlich nicht beweisen, ebenso wenig wie der Kernsatz des Psychologen David Buss: "Ich glaube an die wahre Liebe." Der zumindest ist bei aller Unwissenheit tröstlich.
Buchtipp:
Otto Fricke, FDP, Vorsitzender des Haushaltsauschusses im Deutschen Bundestag, empfiehlt: Geert Mak: "Das Jahrhundert meines Vaters", Siedler Verlag, Berlin
Volk Verlag, München 2008
Manchesterkapitalismus kennen wir alle – aber was verstehen wir unter der Madchester-Variante? Keineswegs nur eine zeitgemäße Verhöhnung, von Madchester sprach man bereits Ende der Achtziger in der Popmusik. Der von Drogen getriebene Madchester-Rave stand für ekstatische Dauerparties. Analog dazu verhielten sich lange Jahre unsere Finanzmärkte: "Überall gab es jetzt Geld zu Niedrigzinsen, in Japan sogar zum Nullzins, so dass die Kreditkosten in keinem Verhältnis mehr zu den Riesenerträgen standen, die bei der gleichzeitigen Anlage an den Märkten zu erzielen waren. Das wirkte", heißt es bei Bernd Niquet, "als gäbe es Ecstasy-Pillen umsonst und beim Schlucken jeder Pille noch eine Flasche Schnaps gratis dazu".
Der Volkswirt, Börsenpublizist und Romancier Niquet schafft das Kunst¬stück, in einer fiktiven Biografie den Zusammenbruch des irrationalen Madchester-Kapitalismus vorwegzunehmen und selbst wirtschaftlich unberatenen Lesern begreifbar zu machen. Beispiele aus Fußball und Musik illustrieren seine Thesen. So prophetisch wie originell – hätte man das Buch nur früher in die Hände bekommen!
Jürg Amann: Nichtsangst
Haymon Verlag, Innsbruck 2008
Ein ganzes Brevier dreht sich ums nichts. Das Nichts – Das Ende von allem: Gevatter Tod. "Das Leben selbst ist lebensfeindlich: denn es geht zum Tod", sagt der Schweizer Schriftsteller Jürg Amann in einem von Hunderten novembertrüber Epitaphe. Obsessiv kreist sein Denken ums schwarze Nichts, um die allgemeine Hoffnungslosigkeit, den mangelnden Lebenssinn, den unsichtbaren Schöpfer. Gibt es ihn vielleicht doch?
Lässt er sich wenigstens mit physikalischen Theorien in Einklang bringen? "Der Urknall: Indem Gott explodierte, existierte die Welt. Von ihm ist nichts mehr geblieben." Das sitzt ... andere Aphorismen verrutschen dem Autor schon mal in raunende Beliebigkeit. Kunststück: Brillanz braucht Helligkeit, in diesem Buch ist aber alles dunkel. Grabesschwer ringt es seinen Leser nieder. Trost? Nur so: "Das einzig Gerechte am Sterben: Jeder muss einmal. Und jeder muss nur einmal."
John Brockmann (Hrsg.): "Das Wissen von Morgen. Was wir für wahr halten, aber nicht beweisen können
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008.
Die Idee ist hübsch, das Buch eine nette Nachttischlektüre: Was halten US-Wissenschaftler für wahr, ohne es beweisen zu können? Mancher begibt sich auf dünnes Eis. J. Craig Venter, der umstrittene Genforscher, bekennt sich zur "Panspermie" - alles Leben auf der Erde, sagt diese Theorie, kam einst aus dem Weltall, von frei herumsegelnden DNA-Bruchstücken gewissermaßen. Die Anthropologin Judith Harris meint, dass die Evolution nicht nur nach Nutzen, sondern auch nach Schönheit selektiert. Beweisbar ist das nicht, wie vieles auf dem Feld der Evolutionstheorie, der Astrophysik und natürlich der Mathematik.
Da sagt Verena Huber-Dyson: "Ich glaube an die Kraft der Langeweile", während ihr Namensvetter Freeman Dyson konkreter wird: "Die Umkehrung einer Zweierpotenz kann nie eine Fünferpotenz sein!" Eine Anregung zum Nachdenken, liebe Hörer - oder pflichten Sie dem einfach bei. Es lässt sich nämlich nicht beweisen, ebenso wenig wie der Kernsatz des Psychologen David Buss: "Ich glaube an die wahre Liebe." Der zumindest ist bei aller Unwissenheit tröstlich.
Buchtipp:
Otto Fricke, FDP, Vorsitzender des Haushaltsauschusses im Deutschen Bundestag, empfiehlt: Geert Mak: "Das Jahrhundert meines Vaters", Siedler Verlag, Berlin

Cover: "Bernd Niquet: Der Madchester-Kapitalismus"© Volk Verlag

Cover: "Jürg Amann: Nichtsangst"© Haymon Verlag

Cover: "John Brockmann: Das Wissen von Morgen"© Fischer Taschenbuch Verlag