Kurz und kritisch

Eine Hommage an den Denker Jean-Jacques Rousseau hat Robert Spaemann geschrieben, während Christian Albrecht eine Sammlung von Texten des Philosophen Friedrich Schleiermacher herausgebracht hat. Zum Gegenwartsphilosophen Jürgen Habermas hat Michael Funken Zeitgenossen befragt.
Robert Spaemann: Rousseau – Mensch oder Bürger?
Das Dilemma der Moderne

Verlag Klett Cotta, Stuttgart

Kann ein einzelner Denker eine ganze Epoche verkörpern und alle folgenden Epochen in ihrem Kern bestimmen? Kann ein einzelner Denker über den Zeitgeist der Geschichte verfügen? Jean-Jacques Rousseau kann - behauptet Robert Spaemann. Für ihn verkörpert nicht der gewaltige Systematiker Immanuel Kant, sondern der Eklektiker und geniale Wirrkopf Rousseau den Aufbruch in die Moderne. In der Moderne sei der Mensch aus dem Rahmen und ins Bodenlose gefallen. Das nämlich bezeichnet die Moderne: Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit, Brutalität und Sentimentalität, Individualismus und Totalitarismus. Heidegger hatte das mit der Geworfenheit des Menschen beschrieben und vor ihm schon Nietzsche mit der unauflösbaren Dialektik von letztem Menschen und Übermenschen. In seinen Aufsätzen vermisst der Philosoph Spaemann souverän und undogmatisch auf nur 140 Seiten eine Denkwelt, die bis heute wirkt.


Christian Albrecht: Friedrich Schleiermacher - Über die Religion
Verlag der Weltreligionen, Frankfurt

"Heute hat Schleiermacher in unserer Kirche gepredigt in seiner klaren, tiefen Art (…) nichts von einer kanzelentweihenden Bigotterie, nichts von der Kanzelkoquetterie, nichts von gesuchter Aufklärungssucht - die ruhigste, reinste Begeisterung…", schrieb 1805 ein Student in Halle. Er hatte das Außergewöhnliche dieses Theologen und Philosophen der Frühromantik schnell erfasst. Friedrich Schleiermachers Einfluss auf die deutsche Geistesgeschichte ist nicht zu unterschätzen. Seine Texte und Reden atmen eine verblüffende Zeitlosigkeit, etwa wenn er Religion definiert als eine eigene Provinz im menschlichen Gemüte. Der Münchner Theologe Christian Albrecht ergänzt in seiner neuen Edition bekanntere Text durch bisher vernachlässigte Predigten, Briefe und autobiografische Dokumente. Indem er uns zum Klassischen führt, bereichert er die aktuelle religionsphilosophische Debatte.


Michael Funken: Über Habermas - Gespräche mit Zeitgenossen
Primus Verlag, Darmstadt

Herrschaftsfreie Kommunikation, Diskurstheorie, Verfassungspatriotismus - Begriffe, die in die öffentliche Debatte eingegangen sind. Geprägt hat sie Jürgen Habermas, der einflussreichste deutsche Philosoph der Gegenwart. Über seine Bedeutung im Kontext des 20. Jahrhunderts wird zwar gestritten, aber im Vorfeld seines 80. Geburtstages im nächsten Jahr wird schon mal mit der Einordnung begonnen. Der Publizist Michael Funken etwa befragte für sein Buch einige Zeitgenossen, darunter Ralf Dahrendorf, Wolfgang Schäuble, Gregor Gysi, Joschka Fischer, Wolfgang Huber. Kritiker und Freunde nennt sie der Klappentext. Doch beim Lesen merkt man, dass es sich überwiegend um Freunde handelt. Da steht ein Idol auf dem Sockel, und kaum jemand will dran rütteln. Dass manche These dieses fleißigen Philosophen inzwischen nicht mehr zu halten ist, wäre auch der Erörterung mit erklärten Habermas-Kritikern wert gewesen. Stattdessen haben wir hier eine hübsche Apologie. Musste das sein? Und wie war das noch mit dem herrschaftsfreien Diskurs?


Buchtipp von Wilhelm von Sternburg: Oliver Roy: Der falsche Krieg - Islamisten, Terroristen und die Irrtümer des Westens, Aus dem Französischen von Ursel Schäfer, Siedler Verlag, München 2008
Robert Spaemann: Rousseau - Mensch oder Bürger
Robert Spaemann: Rousseau - Mensch oder Bürger© Klett-Cotta Verlag
Christian Albrecht Hrsg.: Friedrich Schleiermacher - Über die Religion
Christian Albrecht Hrsg.: Friedrich Schleiermacher - Über die Religion© Verlag der Weltreligionen
Michael Funken: Über Habermas
Michael Funken: Über Habermas© Primus Verlag