Kurz und kritisch
Die Wirtschaft entsendet bezahlte Experten in die deutschen Ministerien, wo sie ungehindert Lobbyarbeit betreiben können. Sascha Adamek und Kim Otto schreiben in "Der gekaufte Staat" über die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik. Bilder von Armut, Trauer und Elend zeigt der Fotoband "Das Bild der Menschenrecht". Odo Marquard bietet in dem Reclamheftchen "Skepsis in der Moderne" Weltweisheit für die Jackentasche.
Sascha Adamek, Kim Otto: Der gekaufte Staat
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008
Staat und Wirtschaft stehen sich feindlich gegenüber? Irrtum, sagen Sascha Adamek und Kim Otto: Mehr als 100 "Leihbeamte", nämlich von der Wirtschaft entsandte und bezahlte Experten, trieben oder treiben ihr Unwesen in deutschen Ministerien - mit Zugang zu sensiblen Daten und der Möglichkeit, Gesetzesvorlagen vorzuformulieren. Gedachter Zweck der Übung: die gegenseitige Entfremdung aufzuheben. Tatsächliches Ergebnis: freie Hand für Lob¬byisten aller Couleur, deren Konzepte schon mal eins zu eins in den parlamentarischen Prozess eingespeist werden. Was die beiden Autoren in ihrem Buch "Der gekaufte Staat" an politischen Unappetitlichkeiten zutage fördern, lässt den Leser schaudern. Kann das alles wahr sein? Dafür bürgt das Fernsehmagazin "Monitor", in dessen Auftrag die Fakten recherchiert wurden. Leider kommt der Text ein bisschen zu sehr im Kleide aufbauschender Fernsehkommentare daher. Die Eins daher nur für das Thema, für den Stil eine Drei.
Walter Kälin, Lars Müller (Hrsg.): Das Bild der Menschenrechte
Lars Müller Publishers, Baden 2008
Immer wieder stehen Kinder im Fokus: das sehnsüchtige Schielen eines Mädchens nach einer Tüte Äpfel, der ausdruckslose Blick eines unterernährten nordkoreanischen Jungen. Kinder unter Waffen, Kinder auf Müllhalden, Kinder in Armut und - selten - im Überfluss. "Das Bild der Menschenrechte" heißt ein kühnes Projekt des Schweizer Völkerrechtlers Walter Kälin und des Kunstbuchverlegers Lars Müller. Mit vergleichsweise wenigen Worten und sehr vielen Fotografien wird auf fast 700 Seiten die Lage der Menschenrechte dargestellt. Entschieden zu viele Uniformen signalisieren: Da ist noch viel zu tun, denn die Bilder von Trauer und Elend überwiegen bei weitem die des Glücks. Können Fotos polemisch sein? Aber ja! Und dürfen sie es? Bei diesem Thema unbedingt. Ein besonders empfehlenswertes Bildungsgeschenk für jene übersättigten Menschen, die ihre Regale mit Coffeetablebooks über die Schönheit der Welt füllen. Ein wenig visueller Realismus tut ihnen nur gut.
Odo Marquard: Skepsis in der Moderne
Reclam Verlag, Stuttgart 2007
"Man muss Adorno gehabt haben wie die Masern." Wer sich so einen Satz erlauben kann, zumal als junger Dozent in einer Adorno adorierenden Epoche, der beweist Standhaftigkeit. Odo Marquard, gerade achtzig Jahre alt geworden, gehört seit jeher zu den Unbeugsamen seiner Zunft. Seine Lehre, der Skeptizismus, befiehlt ihm Zweifel an vermeintlichen Wahrheiten, zumal an jenen, die die Masse oder die Mode dem Einzelnen ins Pflichtenheft diktiert. Dass er sich über seine geistige Souveränität hinaus auch als glänzender Stilist behauptet, zeigt das Reclam-Bändchen "Skepsis in der Moderne" mit jüngsten Aufsätzen des großen Philosophen erneut. Als roter Faden wird darin vor jeglicher Selbstgewissheit gewarnt, wie sie übereifrige Weltverbesserer vor sich hertragen: "Die Geschichtsphilosophen", paraphrasiert Odo Marquard listig Karl Marx, "haben die Welt nur verschieden verändert; es kömmt darauf an, sie zu verschonen". Weltweisheit für die Jackentasche - damit man beim Warten an der Bushaltestelle nicht geistig verkümmert.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008
Staat und Wirtschaft stehen sich feindlich gegenüber? Irrtum, sagen Sascha Adamek und Kim Otto: Mehr als 100 "Leihbeamte", nämlich von der Wirtschaft entsandte und bezahlte Experten, trieben oder treiben ihr Unwesen in deutschen Ministerien - mit Zugang zu sensiblen Daten und der Möglichkeit, Gesetzesvorlagen vorzuformulieren. Gedachter Zweck der Übung: die gegenseitige Entfremdung aufzuheben. Tatsächliches Ergebnis: freie Hand für Lob¬byisten aller Couleur, deren Konzepte schon mal eins zu eins in den parlamentarischen Prozess eingespeist werden. Was die beiden Autoren in ihrem Buch "Der gekaufte Staat" an politischen Unappetitlichkeiten zutage fördern, lässt den Leser schaudern. Kann das alles wahr sein? Dafür bürgt das Fernsehmagazin "Monitor", in dessen Auftrag die Fakten recherchiert wurden. Leider kommt der Text ein bisschen zu sehr im Kleide aufbauschender Fernsehkommentare daher. Die Eins daher nur für das Thema, für den Stil eine Drei.
Walter Kälin, Lars Müller (Hrsg.): Das Bild der Menschenrechte
Lars Müller Publishers, Baden 2008
Immer wieder stehen Kinder im Fokus: das sehnsüchtige Schielen eines Mädchens nach einer Tüte Äpfel, der ausdruckslose Blick eines unterernährten nordkoreanischen Jungen. Kinder unter Waffen, Kinder auf Müllhalden, Kinder in Armut und - selten - im Überfluss. "Das Bild der Menschenrechte" heißt ein kühnes Projekt des Schweizer Völkerrechtlers Walter Kälin und des Kunstbuchverlegers Lars Müller. Mit vergleichsweise wenigen Worten und sehr vielen Fotografien wird auf fast 700 Seiten die Lage der Menschenrechte dargestellt. Entschieden zu viele Uniformen signalisieren: Da ist noch viel zu tun, denn die Bilder von Trauer und Elend überwiegen bei weitem die des Glücks. Können Fotos polemisch sein? Aber ja! Und dürfen sie es? Bei diesem Thema unbedingt. Ein besonders empfehlenswertes Bildungsgeschenk für jene übersättigten Menschen, die ihre Regale mit Coffeetablebooks über die Schönheit der Welt füllen. Ein wenig visueller Realismus tut ihnen nur gut.
Odo Marquard: Skepsis in der Moderne
Reclam Verlag, Stuttgart 2007
"Man muss Adorno gehabt haben wie die Masern." Wer sich so einen Satz erlauben kann, zumal als junger Dozent in einer Adorno adorierenden Epoche, der beweist Standhaftigkeit. Odo Marquard, gerade achtzig Jahre alt geworden, gehört seit jeher zu den Unbeugsamen seiner Zunft. Seine Lehre, der Skeptizismus, befiehlt ihm Zweifel an vermeintlichen Wahrheiten, zumal an jenen, die die Masse oder die Mode dem Einzelnen ins Pflichtenheft diktiert. Dass er sich über seine geistige Souveränität hinaus auch als glänzender Stilist behauptet, zeigt das Reclam-Bändchen "Skepsis in der Moderne" mit jüngsten Aufsätzen des großen Philosophen erneut. Als roter Faden wird darin vor jeglicher Selbstgewissheit gewarnt, wie sie übereifrige Weltverbesserer vor sich hertragen: "Die Geschichtsphilosophen", paraphrasiert Odo Marquard listig Karl Marx, "haben die Welt nur verschieden verändert; es kömmt darauf an, sie zu verschonen". Weltweisheit für die Jackentasche - damit man beim Warten an der Bushaltestelle nicht geistig verkümmert.