Kurz und kritisch
Die drei diesmal vorgestellten Bücher sind ein Fotoband über die DDR, der von der Sympathie für die Menschen getragen wird, eine Familiengeschichte eines Autors, dessen Vater DDR-Spion war und ein philosophisches Sachbuch über das vergessene Erbe der Aufklärung.
Macht man einem Fotografen ein Kompliment, wenn man seine Bilder "zurückhaltend" nennt? Gibt es das überhaupt: Einen Pressefotografen, der sein Objektiv vorwiegend dahin richtet, wo es ganz normal zugeht? Thomas Hoepker hat sich Zeit gelassen mit seinen Bildern aus der DDR. Fast von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende und noch ein Stück darüber hinaus begleitete der Fotoreporter des "Stern" das Leben in dieser anderen deutschen Republik.
Seine Bilder sind immer getragen von Sympathie für die Menschen; westliche Häme allenfalls für die Staatslenker, deren Porträts mit ihrem milden Lächeln die Hoffnungslosigkeit der Plattenbausiedlung erst richtig unerträglich machen. Und doch ist vom ersten Bild an klar, wie viel Zukunft der sensible, zurückhaltende Hoepker diesem Staatsexperiment gegeben hat: keine.
Oder höchstens 40 Jahre. Und dann ab damit in die Mottenkiste der Geschichte. Was hat sich da einer auf sein Fähnchen geschrieben in den Tagen gleich nach der Wende? "Ich will ganz schnell ein echter Westler werden. Freundschaft."
Thomas Hoepker: DDR-Ansichten
Vorwort von Wolf Biermann, Texte von Günther Kunert, Eva Windmöller und Thomas Hoepker
Hatje Cantz Verlag
Aus jeder Zeile spricht mal trotziger, mal zorniger Widerwillen. Und der Leser kann ihn nachvollziehen, so wie Thomas Raufeisen die Geschichte seiner Familie erzählt. Es war im Januar 1979, als sein Vater ihn, den Bruder und die Mutter völlig überstürzt ins Auto lud, um von Hannover aus ins Ostseebad Ahlbeck zu reisen, weil der Großvater erkrankt sei.
Der Grund war nur vorgeschoben. Auf einer Autobahnraststätte bei Berlin eröffnete er ihnen, dass die Familie für immer in der DDR bleiben werde, weil der Vater fürchtete, im Westen als Spion enttarnt zu werden. Die Söhne lehnten sich auf, verweigerten sich einem neuen Leben von Gnaden des Ministeriums für Staatssicherheit.
Dem Bruder gelang sehr bald die legale Ausreise. Die anderen aber schmiedeten Fluchtpläne, wurden entdeckt und verurteilt. Thomas Raufeisen konnte nach fünfeinhalb Jahren, seine Mutter nach zehn Jahren zurückkehren. Der Vater starb im Gefängnis Bautzen.
Seine überstürzte Flucht hatte die Familie zerstört. Und wie sich herausstellte, war sie unnötig, denn er war nicht verraten worden. Auch seine Industriespionage war unbeachtet in der Schublade seiner Auftraggeber gelandet. Dafür verlor der Sohn Thomas eine unbeschwerte Jugend und fühlte sich fortan selbst unter Freunden isoliert. Denn weder in der DDR noch in der Bundesrepublik fand er Verständnis für seine Grenzerfahrung.
Thomas Raufeisen: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei
Herder Verlag
Wie dunkel es auf der Welt wurde, seit sie so hell und aufgeklärt geworden ist, bekümmerte schon den Wiener Komödianten Johannes Nestroy um 1840, obschon er noch nicht die Dialektik der Aufklärung gelesen hatte. Die Aufklärung gab es nur im Plural als einander widersprechende, streitsüchtige Literaten. Was sie einte, war ihr Kampf gegen die Römische Kirche. Antiklerikalismus, Aufklärung und Despotie können sich allerdings mühelos ergänzen.
Das bewies zuerst der Aufklärer und Staatsterrorist Robespierre. Radikalisierter Antiklerikalismus und radikale Religionsfeindschaft als Voraussetzung für die Eine Welt als dauerndes Weltjugendfestspiel sind zur Mode unter säkularistischen Dandies und Geschichtspolitikern in Europa geworden. Sie fürchten nämlich den Islam und in ihm die Verführungskraft der Religion überhaupt, darum warnen sie vor den Terroranschlägen der Macht des Religiösen.
Ausgerechnet das unberechenbare Politische soll hingegen eine Sphäre der Vernunft und des vernünftigen Diskurses sein, trotz aller Erfahrungen, die solche Banalitäten als Illusionen widerlegen. Als Einführung in die Verspieltheiten radikaler Intoleranz verdient dies muntere Bekenntnis zur Diskriminierung und Terrorisierung des Anderen Beachtung. Es macht die Welt allerdings weder heller noch wohnlicher.
Philipp Blom: Böse Philosophen. Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung
Hanser Verlag
Lesart Lektüre-Tipp
Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Politiker und Mitglied des Europäischen Parlaments, empfiehlt:
Ernst Horst : "Nur keine Sentimentalitäten! Wie Dr.Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte", erschienen im Blessing Verlag
Seine Bilder sind immer getragen von Sympathie für die Menschen; westliche Häme allenfalls für die Staatslenker, deren Porträts mit ihrem milden Lächeln die Hoffnungslosigkeit der Plattenbausiedlung erst richtig unerträglich machen. Und doch ist vom ersten Bild an klar, wie viel Zukunft der sensible, zurückhaltende Hoepker diesem Staatsexperiment gegeben hat: keine.
Oder höchstens 40 Jahre. Und dann ab damit in die Mottenkiste der Geschichte. Was hat sich da einer auf sein Fähnchen geschrieben in den Tagen gleich nach der Wende? "Ich will ganz schnell ein echter Westler werden. Freundschaft."
Thomas Hoepker: DDR-Ansichten
Vorwort von Wolf Biermann, Texte von Günther Kunert, Eva Windmöller und Thomas Hoepker
Hatje Cantz Verlag
Aus jeder Zeile spricht mal trotziger, mal zorniger Widerwillen. Und der Leser kann ihn nachvollziehen, so wie Thomas Raufeisen die Geschichte seiner Familie erzählt. Es war im Januar 1979, als sein Vater ihn, den Bruder und die Mutter völlig überstürzt ins Auto lud, um von Hannover aus ins Ostseebad Ahlbeck zu reisen, weil der Großvater erkrankt sei.
Der Grund war nur vorgeschoben. Auf einer Autobahnraststätte bei Berlin eröffnete er ihnen, dass die Familie für immer in der DDR bleiben werde, weil der Vater fürchtete, im Westen als Spion enttarnt zu werden. Die Söhne lehnten sich auf, verweigerten sich einem neuen Leben von Gnaden des Ministeriums für Staatssicherheit.
Dem Bruder gelang sehr bald die legale Ausreise. Die anderen aber schmiedeten Fluchtpläne, wurden entdeckt und verurteilt. Thomas Raufeisen konnte nach fünfeinhalb Jahren, seine Mutter nach zehn Jahren zurückkehren. Der Vater starb im Gefängnis Bautzen.
Seine überstürzte Flucht hatte die Familie zerstört. Und wie sich herausstellte, war sie unnötig, denn er war nicht verraten worden. Auch seine Industriespionage war unbeachtet in der Schublade seiner Auftraggeber gelandet. Dafür verlor der Sohn Thomas eine unbeschwerte Jugend und fühlte sich fortan selbst unter Freunden isoliert. Denn weder in der DDR noch in der Bundesrepublik fand er Verständnis für seine Grenzerfahrung.
Thomas Raufeisen: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei
Herder Verlag
Wie dunkel es auf der Welt wurde, seit sie so hell und aufgeklärt geworden ist, bekümmerte schon den Wiener Komödianten Johannes Nestroy um 1840, obschon er noch nicht die Dialektik der Aufklärung gelesen hatte. Die Aufklärung gab es nur im Plural als einander widersprechende, streitsüchtige Literaten. Was sie einte, war ihr Kampf gegen die Römische Kirche. Antiklerikalismus, Aufklärung und Despotie können sich allerdings mühelos ergänzen.
Das bewies zuerst der Aufklärer und Staatsterrorist Robespierre. Radikalisierter Antiklerikalismus und radikale Religionsfeindschaft als Voraussetzung für die Eine Welt als dauerndes Weltjugendfestspiel sind zur Mode unter säkularistischen Dandies und Geschichtspolitikern in Europa geworden. Sie fürchten nämlich den Islam und in ihm die Verführungskraft der Religion überhaupt, darum warnen sie vor den Terroranschlägen der Macht des Religiösen.
Ausgerechnet das unberechenbare Politische soll hingegen eine Sphäre der Vernunft und des vernünftigen Diskurses sein, trotz aller Erfahrungen, die solche Banalitäten als Illusionen widerlegen. Als Einführung in die Verspieltheiten radikaler Intoleranz verdient dies muntere Bekenntnis zur Diskriminierung und Terrorisierung des Anderen Beachtung. Es macht die Welt allerdings weder heller noch wohnlicher.
Philipp Blom: Böse Philosophen. Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung
Hanser Verlag
Lesart Lektüre-Tipp
Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Politiker und Mitglied des Europäischen Parlaments, empfiehlt:
Ernst Horst : "Nur keine Sentimentalitäten! Wie Dr.Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte", erschienen im Blessing Verlag

Buchcover: "DDR Ansichten" von Thomas Hoepker© Hatje-Cantz Verlag

Buchcover: "Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei" von Thomas Raufeisen© Herder Verlag

Buchcover: "Böse Philosophen" von Philipp Blom© Hanser Verlag