Kurz und kritisch

Rezensiert von Ernst Rommeny · 26.06.2011
Liao Yiwu und Roxana Saberi erzählen vom Gefängnisalltag in China und dem Iran. Leszek Miller lässt die Verhandlungen vor Polens EU-Beitritt Revue passieren.
Liao Yiwu: Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen
S. Fischer Verlag, Frankfurt

Liao Yiwu ist hart im Nehmen. Er ist arm aufgewachsen und lebte als Tagelöhner. Später hat die Polizei mehrfach seine Manuskripte konfisziert. Und stets schrieb der chinesische Schriftsteller sie von Neuem – auch die 500 Seiten über vier Jahre in Gefängnis und Arbeitslager. Und doch vermisst er viele wertvolle Erinnerungen, während die Beamten seine Zeilen besser kennen als er selbst.

Er wurde verurteilt, weil sein Gedicht "Massaker", das ihn politisch werden ließ, allzu bekannt wurde. Liao Yiwu hatte es den Opfern des Juni 1989 gewidmet, deren Protest auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking blutig niedergeschlagen wurde.

Auch im Austeilen ist er hart. Ausdrucksstark und brutal offen zieht er über sich und andere her. Oft genug verschwimmen Realität und Fiktion. Dieses Sachbuch wird eben von einem Poeten geschrieben, der auf Gewalt des Staates, auf Demütigung mit wortgewaltigem Zorn antwortet, der weiß, dass er sich auf einen ungleichen Kampf eingelassen hat. Die Glatze aber, die ihm im Knast geschoren wurde, trägt er noch heute.


Roxana Saberi: Hundert Tage
Eichborn Verlag, Frankfurt

Auch Roxana Saberi berichtet über ihre – vergleichsweise kurze – Haftzeit. Sie war überrascht, als sie im Januar 2009 in Teheran festgenommen wurde. Die Arbeitserlaubnis als Korrespondentin im Iran hatte sie bereits verloren, doch die junge amerikanische Journalistin war geblieben – privat, wie sie meinte. Aus persönlichem Interesse als Tochter einer japanischen Mutter und eines iranischen Vaters führte sie im ganzen Land Interviews, weil sie ein Buch zu schreiben plante.

Dass ihr der iranische Geheimdienst deswegen Spionage für die CIA vorwerfen würde, damit allerdings hatte sie nicht gerechnet und lange geglaubt, bald wieder frei zu sein. Dafür war sie sogar zu einem falschen Geständnis bereit, widerrief es aber wieder. Denn Roxana Saberi wollte nicht immer tiefer in einen Irrgarten voller Lügen getrieben werden, mit denen sie sich und anderen zu schaden drohte.

Den Rücken stärkten ihr mutige, selbstbewusste Iranerinnen, mit denen sie die Gefängniszelle teilte. Zum Dank macht sie deren Schicksal bekannt. Denn ihr, der ausländischen Autorin, half die internationale Öffentlichkeit, die zu Recht erbost ist, dass die iranische Theokratie, indem sie Menschenrechte brutal verletzt, so gottlos geworden ist, wie sie es ihren Gegnern gern vorwirft.


Leszek Miller: So war das
Hoffmann und Campe, Hamburg

Leszek Miller ist der Stolz anzumerken, dass es ihm als sozialdemokratischen Ministerpräsidenten gelang, Polen in die Europäische Union zu führen. Für ihn ist der EU-Beitritt eines von drei überragenden Ereignissen in der Geschichte seines Landes – neben der Annahme des Christentums und der Union von Lublin, die 1569 eine polnisch-litauische Wahlmonarchie einführte.

Und es waren zwei Deutsche, ebenfalls Sozialdemokraten, die ihm dabei halfen: Gerhard Schröder als Bundeskanzler und Günther Verheugen als EU-Kommissar. Nicht ohne Seitenhieb auf Polens Nationalkonservative lobt er die Schlussphase der Verhandlungen zwischen Brüssel und Warschau als Glanzzeit deutsch-polnischer Diplomatie.

Das Ringen der polnischen Parteien miteinander, aber auch das Schachern auf Regierungsebene mit den künftigen europäischen Partnern um Details des Beitritts lässt Leszek Miller Revue passieren. Ihn trieb Warschaus Sorge um, den Start in die EU gar nicht finanzieren zu können. Und es klingt ein Unbehagen an, die Landwirtschaft habe mehr Zugeständnisse erzwungen, als ihr zukomme, auch weil er auf seinen Koalitionspartner, die Bauernpartei, Rücksicht nehmen musste.

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Lesart Lektüre-Tipp

von Ralf Christoffers,
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg:

Rebecca Gablé: Der König der purpurnen Stadt
Historischer Roman
Verlag Bastei Lübbe Frankfurt, 2004
Cover: "Für ein Lied und hundert Lieder" von Liao Yiwu
Cover: "Für ein Lied und hundert Lieder" von Liao Yiwu© S. Fischer
Cover: "Hundert Tage" von Roxana Saberi
Cover: "Hundert Tage" von Roxana Saberi© Eichborn Verlag
Cover: "So war das" von Leszek Miller
Cover: "So war das" von Leszek Miller© Hoffman und Campe