Kurz und kritisch

In Knut Berners Buch wird das Böse zum intellektuellen Genuss. Clara Malraux schildert ein großbürgerliches Leben. Willi Jasper stellt einen einen kleinen Badeort vor, wo sich die europäische Kulturgeschichte verdichtete.
Knut Berner: Theorie des Bösen
Lit Verlag

Der Bann ist gebrochen. Das Böse explodiert in Film und Literatur, in Philosophie und Malerei. Robespierre und de Sade dürfen als Vorläufer von Lenin, Hitler und Mao genannt werden und keiner wird deswegen in die "Ljubjanka", den Sitz des russischen Geheimdienstes, gebracht. Das Böse ist zum gepflegten abendlichen Gespräch freigegeben. Das heißt aber leider nicht, dass jeder, der über das Böse redet, weiß wovon er redet. Das Böse versinkt meist in einem allgemeinen und wirren Assoziationswirrwarr: Amoklauf in Columbine High oder bin Laden in Abbottabad oder das Neugeborene im Mülleimer auf der Flugzeugtoilette, sie alle werden zusammengerührt zu einem Cocktail, den man dann das Böse nennt. Wer gebildet ist, zitiert Karl Barth und Rene Girard und natürlich Hannah Arendt. Wer sehr gebildet ist, weiß, wer Gabriel Marcel ist und Paul Ricoeur und landet damit "Jenseits von Gut und Böse". Wer sich diesen Bildungs-Cocktail sparen und trotzdem wissen will, was "Das Herz der Finsternis" – nicht nur des Joseph Conrad - ist, der muss den wunderbaren, klugen und leserlichen Band von Knut Berner zur Hand nehmen. Kein Buch, das in letzter Zeit auf den Markt gekommen ist, bringt das Böse so schön zur Strecke und auf den Nenner. Hier wird es zum intellektuellen Genuss.


Clara Malraux: Als wir zwanzig waren. Meine Erinnerungen an André Malraux und die Pariser Bohème
aus dem Französischen von Ruth Groh und Annette Lallemand, Graf Verlag

Nicht alle Frauen an der Seite eines ‚großen’ Mannes, die sich unterschätzt fühlen, sind allein deshalb eine Entdeckung wert. Clara Malraux ist es, die bis heute im Schatten eines Mannes steht, den man als eitlen Poseur in Erinnerung hat: André Malraux, französischer Schriftsteller, Kommunist, glühender De-Gaulle-Anhänger und später dessen Kultusminister. Die Lebenserinnerungen der Clara Malraux, der Schriftstellerin, die 1982 im Alter von 84 Jahren starb, erweisen sich als so viel frischer als die aufgeblasenen Etüden des Mannes, dessen Gebeine mittlerweile als Nationalheiligtum im Pantheon ruhen. Die Lektüre lohnt sich schon wegen der detailfreudigen Schilderung eines großbürgerlichen Lebens während der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Die stärkste Wirkung aber geht von dem womöglich gar nicht beabsichtigten Nebeneffekt des Buchs aus: Der Mythos von den französischen Intellektuellen, ihrem Esprit und ihrer moralischen Untadeligkeit, entblättert sich ganz nebenher, aber umso nachdrücklicher.


Willi Jasper: Zauberberg Riva
Matthes & Seitz

Dieses Buch war durchaus überfällig. Riva am Gardasee, dieser kleine Badeort, wo sich Europas Kulturgeschichte verdichtete. Denn hierher kamen so viele Berühmte, oft in nervöser bis schlechter Verfassung, um dann inspiriert und voller neuer Impulse in ihre schwierigen intellektuellen Welten zurückzukehren: Allen voran Friedrich Nietzsche, auch die Gebrüder Mann, Franz Kafka, Sigmund Freund, Rudolf Steiner…die Liste ist lang und zeigt: Riva hatte mehr als ein damals berühmtes Sanatorium zur seelischen und körperlichen Erholung. Es hatte eine Magie, die Intellektuelle und Dichter in einen Zustand der Reflexion und Beruhigung versetzte und sich in deren Werken niederschlug. Die Bedeutung dieses Ortes erstmals angemessen fokussiert zu haben, ihn gewissermaßen unserem geistesgeschichtlichen Atlas hinzugefügt zu haben - dieses Verdienst kommt dem Kulturwissenschaftler Willi Jasper zu, der sich schon früher als kenntnisreicher, empathischer Autor erwiesen hat. Ein guter Wurf.
Cover: "Knut Berner: Theorie des Bösen"
Cover: "Knut Berner: Theorie des Bösen"© Lit Verlag
Cover: "Clara Malraux: Als wir zwanzig waren"
Cover: "Clara Malraux: Als wir zwanzig waren"© Graf Verlag