Kurz und kritisch
Der Fotograf Andri Pol hat Japan jahrelang bereist und eine Bilder-Galerie geschaffen. Frédéric Chaubin dokumentiert 90 Bauwerke aus früheren Sowjetrepubliken. Karl Schlögel taucht tief ein in die Architektur, Literatur und Kunst der russischen Hauptstadt.
Andri Pol: Where is Japan
Steidl Verlag
In diesen Tagen, da Japan unsere Zuwendung braucht, gilt es einen aufschlussreichen Fotoband zu empfehlen. Der schweizerische Fotograf Andri Pol hat das Land jahrelang bereist und eine eindrucksvolle Bilder-Galerie geschaffen, die uns mit einer, ja, man darf sagen: berauschenden Fülle von Eindrücken in die japanische Alltagswelt hineinzieht. Es sind Bilder, die in uns Europäern Fremdheit und Nähe zugleich erzeugen. Dieses Buch, fast ganz ohne die üblichen Sujets von Geishas und Kirschblüten, zeigt uns ein Land zwischen Tradition und Moderne. Durch die ungewöhnlichen Blickwinkel des Fotografen sehen wir es deutlicher, auch wenn wir es wohl vielleicht nie ganz verstehen werden. Aber das ist ja auch eine große Faszination. Der Verlag war klug beraten, die Bilder nicht zu kommentieren. Sie sprechen ihre eigene, eindringliche Sprache. Eine großartige Fotoreportage.
Frédéric Chaubin: CCCP. Cosmic Communist Constructions Photographed
Taschen Verlag
Auch Frédéric Chaubin ist ein interessanter Fotograf, dessen Begabung offenbar darin liegt, dem vermeintlich Hässlichen eine unerwartete Poesie zu verleihen. Er dokumentiert 90 Bauwerke aus den früheren Sowjetrepubliken, entstanden zwischen 1970 und 1990. Er spricht vom ‚vierten Zeitalter der Sowjetarchitektur’, einer Phase, die man chaotisch, international, in jedem Fall aber heterogen nennen kann. Luzide stellt Chaubin in seinem Text fest, dass auch in der Sowjetunion Amerika niemals fern war: Dass sich quer durch die unterschiedlichen Stile eine Hinwendung zum ewigen Rivalen und damit eine unterschwellige Obsession offenbart – und dass sich Amerika und Russland dieselben Phantasmen teilten. In der Huldigung nonkonformistischer Baumeister leuchtet ein weiteres Mal die kraftvolle politische Dimension von Architektur auf. Eine verlegerische Glanzleistung.
Karl Schlögel: Moskau lesen. Verwandlungen einer Metropole
Carl Hanser Verlag
Das war eine brillante Idee: Jenes Buch neu aufzulegen, das Karl Schlögel 1984 nach vielen Spaziergängen durch Moskau verfasste. Wer Schlögels Texte kennt, bewundert nicht nur seine sensible Beobachtungsgabe, sondern auch seine literarische Ausdruckskraft. Sein Moskau-Porträt ist längst Kult, es taucht tief ein in Architektur, Literatur, Kunst, Musik, in den großen Atem der Stadt. Doch seit der Erstausgabe ist ein Vierteljahrhundert vergangen, viel hat sich verändert in der russischen Metropole - und Schlögel hat jetzt sein soziologisch-philosophisches Geschichtswerk gewissermaßen in die Gegenwart verlängert. Er fügte neue Beobachtungen hinzu, die die dramatischen Umbrüche im Antlitz und im inneren Befinden Moskaus festhalten. Und er schreibt einfach wunderbar, etwa über die verblichenen Hauptattraktionen des Sowjetkommunismus wie die Kulturpaläste und den Gorki-Park, die mit dem Cyberspace nicht mehr mithalten können. Eine ganze Lebensform ist abgesunken. Sie wartet auf ihre Archäologen’.
Steidl Verlag
In diesen Tagen, da Japan unsere Zuwendung braucht, gilt es einen aufschlussreichen Fotoband zu empfehlen. Der schweizerische Fotograf Andri Pol hat das Land jahrelang bereist und eine eindrucksvolle Bilder-Galerie geschaffen, die uns mit einer, ja, man darf sagen: berauschenden Fülle von Eindrücken in die japanische Alltagswelt hineinzieht. Es sind Bilder, die in uns Europäern Fremdheit und Nähe zugleich erzeugen. Dieses Buch, fast ganz ohne die üblichen Sujets von Geishas und Kirschblüten, zeigt uns ein Land zwischen Tradition und Moderne. Durch die ungewöhnlichen Blickwinkel des Fotografen sehen wir es deutlicher, auch wenn wir es wohl vielleicht nie ganz verstehen werden. Aber das ist ja auch eine große Faszination. Der Verlag war klug beraten, die Bilder nicht zu kommentieren. Sie sprechen ihre eigene, eindringliche Sprache. Eine großartige Fotoreportage.
Frédéric Chaubin: CCCP. Cosmic Communist Constructions Photographed
Taschen Verlag
Auch Frédéric Chaubin ist ein interessanter Fotograf, dessen Begabung offenbar darin liegt, dem vermeintlich Hässlichen eine unerwartete Poesie zu verleihen. Er dokumentiert 90 Bauwerke aus den früheren Sowjetrepubliken, entstanden zwischen 1970 und 1990. Er spricht vom ‚vierten Zeitalter der Sowjetarchitektur’, einer Phase, die man chaotisch, international, in jedem Fall aber heterogen nennen kann. Luzide stellt Chaubin in seinem Text fest, dass auch in der Sowjetunion Amerika niemals fern war: Dass sich quer durch die unterschiedlichen Stile eine Hinwendung zum ewigen Rivalen und damit eine unterschwellige Obsession offenbart – und dass sich Amerika und Russland dieselben Phantasmen teilten. In der Huldigung nonkonformistischer Baumeister leuchtet ein weiteres Mal die kraftvolle politische Dimension von Architektur auf. Eine verlegerische Glanzleistung.
Karl Schlögel: Moskau lesen. Verwandlungen einer Metropole
Carl Hanser Verlag
Das war eine brillante Idee: Jenes Buch neu aufzulegen, das Karl Schlögel 1984 nach vielen Spaziergängen durch Moskau verfasste. Wer Schlögels Texte kennt, bewundert nicht nur seine sensible Beobachtungsgabe, sondern auch seine literarische Ausdruckskraft. Sein Moskau-Porträt ist längst Kult, es taucht tief ein in Architektur, Literatur, Kunst, Musik, in den großen Atem der Stadt. Doch seit der Erstausgabe ist ein Vierteljahrhundert vergangen, viel hat sich verändert in der russischen Metropole - und Schlögel hat jetzt sein soziologisch-philosophisches Geschichtswerk gewissermaßen in die Gegenwart verlängert. Er fügte neue Beobachtungen hinzu, die die dramatischen Umbrüche im Antlitz und im inneren Befinden Moskaus festhalten. Und er schreibt einfach wunderbar, etwa über die verblichenen Hauptattraktionen des Sowjetkommunismus wie die Kulturpaläste und den Gorki-Park, die mit dem Cyberspace nicht mehr mithalten können. Eine ganze Lebensform ist abgesunken. Sie wartet auf ihre Archäologen’.