Kurz und kritisch
Massimo Ciancimino und Francesco La Licata zeigen in ihrem Mafia-Buch die Verwicklungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen auf. Bilder dazu findet der Leser in dem Fotoband von Alberto Giuliani. Gudrun Diez liefert in ihrem Buch einen historischen Abriss über die mächtigste Mafia-Organisation Europas.
Massimo Ciancimino und Francesco La Licata:
Don Vito. Mein Vater, der Pate von Palermo
Piper Verlag
Der sizilianische Journalist Francesco La Licata ist nicht irgendwer: Er zählt zu den großen Mafiaexperten seines Landes, berichtete schon als junger Reporter unerschrocken von den Verwicklungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen und wurde sogar Opfer einer Entführung durch die Clanchefs. Jetzt legt er ein neues Buch vor, in Zusammenarbeit mit Massimo Ciancimino, dem Sohn einer Schlüsselfigur der Mafia. Cianciminos Enthüllungen sind ungeheuerlich. Sein Vater, ein mit allen Wassern der Korruption gewaschener christdemokratischer Politiker und respektabler Bürgermeister von Palermo, hat über Jahre für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Clans und der öffentlichen Hand gesorgt.
Einer der meistgesuchten Paten Italiens trank wöchentlich bei ihm Kamillentee, Don Vito vermittelte ihm lukrative Bauaufträge und schützte die Machenschaften der Familien. Sogar bei der Gründung von Berlusconis neuer Partei Forza Italia habe die Mafia laut Ciancimino ihre Finger im Spiel gehabt. Massimo Ciancimino berichtet aus der Grauzone, in der Wirtschaft, Politik und kriminelle Vereinigungen Hand in Hand arbeiten: Spannend wie ein Krimi, mitreißend und erschütternd. Für alle, die Italien jenseits von Verdi-Opern, Baudenkmälern und Pizza kennen lernen möchten.
Alberto Giuliani: Malacarne. Leben mit der Mafia
Edel Edition
Bilder zu Cianciminos Berichten findet man in dem Fotoband "Malacarne" von Alberto Giuliani. Ein Handy liegt auf der Straße, fast verdeckt von zerborstenem Glas, überall sind Blutspritzer. Auf einem anderen Foto schaut ein Camorrista in Handschellen lächelnd in die Kamera. Es gibt Aufnahmen von Blitzaktionen der Carabinieri, von Verhaftungen und Beerdigungen. Giuliani nähert sich dem Phänomen als Außenstehender.
Das versteinerte Gesicht der Mutter eines Ermordeten in ihrem aufgeräumten Esszimmer, ein Mafioso, der in seiner Wohnung zwischen Stofftieren und Küchenbuffet auf einem Stuhl gefesselt ist, und die von Mauern umgebenen Villen der Clan-Chefs haben nichts Glamouröses. Man sieht Niedergang und Elend und registriert die Verwahrlosung des öffentlichen Raums. Die Fotografien werden durch Texte bekannter Anti-Mafia-Kämpfer ergänzt. So ist Roberto Saviano vertreten, der Verfasser des Bestsellers "Gomorrha", oder Rita Borsellino, Politikerin und die Schwester des von der Mafia ermordeten Richters Paolo Borsellino.
Aber Giulianis zweisprachiger Band, der auch in Italien und anderen europäischen Ländern vertrieben wird, ist in Verruf geraten. Das Buch enthält nämlich zwei CDs mit Mafia-Gesängen. Eine Analyse der politischen Bedeutung dieser Lieder fehlt. Dabei ist die Musik, die mafiöse Werte mythologisiert, seit Jahren umstritten. Auf diesem Hintergrund bekommt auch die Opulenz des Bandes mit knallrot eingefärbten Satellitenbildern von Palermo und unkommentierten Zitaten aus Abhörprotokollen in einer überdimensionierten Schrifttype eine eigentümliche Schlagseite. Also: Trotz der beeindruckenden Fotos ist dieses Buch mit Vorsicht zu genießen.
Gudrun Dietz: Die ’Ndrangheta. Der geheime Aufstieg der kalabrischen Mafia
Wiley Verlag
Seit den Morden in Duisburg kennt man sie auch aus den Schlagzeilen deutscher Zeitungen: die ’Ndrangheta, ansässig in Kalabrien, mittlerweile sogar die gefährlichste der klandestinen Vereinigungen. Die Clans aus den Dörfern des Aspromonte verbinden ein archaisches Regelwerk mit hochmoderner Wirtschaftspolitik.
Ein Blutschwur besiegelt die Zugehörigkeit, Ehen werden nur innerhalb der einschlägigen Familien geschlossen und haben dynastische Funktion, und durch Auswanderung konnte die ’Ndrangheta ihre Geschäfte mit Drogen und Giftmüll auf etliche Länder ausweiten, darunter auch die Bundesrepublik. Gudrun Diez liefert einen historischen Abriss über die Entstehung der Organisation und schildert, wie die Clans im Windschatten der großen Anti-Mafia-Prozesse heranwuchsen, Konflikte vermieden, einen Gegenstaat errichteten und einen Jahresumsatz von mindestens 50 Milliarden Euro erreichten. Sprachlich und stilistisch eher ungelenk, aber informativ, aufschlussreich – und sehr beunruhigend.
Don Vito. Mein Vater, der Pate von Palermo
Piper Verlag
Der sizilianische Journalist Francesco La Licata ist nicht irgendwer: Er zählt zu den großen Mafiaexperten seines Landes, berichtete schon als junger Reporter unerschrocken von den Verwicklungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen und wurde sogar Opfer einer Entführung durch die Clanchefs. Jetzt legt er ein neues Buch vor, in Zusammenarbeit mit Massimo Ciancimino, dem Sohn einer Schlüsselfigur der Mafia. Cianciminos Enthüllungen sind ungeheuerlich. Sein Vater, ein mit allen Wassern der Korruption gewaschener christdemokratischer Politiker und respektabler Bürgermeister von Palermo, hat über Jahre für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Clans und der öffentlichen Hand gesorgt.
Einer der meistgesuchten Paten Italiens trank wöchentlich bei ihm Kamillentee, Don Vito vermittelte ihm lukrative Bauaufträge und schützte die Machenschaften der Familien. Sogar bei der Gründung von Berlusconis neuer Partei Forza Italia habe die Mafia laut Ciancimino ihre Finger im Spiel gehabt. Massimo Ciancimino berichtet aus der Grauzone, in der Wirtschaft, Politik und kriminelle Vereinigungen Hand in Hand arbeiten: Spannend wie ein Krimi, mitreißend und erschütternd. Für alle, die Italien jenseits von Verdi-Opern, Baudenkmälern und Pizza kennen lernen möchten.
Alberto Giuliani: Malacarne. Leben mit der Mafia
Edel Edition
Bilder zu Cianciminos Berichten findet man in dem Fotoband "Malacarne" von Alberto Giuliani. Ein Handy liegt auf der Straße, fast verdeckt von zerborstenem Glas, überall sind Blutspritzer. Auf einem anderen Foto schaut ein Camorrista in Handschellen lächelnd in die Kamera. Es gibt Aufnahmen von Blitzaktionen der Carabinieri, von Verhaftungen und Beerdigungen. Giuliani nähert sich dem Phänomen als Außenstehender.
Das versteinerte Gesicht der Mutter eines Ermordeten in ihrem aufgeräumten Esszimmer, ein Mafioso, der in seiner Wohnung zwischen Stofftieren und Küchenbuffet auf einem Stuhl gefesselt ist, und die von Mauern umgebenen Villen der Clan-Chefs haben nichts Glamouröses. Man sieht Niedergang und Elend und registriert die Verwahrlosung des öffentlichen Raums. Die Fotografien werden durch Texte bekannter Anti-Mafia-Kämpfer ergänzt. So ist Roberto Saviano vertreten, der Verfasser des Bestsellers "Gomorrha", oder Rita Borsellino, Politikerin und die Schwester des von der Mafia ermordeten Richters Paolo Borsellino.
Aber Giulianis zweisprachiger Band, der auch in Italien und anderen europäischen Ländern vertrieben wird, ist in Verruf geraten. Das Buch enthält nämlich zwei CDs mit Mafia-Gesängen. Eine Analyse der politischen Bedeutung dieser Lieder fehlt. Dabei ist die Musik, die mafiöse Werte mythologisiert, seit Jahren umstritten. Auf diesem Hintergrund bekommt auch die Opulenz des Bandes mit knallrot eingefärbten Satellitenbildern von Palermo und unkommentierten Zitaten aus Abhörprotokollen in einer überdimensionierten Schrifttype eine eigentümliche Schlagseite. Also: Trotz der beeindruckenden Fotos ist dieses Buch mit Vorsicht zu genießen.
Gudrun Dietz: Die ’Ndrangheta. Der geheime Aufstieg der kalabrischen Mafia
Wiley Verlag
Seit den Morden in Duisburg kennt man sie auch aus den Schlagzeilen deutscher Zeitungen: die ’Ndrangheta, ansässig in Kalabrien, mittlerweile sogar die gefährlichste der klandestinen Vereinigungen. Die Clans aus den Dörfern des Aspromonte verbinden ein archaisches Regelwerk mit hochmoderner Wirtschaftspolitik.
Ein Blutschwur besiegelt die Zugehörigkeit, Ehen werden nur innerhalb der einschlägigen Familien geschlossen und haben dynastische Funktion, und durch Auswanderung konnte die ’Ndrangheta ihre Geschäfte mit Drogen und Giftmüll auf etliche Länder ausweiten, darunter auch die Bundesrepublik. Gudrun Diez liefert einen historischen Abriss über die Entstehung der Organisation und schildert, wie die Clans im Windschatten der großen Anti-Mafia-Prozesse heranwuchsen, Konflikte vermieden, einen Gegenstaat errichteten und einen Jahresumsatz von mindestens 50 Milliarden Euro erreichten. Sprachlich und stilistisch eher ungelenk, aber informativ, aufschlussreich – und sehr beunruhigend.

Cover: "Ciancimino/La Licata: Don Vito"© Piper Verlag

Cover: "Alberto Giuliani: Malacarne"© Edel Edition

Cover: "Gudrun Dietz: Die ’Ndrangheta"© Wiley Verlag