Kurz und kritisch

David Gambetta beschäftigt sich mit der kriminellen Unterwelt und ihren Codes. Die Beiträge in "Die Macht der Schönheit" befassen sich mit dem, was man menschliche Schönheit nennt. Bruce Brooks Pfeiffer und Peter Gössel haben das Werk des Architekten Frank Lloyd Wright dokumentiert.
Diego Gambetta: Codes of the Underworld: How Criminals Communicate
Princeton University Press, Princeton 2009

Schon kleine Kinder erfinden, sprechen und schreiben Geheimsprachen. Die versteht dann keiner und die Kinder lachen sich kaputt. Diese Form von Exklusion trägt auch bei Erwachsenen zur Errichtung und Stabilisierung von Subkulturen bei. Jede Subkultur entwickelt ihren eigenen Sprach- und Werte-Code und schafft damit Identität und Geborgenheit. Das gilt ganz besonders für die kriminellen Subkulturen. Da geht es zudem um Geheimnis und Sicherheit. Die Camorra ist eine solche Parallelwelt, ebenso der KGB. Die konstruierte geheime Parallelwelt lebt in einem komplizierten und spannenden Bezug zur legalen Welt. Alle wissen, wer Alexander Litvinenko ermordet hat und warum, aber keiner kann es beweisen, und im Kreml lacht man sich kaputt. Diego Gambetta, Oxford-Professor für Kriminalsoziologie, hat sich ein zentrales Thema der Moderne vorgenommen: deren zunehmende Ausdifferenzierung und Entfremdung. Sein Beispiel ist die kriminelle Unterwelt, aber das Modell gilt allgemein, für berufliche, sexuelle, religiöse, regionale Parallelwelten. Die Spannung, die sich zwischen diesen vielen kleinen Welten und der Gesamtgesellschaft auftut, wird zunehmend zu unserem zentralen politischen Problem. Das macht Gambetta mit diesem brillanten Text wunderbar deutlich, bisher leider nur auf Englisch. Vorzüglicher Ansatz, vorzügliches Nachschlagewerk.

Cathrin Gutwald und Raimar Zons (Hrg.): Die Macht der Schönheit
Wilhelm Fink Verlag, München 2007
Welche Macht könnte mit der Macht der Schönheit mithalten? Doch: Was ist überhaupt Schönheit und worin besteht ihre Macht? Für Reinhold Messner verkörpert der K2 diese Macht, für Winkelmann der Torso vom Belvedere. Gibt es Schönheit nur im Auge des Beschauers, ist Schönheit nur ein der Sinnesphysiologie des Menschen angepasstes Konstrukt? Dieser schönen, aber weit offenen Frage widmet sich dieses Buch mit einer Vielfalt sehr unterschiedlicher, spannender, manchmal durchaus erratischer Beiträge. Es befasst sich mit dem, was man die menschliche Schönheit nennen kann und ihrer möglichen Funktion sowohl für die Evolution, für das Wirtschaftsleben und schließlich für die bundesdeutsche Politik. Das Buch ist eine Art "work in progress", dem man sich ruhig hingeben kann. Am besten gefiel uns der Beitrag von Thomas Macho über "Altgriechische Schönheitsideale – von Adonis bis Sokrates". Leider fehlt eine Literaturliste, gerade hier wäre sie besonders nützlich.

Bruce Brooks Pfeiffer und Peter Gössel: Wright 1943-1959
Taschen Verlag, Köln 2009
Er gilt gewissermaßen als Doyen der modernen Architektur: Frank Lloyd Wright. In seinen Ateliers in Arizona arbeitete er wie besessen; bescheiden war er nicht, sah er sich doch als den wichtigsten Architekten, der jemals gelebt hat. Nun ja, da könnte man einiges entgegen halten – aber unbestritten ist der enorme Einfluss seines Werkes bis heute. Allein die Zahl seiner Projekte und Bauten – rund 1100 – ist atemberaubend, die Qualität bleibt beeindruckend. Wright kreierte eine unabhängige amerikanische Architektur und ging theoretisch ganz neue Wege als Erfinder der organischen Bauweise. Aber er dachte auch politisch: Er wollte Stadträume schaffen, in denen der Mensch zu wahrer Individualität käme und so Mitglied einer ganzheitlichen Demokratie würde. Wright, der 1959 in hohem Alter starb, fand: Künstler und Philosophen hätten allesamt versagt, Regierungen taugten lediglich zur Verwaltung, daher sollten Architekten die wahren Führer sein. Der Wright-Schüler Bruce Brooks Pfeiffer hat zusammen mit Peter Gössel das Werk des großen Visionärs umfassend dokumentiert, und wer die schweren Bildbände transportieren kann, dem seien sie dringlich empfohlen.
Cover "Die Macht der Schönheit" von Cathrin Gutwald und Raimar Zons (Hrg.)
Cover "Die Macht der Schönheit" von Cathrin Gutwald und Raimar Zons (Hrg.)© Wilhelm Fink Verlag
Cover "Wright 1943-1959" von Bruce Brooks Pfeiffer und Peter Gössel
Cover "Wright 1943-1959" von Bruce Brooks Pfeiffer und Peter Gössel© Taschen Verlag