Kurz und kritisch

02.05.2010
Mit "Bankräuber" liefert Leo Müller eine kritische Aufarbeitung der Finanzkrise. Ines Sonder porträtiert die Architektin Lotte Cohn in einem gleichnamigen Buch. In "Post aus Hawaii" berichtet Mark Twain seine Reiseeindrücke von Hawaii.
Leo Müller: Bankräuber. Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben
Econ Verlag

Wer in der Buchbranche Erfolg haben will, braucht einen reißerischen Titel. Den hat Leo Müller mit "Bankräuber" zweifellos gewählt. Der Wirtschaftsjournalist liefert eine kritische Aufarbeitung der internationalen Finanzkrise und rechnet schonungslos sowohl mit Bankmanagern als auch mit Politikern ab. Denn was für viele wie ein unvorhersehbarer Crash der internationalen Finanzsysteme aussah, ist in Wahrheit die Abfolge einer Vielzahl kleiner und großer Fehlentscheidungen und teilweise des bewussten Betruges.

Trotzdem ist der verkaufsfördernde Alarmismus auf dem Buchdeckel übertrieben. Müllers nachträgliche Generalabrechnung übergeht in journalistischer Lockerheit großzügig, dass es durchaus vernünftige Ansätze gab, vor, in und nach der Krise gegen die Spekulation und den Kartenhaus-ähnlichen Zusammenbruch vorzugehen.

Seine zum Teil pauschale Kritik ändert aber nichts daran, dass Müller mit seiner umfangreichen Darstellung der Krise und ihrer einzelnen Stufen tatsächlich ein erhellendes Buch geschrieben hat.

Wenig überzeugend ist eigentlich nur der Schluss des Buches, in dem Müller als Konsequenz aus der Krise gleich eine neue Finanzpolitik, eine neue Bankenaufsicht und "vor allem neue Banken" fordert. Wie das gehen soll, sagt er leider nicht.

Ines Sonder: Lotte Cohn. Baumeisterin des Landes Israel
Jüdischer Verlag bei Suhrkamp

Ihr Vater kannte Theodor Herzl, und nichts konnte die Berlinerin Lotte Cohn davon abhalten, 1921 nach Palästina auszuwandern. Vier Jahre später gab sie ihren Pass beim deutschen Konsulat in Jerusalem ab. Unverheiratet und kinderlos ließ Lotte Cohn sich als erste Architektin in Tel Aviv nieder. Rund 100 Schulen, Hotels und Wohnhäuser wurden nach ihren Plänen geschaffen.

Die Kunst- und Architekturhistorikerin Ines Sonder legt nun eine Biografie der "Baumeisterin des Landes Israel" vor. Man begreift schnell, dass eine zupackende Emigrantin wie Lotte Cohn sich niemals als Flüchtling verstand, nie zu irgendeinem Zirkel von Ehemaligen stieß und sich nicht darum kümmerte, ihre Bauzeichnungen zu archivieren. "Wir waren sehr gegenwärtig", notierte sie mit 87 Jahren, "von Anfang an bis heute", und ordnete an, man möge nach ihrem Ableben von einer Todesanzeige absehen. Sie verbat sich Grabreden, einen Stein und den Nachruf. Man fühlt sich geblendet von so viel Nüchternheit und versteht, dass auch die Biografin eine Pionierleistung vollbracht hat, in dem sie die Spuren dieses außergewöhnlichen Lebensweges sicherte.


Mark Twain: Post aus Hawaii
Mare Verlag

1866 ist Samuel Clemens noch nicht der berühmte Mark Twain, sondern ein Journalist in San Francisco, der zuviel trinkt und nicht weiß, wie er mit seinen Talenten wuchern soll. Dann bekommt er seine Chance – vier Monate hält er sich auf den damals noch unabhängigen Hawaii-Inseln auf und beschreibt begeistert das Land und kritisch die Leute. Und so ganz nebenbei macht er sich seine Gedanken über die wirtschaftliche Übernahme Hawaiis durch Amerika – die er begrüßt -, die Versuche Englands, das Inselreich zu übernehmen – die er entschieden bekämpft – und die Praktiken der Missionare.

Mark Twain entwickelt hier die Techniken, mit denen er in seinen späteren Reisebüchern brilliert: Er ist Reporter, er ist Kritiker, oft auch Spötter, vor allem aber Entertainer. Auch auf Hawaii hat er einen erfundenen Reisepartner bei sich, der etwas dümmlich und vorlaut ist und so Anstöße gibt zu wunderbaren Dialogen.

Das Buch zeigt noch nicht den großen Mark Twain, aber Samuel Clemens auf dem Weg dorthin.