Kurz und kritisch

In "Oberammergau" kommentiert Ilja Trojanow ein Reisebuch von Richard Francis Burton. Barbara Hoffmeister befasst sich in "S. Fischer" mit einem Ausnahme-Verleger. Maxim Leo beschreibt in "Haltet euer Herz" das Scheitern einer Familie.
Ilija Trojanow: Oberammergau. Richard F. Burton zu Besuch bei den Passionsspielen
Arche Atrium Verlag

Vor vier Jahren veröffentlichte Ilja Trojanow den Roman "Der Weltensammler", in dem er das Leben des britischen Kolonialbeamten und Reisenden Richard Francis Burton schilderte. Der Roman war sehr erfolgreich, der Autor erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse. Richard Burton, der immerhin zu den Entdeckern des Tanganjikasees gehörte und viele Sprachen sprach, hat auch - 1880 - die Passionsspiele in Oberammergau besucht.

Alle 10 Jahre werden die Passionsspiele aufgeführt, so auch 2010 und es schien nahe liegend, Burtons Reisebuch wieder aufzulegen Damit alle- Oberammergau, Burton und Ilija Trojanow - etwas davon haben, hat Trojanow das Original mit Zusätzen und Fußnoten kommentiert, erweitert, korrigiert oder einfach nur naseweis seinen Senf dazu gegeben.

Dass Epsom ein beruhigendes Salz ist, müssen wir uns selbst ergoogeln, aber zu Burtons Bemerkung, dass in Oberbayern mehr oder weniger alles verboten sei, fällt Trojanow nur das Rauchverbot in bayerischen Kneipen ein, wie witzig. Burton schreibt aus Reiseführern ab und übellaunig über die Dürftigkeit der Unterkünfte und der Inszenierung. Viel mehr lässt sich leider auch nicht über die Arbeit von Trojanow sagen. Man muss kein Katholik sein, um dieses Buch überflüssig zu finden.


Barbara Hoffmeister S. Fischer. Der Verleger. Eine Lebensbeschreibung
S. Fischer Verlag

Er war ein Ausnahme-Verleger. Vielleicht sogar der Vater der modernen Literatur in Deutschland : Samuel Fischer. Mitte des 19. Jahrhunderts in Ungarn geboren, begab er sich vor der Wende zum 20. Jahrhundert in die pulsierende und im rasanten Aufstieg befindliche deutsche Hauptstadt Berlin. Glück bei der Auswahl seiner Mitarbeiter und ein untrügliches Gespür für die Literatur, die in die Zeit passte, machten aus dem kleinen Verlagsbuchhändler einen der erfolgreichsten deutschen Verleger.

Zu der Zeit passierte das Neue - sei es in Wissenschaft, Wirtschaft oder Kultur -vor allem in Berlin und wer die interessanten neuen Autoren kennenlernen wollte, musste zu den Büchern aus dem S. Fischer Verlag greifen.

Die großen Namen der Literatur oder des Theaters dieser Jahrzehnte sind mit dem Namen Fischer verbunden, seien es Hauptmann, Ibsen, Schnitzler, Hesse oder Thomas Mann. Die Liste lies sich noch um weitere Namen verlängern.

Es ist nicht die erste Biografie und auch leider keine, die wirklich neues zu erzählen weis. Sich an der einen oder auch anderen Stelle zu sehr ins Kleinteilige verliert. Aber ein Gewinn für den am literarisch-intellektuellen Klima vor rund hundert Jahren in Deutschland interessierten Leser ist dieses Buch allemal.

Und auch heute, in seinem 2. Jahrhundert, versteht der S. Fischer Verlag mit spannender Literatur und interessanten Autoren zu überraschen.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte und wäre auch ein anderes Buch.


Maxim Leo: Haltet euer Herz bereit. Eine ostdeutsche Familiengeschichte
Blessing Verlag

Es ist eine deutsche Geschichte, eine Familiengeschichte, die uns Maxim Leo über das andere Leben im anderen Deutschland erzählt. Es ist aber auch eine Geschichte vom Scheitern. Vom Scheitern dieses anderen Deutschlands und auch vom Scheitern einer Familie. Väter oder Großväter, die den Nationalsozialismus aktiv bekämpften, gab es nicht in sehr vielen deutschen Familien. Die Mehrzahl waren Mitläufer. Erst liefen sie der roten Fahne mit dem Hakenkreuz hinterher, dann der roten Fahne mit Hammer und Sichel. In der Familie Leo war das etwas anders.

Der Großvater Gerhard Leo rettete sich als jüdischer Junge in den Dreißigerjahren aus Düsseldorf nach Frankreich. Kämpfte dort in der Resistance und kam mit der Kommunistischen Partei in Kontakt. Nach Ende des 2. Weltkrieges wieder in Düsseldorf und für die Kommunistische Partei mit konspirativen Aufgaben betraut, findet er sich - inzwischen mit Familie - Anfang der Fünfzigerjahre in Ostberlin wieder.

Sein Enkel Maxim beschreibt diese Geschichte und die seines anderen Großvaters, des erst braunen dann roten Mitläufers, immer mit Sympathie für den Menschen. Haltung und Distanz zeigt er aber, wenn die Großväter als Funktionäre beschrieben werden. Da erlebt der Autor diese Personen als stalinistische Kader. So wie für die Großväter- und auch Elterngeneration das Jahr 1989 ein Ende aller Träume und Utopien bedeutete, so sehr empfindet der Enkel die neue Zeit als Befreiung, als Möglichkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen.


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Cover: "Ilija Trojanow: Oberammergau"
Cover: "Ilija Trojanow: Oberammergau"© Arche Atrium Verlag
Cover: "Barbara Hoffmeister S. Fischer"
Cover: "Barbara Hoffmeister S. Fischer"© S. Fischer Verlag