Kurz und kritisch
"Politik der Apokalypse" interpretiert Politik unter religiösen Vorzeichen. "Der Mann, der Shakespeare erfand. Edward de Vere, Earl of Oxford" will beweisen, dass Shakespeare ein anderer war. Der Band "Die Illusion der Exzellenz" hält eine Totenrede auf die Institution der Universität.
John Gray: Politik der Apokalypse
Verlag Klett-Cotta
Als Erich Voegelin, aus der Emigration zurückgekehrt, 1958 in München einen soziologischen Lehrstuhl bekam, nahm ihn dort keiner ernst. Er interpretierte Politik nämlich unter religiösen Vorzeichen. Das fand man damals lächerlich. Heute ist es große Mode. Das Buch von John Gray folgt dieser Mode – vielleicht all zu sehr. Trotz dieser Einschränkung ist es eine durchaus lohnende Lektüre. Es ist gebildet und informativ, oft auch spannend geschrieben. Der Angelpunkt der Analyse ist die Aufklärung. Die beschreibt Gray als Utopie und die Utopie als säkularisierte Apokalypse und die Apokalypse schließlich als christliches Konzept. Das ist die Vorgabe. Verständlich wird damit auch, dass Gray Kommunismus und Nationalsozialismus als ideologische Zwillinge vorstellt. Dabei behauptet er auf Seite 64, Stalins Regime habe wesentlich mehr Menschen zu Tode gebracht als die Nationalsozialisten. Das hören manche immer noch nicht so gern. Jedenfalls wird das Fazit des Buches schon im Untertitel formuliert: "Wie Religion die Welt in die Krise stürzte." Wer ein eigenwilliges aber zugleich anspruchsvolles Buch sucht, wird hier fündig.
Kurt Kreiler: "Der Mann, der Shakespeare erfand. Edward de Vere, Earl of Oxford"
Insel Verlag
Jeder gebildete Europäer kennt Shakespeare. Doch weiß man nicht genau, wer er war. Das größte literarische Genie, das Europa hervorgebracht hat, dessen Theaterstücke und Sonette unser Bewusstsein bis heute bestimmen - und noch immer ein Rätsel. Dass er der Handwerkersohn aus Stratford upon Avon gewesen sei, daran glaubt längst keiner mehr. Eine zeitlang galt Francis Bacon als Möglichkeit. Dann schlug man Sir Henry Neville als den wahren Shakespeare vor. Inzwischen aber haben sich die meisten literarischen Fährtensucher auf Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford eingespurt. Mark Anderson hat vor vier Jahren in einem 600 Seiten dicken Buch seine Argumente vorgelegt. Schon 1994 hatte ein deutschsprachiger Autor, Walter Klier, für de Vere plädiert. In diesem Jahr nun stärkt wieder ein deutscher Autor, Kurt Kreiler, diese Riege. Das Buch, klug und faktenreich, macht auch klar, dass die Suche nach dem geheimnisvollen Dichter nicht nur spannend ist, sondern auch bedeutsam. Wenn nämlich de Vere, der Mann aus dem europäischen Hochadel, Shakespeare war, dann ist der "Göttliche Will" nicht das Morgenlicht der Aufklärung, sondern der herrliche Sonnenuntergang der europäischen Adelskultur, der letzte Minnesänger.
Jürgen Kaube: Die Illusion der Exzellenz
Wagenbach Verlag
Dieser schmale Band ist gewissermaßen eine Totenrede. Darin beklagt der Herausgeber Jürgen Kaube den Verlust eines geistigen Erbes, wie es kostbarere nur wenige in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, er beklagt die systematische Zerstörung einer Institution: der Deutschen Universität. Kant und Hegel, Husserl, Heidegger und Humboldt, Schelling, Einstein, Planck und Mommsen und Weber und Simmel und Wittgenstein und Treitschke und Nietzsche - in dieser Zeitspanne, eigentlich nur einem einzigen Jahrhundert, ist mehr von deutschen Denkern ersonnen und mehr verstanden worden als in irgendeinem anderen Jahrhundert der uns bekannten Geschichte. Was fast zufällig, wie mit linker Hand entworfen, von Wilhelm von Humboldt in Form gegossen wurde, entwickelte sich zu einem der großen Weltwunder. Jetzt droht der deutschen Universität die große Katastrophe. Sie soll reformiert, also demokratisiert und bürokratisiert werden. Der grandiose Reformfehler vollendet sich im Namen des von den EU-Kulturministern vereinbarten Projektes: Bologna. Der Geburtsort der europäischen Universität als Metapher für ihr Ende. Die von Kaube klug ausgewählten Autoren zeigen das anhand empirischen Materials, knapp, genau und gelassen. Sollte man kennen.
Verlag Klett-Cotta
Als Erich Voegelin, aus der Emigration zurückgekehrt, 1958 in München einen soziologischen Lehrstuhl bekam, nahm ihn dort keiner ernst. Er interpretierte Politik nämlich unter religiösen Vorzeichen. Das fand man damals lächerlich. Heute ist es große Mode. Das Buch von John Gray folgt dieser Mode – vielleicht all zu sehr. Trotz dieser Einschränkung ist es eine durchaus lohnende Lektüre. Es ist gebildet und informativ, oft auch spannend geschrieben. Der Angelpunkt der Analyse ist die Aufklärung. Die beschreibt Gray als Utopie und die Utopie als säkularisierte Apokalypse und die Apokalypse schließlich als christliches Konzept. Das ist die Vorgabe. Verständlich wird damit auch, dass Gray Kommunismus und Nationalsozialismus als ideologische Zwillinge vorstellt. Dabei behauptet er auf Seite 64, Stalins Regime habe wesentlich mehr Menschen zu Tode gebracht als die Nationalsozialisten. Das hören manche immer noch nicht so gern. Jedenfalls wird das Fazit des Buches schon im Untertitel formuliert: "Wie Religion die Welt in die Krise stürzte." Wer ein eigenwilliges aber zugleich anspruchsvolles Buch sucht, wird hier fündig.
Kurt Kreiler: "Der Mann, der Shakespeare erfand. Edward de Vere, Earl of Oxford"
Insel Verlag
Jeder gebildete Europäer kennt Shakespeare. Doch weiß man nicht genau, wer er war. Das größte literarische Genie, das Europa hervorgebracht hat, dessen Theaterstücke und Sonette unser Bewusstsein bis heute bestimmen - und noch immer ein Rätsel. Dass er der Handwerkersohn aus Stratford upon Avon gewesen sei, daran glaubt längst keiner mehr. Eine zeitlang galt Francis Bacon als Möglichkeit. Dann schlug man Sir Henry Neville als den wahren Shakespeare vor. Inzwischen aber haben sich die meisten literarischen Fährtensucher auf Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford eingespurt. Mark Anderson hat vor vier Jahren in einem 600 Seiten dicken Buch seine Argumente vorgelegt. Schon 1994 hatte ein deutschsprachiger Autor, Walter Klier, für de Vere plädiert. In diesem Jahr nun stärkt wieder ein deutscher Autor, Kurt Kreiler, diese Riege. Das Buch, klug und faktenreich, macht auch klar, dass die Suche nach dem geheimnisvollen Dichter nicht nur spannend ist, sondern auch bedeutsam. Wenn nämlich de Vere, der Mann aus dem europäischen Hochadel, Shakespeare war, dann ist der "Göttliche Will" nicht das Morgenlicht der Aufklärung, sondern der herrliche Sonnenuntergang der europäischen Adelskultur, der letzte Minnesänger.
Jürgen Kaube: Die Illusion der Exzellenz
Wagenbach Verlag
Dieser schmale Band ist gewissermaßen eine Totenrede. Darin beklagt der Herausgeber Jürgen Kaube den Verlust eines geistigen Erbes, wie es kostbarere nur wenige in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, er beklagt die systematische Zerstörung einer Institution: der Deutschen Universität. Kant und Hegel, Husserl, Heidegger und Humboldt, Schelling, Einstein, Planck und Mommsen und Weber und Simmel und Wittgenstein und Treitschke und Nietzsche - in dieser Zeitspanne, eigentlich nur einem einzigen Jahrhundert, ist mehr von deutschen Denkern ersonnen und mehr verstanden worden als in irgendeinem anderen Jahrhundert der uns bekannten Geschichte. Was fast zufällig, wie mit linker Hand entworfen, von Wilhelm von Humboldt in Form gegossen wurde, entwickelte sich zu einem der großen Weltwunder. Jetzt droht der deutschen Universität die große Katastrophe. Sie soll reformiert, also demokratisiert und bürokratisiert werden. Der grandiose Reformfehler vollendet sich im Namen des von den EU-Kulturministern vereinbarten Projektes: Bologna. Der Geburtsort der europäischen Universität als Metapher für ihr Ende. Die von Kaube klug ausgewählten Autoren zeigen das anhand empirischen Materials, knapp, genau und gelassen. Sollte man kennen.