Kurz und kritisch

Thomas Städtler liefert in „Der Sozialismus glaubt an das Gute, der Kapitalismus an den Bonus“ einen Staatsvergleich in Aphorismen. Utz Claassen analysiert in „Wir Geisterfahrer“ die Wirtschaftskrise. Und Otto Kallscheuer befasst sich in „Zur Zukunft des Abendlandes“ mit den abendländischen Traditionen.
Thomas Städtler: Der Sozialismus glaubt an das Gute, der Kapitalismus an den Bonus
Eichborn Verlag

Ein DDR-Witz gefällig? „Der Kapitalismus beruht auf Einnahme und Ausgabe. Der Sozialismus auf Eingabe und Ausnahme.“ So viel Esprit entwickelt das Volk, wenn man es lässt. Seriell von einem Einzelautor in der Aphorismusquetsche fabriziert, klingt es ähnlich, verliert aber an Eleganz: „Im Sozialismus heiligte der Zweck die Mittel, im Kapitalismus heiligen die Zweckgesellschaften die Bilanzen.“ Oder: „Im Sozialismus unterdrückten viele Mittelmäßige die Besten. Im Kapitalismus gelingt es auch den Besten nicht, die Mittelmäßigen zu unterdrücken.“ Wie oft in Aphorismensammlungen gilt auch bei Thomas Städtler: Das Gefundene hat etwas Gesuchtes, nur im seltenen Glücksfall verraten die Paradoxien Neues über den Wesensunterschied der Systeme. Als Zwischendurch-Lektüre vermag das Büchlein aber durchaus eingeschlafene Hirnregionen aufzuwecken – wie schwarzer Espresso ohne Zucker.


Utz Claassen: Wir Geisterfahrer
Murmann Verlag


Ist es nicht schon etwas spät, wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise „Alarm“ zu schreien? Nein, meint Utz Claassen, ehemals Chef des Energie-Versorgers EnBW, denn das Schlimmste passiere ja jetzt: Die milliardenschweren Rettungsaktionen der Politik für angeschlagene Banken und Industrieunternehmen. Viel zu viel Staat, viel zu hohe Schulden für diverse Schutzschirme, moniert der einstige Wirtschaftslenker – die regierungsamtlichen Krisenmanager verschlimmern die Probleme nur noch. Indem sie notwendige Anpassungen im Wirtschaftssystem verzögern und unseren Kindern erdrückende Schulden hinterlassen. Ein auf den ersten Blick etwas reißerisches Buch, das aber präzise analysiert, die eigene Zunft der Manager keineswegs schont und die inneren Widersprüche der aktuellen ordnungspolitischen Diskussion offenbart. Kassandra trägt Nadelstreifen.


Otto Kallscheuer: Zur Zukunft des Abendlandes – Essays
Verlag zu Klampen


Ein schönes, aufwendig hergestelltes Buch, ein wichtiges Thema, ein bekannter Autor: Otto Kallscheuer. Das Ergebnis: eine Enttäuschung. Von der im Titel geführten Zukunft des Abendlandes oder irgendeines anderen Landes ist nicht die Rede, nur von der Vergangenheit; und von der nichts, was man nicht schon gelesen hätte. Um welche Interessen, welche Optionen, welche Entscheidungen es gehen könnte – Fehlanzeige. Der Autor argumentiert nicht und belegt nicht, er insinuiert. Beispiel: der Geburtsfehler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sei, dass es kein „Staatsvolk“ gehabt habe. In der Tat, weder Karl der Große noch Barbarossa haben Pässe verteilt, zumal es damals nirgends auf der Welt ein Staatsvolk gab, es gab nicht einmal diesen Begriff, sondern nur die „Untertanen“ des jeweiligen feudalen Herrschers. Beispiel 2: Kallscheuer spricht vom „albanischen Kosovo, dessen Unterdrückung durch Serbien...“ Wo aber, so fragt sich der Leser, kommen wohl all die gotischen und romanischen Kirchen, wo die orthodoxen Klöster im Kosovo her? Das gewaltige Blutvergießen in dem Kampf um das Kosovo versteht man nicht, wenn man den geschichtlichen Hintergrund unterschlägt. Dann erscheinen die Serben, die ihre Heimat verteidigen, tatsächlich als blutrünstige Monster. Es ist dieserart durchgängige Manipulation, die dem Buch Seriosität nimmt.
Thomas Städtler: "Der Sozialismus glaubt an das Gute, der Kapitalismus an den Bonus"
Thomas Städtler: „Der Sozialismus glaubt an das Gute, der Kapitalismus an den Bonus“© Eichborn Verlag
Utz Claassen: "Wir Geisterfahrer"
Utz Claassen: „Wir Geisterfahrer“© Murmann Verlag
Otto Kallscheuer: "Zur Zukunft des Abendlandes"
Otto Kallscheuer: „Zur Zukunft des Abendlandes“© Verlag zu Klampen