Kurz und kritisch

28.06.2009
Philip Gourevitch und Errol Morris liefern in "Die Geschichte von Abu Ghraib" Innenansichten des US-Militärgefängnisses im Irak und fragen nach der Banalität des Bösen, Elke und Wolfgang Leonhard untersuchen in "Die Linke Versuchung" das Verhältnis der SPD zur Linken und Heiner Geißler philosophiert in "Ou Topos" über Utopien und Politik.
Philip Gourevitch, Errol Morris: Die Geschichte von Abu Ghraib
Carl Hanser Verlag

Nackte Männer, gequält und erniedrigt, abgelichtet von feixenden Soldaten – diese Bilder kompromittierten die Weltmacht USA zutiefst. Die Fotos aus dem US-Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak sorgten im Frühjahr 2004 weltweit für Empörung und brachten George W. Bushs’ Demokratie-Export-Offensive in Erklärungsnöte. Das Buch zu den Bildern von Abu Ghraib liegt nun auf Deutsch vor und das ganz ohne Bilder. Der New Yorker Journalist Philip Gourevitch hat dazu seine Recherchen mit Protokollen aus vielen Stunden Filmmaterial verbunden, die der Oscar-prämierte US-Dokumentarfilmer Errol Morris über Abu Ghraib gedreht hat. Menschen zu brechen ist harte Arbeit für die Folterer, so erfährt man, manche haben ihren Spaß daran, andere zweifeln oder verzweifeln gar, für viele wird es mit der Zeit einfach Routine. Ein Buch über die Banalität des Bösen, das verstört, weil es nüchtern beschreibt, wie aus biederen Zeitgenossen Menschenschinder werden.


Elke Leonhard, Wolfgang Leonhard: Die Linke Versuchung. Wohin steuert die SPD?
be.bra Verlag

Zur Behandlung von Neurosen hat sich die Psychoanalyse bewährt und die führt den Patienten oft weit zurück in seine Vergangenheit. Eine Neurose – genauer gesagt Hysterie und pathologischen Rechtfertigungszwang – diagnostiziert das Autoren-Ehepaar Leonhard bei der SPD, wenn es um deren Verhältnis zur Partei Die Linke geht. Die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Elke Leonhard und der berühmte Stalinismus-Experte Wolfgang Leonhard legen eine Parteigeschichte der SPD von August Bebel bis Franz Müntefering vor, ganz unter dem Aspekt: Auseinandersetzung mit der Konkurrenz von links. Ihr Fazit: Egal ob der Gegner USPD, KPD, SED oder Die Linke hieß – Sozialdemokraten waren immer dann stark, wenn sie sich deutlich abgrenzten. Und das schreiben die Leonhards der heutigen SPD ins Stammbuch: klare Kante gegen die Linke statt Taktiererei. Ein Manifest für eine SPD der Mitte – im Gewand des historischen Rückblicks.


Heiner Geißler: Ou Topos. Suche nach dem Ort, den es geben müsste
Verlag Kiepenheuer & Witsch

Wenn ein Politiker "Querdenker" genannt wird, dann ist das oft eine höfliche Umschreibung dafür, dass er das Ende seiner Parteikarriere erreicht hat. Was besagtem Politiker immerhin ermöglicht, seinen Gedanken in Wort und Schrift freien Lauf zu lassen, ohne Rücksicht auf die Parteilinie. Dies hat jetzt Heiner Geißler wieder einmal getan, ehedem Generalsekretär der CDU. Er hat ein Buch über ein Lieblingsthema aller Querdenker geschrieben: Utopien - außerdem über das Glück, den Teufel, die Bergpredigt, den Katholizismus, die Wirtschaftskrise, die Frauenbewegung, ferner über die CDU, die SPD sowie über – Heiner Geißler. Und das sind nur einige der Themen seines neuesten Werkes. Jede Frage – und sei sie auch noch so gewichtig – wird nur kurz angerissen, ein, zwei Seiten müssen genügen. Herausgekommen ist ein Essay über so ziemlich alles und jedes, der beim Leser einen schwirrenden Schädel hinterlässt – und das vage Gefühl, Heiner Geißler sei ein kluger Kopf.
Philip Gourevitch, Errol Morris: Die Geschichte von Abu Ghraib
Philip Gourevitch, Errol Morris: Die Geschichte von Abu Ghraib© Carl Hanser Verlag
Elke Leonhard, Wolfgang Leonhard: Die Linke Versuchung
Elke Leonhard, Wolfgang Leonhard: Die Linke Versuchung© be.bra Verlag
Heiner Geißler: Ou Topos
Heiner Geißler: Ou Topos© Kiepenheuer & Witsch