Kurz und kritisch
"In Algerien" ist eine Sammlung von Fotos, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu als junger Mann in Algerien in den Fünfzigerjahren aufgenommen hatte. "Hitlers Judenhass" versucht neue Antworten auf den Antisemitismus in der NS-Zeit zu finden. "Roter, grüner und brauner Sozialismus" hilft, die wirre Welt unserer handelsüblichen Ideologien besser zu verstehen
In Algerien: Zeugnisse der Entwurzelung von Pierre Bourdieu
UVK Verlagsgesellschaft
Eigentlich ein ganz wichtiges Buch, gerade für uns Deutsche. Es handelt sich um eine Sammlung von Fotos, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu als junger Mann in Algerien in den Fünfzigerjahren aufgenommen hatte. Man sieht Algerier, mit und ohne Familie, in der Sonne, bei der Arbeit, mit düsterem Blick. Im Register findet der Leser keine Erklärungen, nur Zahlencodes.
Bourdieu wird zwar als Autor angegeben, aber die Herausgeber des Bandes zitieren aus längst veröffentlichten Texten und fügen sie den Fotos irgendwie hinzu. Doch obwohl Fotos und Texte ein eklektisches Sammelsurium ergeben, ist das Buch wunderbar. Warum? Es entwirft ein geradezu universales Modell der Tragödie von Entwurzelung und Heimatverlust, von Flucht und Vergewaltigung und den daraus folgenden seelischen Verstümmelungen. Bourdieu schreibt zwar von Kabylen und Berbern, wir aber können darin Vertriebene jeglicher Couleur, auch unsere eigenen, wiedererkennen. Er fotografierte übrigens mit einem deutschen Fotoapparat, einer Zeiss Ikoflex.
Hitlers Judenhass: Klischee und Wirklichkeit von Ralf Georg Reuth
Piper Verlag
Adolf Hitler darf man ruhig als eine wichtige historische Figur bezeichnen. Um keinen Deutschen ranken sich so viele Publikationen, über keinen Staatsmann der Neuzeit ist so viel nachgedacht worden. Und doch – das ist paradox – weiß man nicht so recht, was er politisch wollte. Was war sein zentraler Impetus? Das Bürgertum vernichten oder den Kommunismus oder die Deutschen oder die Juden? Besonders sein Hass auf die Juden hat viele Fragen aufgeworfen.
Ralf Georg Reuth versucht neue Antworten. Die gängige Theorie behauptet, Hitlers Antisemitismus sei ein Produkt seiner Wiener Jahre gewesen. Reuth dagegen argumentiert, leidenschaftlich und akribisch, daß erst das München der Räterepublik Hitlers Haltung zu den Juden bestimmen sollte. Interessant zu lesen. Das Buch verfügt über ein ausführliches Personregister und ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Roter, brauner und grüner Sozialismus: Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus von Josef Schüßlburner
Lichtschlag Verlag
Wir glauben genau zu wissen, was links und was rechts ist, kommen aber durcheinander, wenn der linke Lafontaine die "Fremdarbeiter" raus haben will oder wenn wir uns erinnern, dass der Putsch des 20. Juli gegen Adolf Hitler nicht von links kam. War also Hitler kein Rechter, sondern ein Linker? Und ist Lafontaine kein Linker, sondern ein Rechter? Die Moskauer Prozesse etwa, durchgeführt in der Welthauptstadt des Sozialismus, waren antisemitisch. Und ein britischer Labour-Abgeordneter, John Beckett, war ein führendes Mitglied der British Union of Fascists. Einige Menschen werden noch wissen, daß Jürgen Habermas die 68er als Links-Faschisten bezeichnete. Kann man also links und zugleich Faschist sein?
Offensichtlich ist die eingefahrene Unterscheidung zwischen links und rechts irreführend und wir sollten uns nach einem anderen Kategorien-Schema umsehen. Ein solches Angebot macht uns Josef Schüßlburner mit seinem klug und zügig geschriebenen Buch. Es hilft uns, die wirre Welt unserer handelsüblichen Ideologien besser zu verstehen. Der Text ist übersichtlich strukturiert, hat aber leider nur einen dürftigen Anhang.
UVK Verlagsgesellschaft
Eigentlich ein ganz wichtiges Buch, gerade für uns Deutsche. Es handelt sich um eine Sammlung von Fotos, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu als junger Mann in Algerien in den Fünfzigerjahren aufgenommen hatte. Man sieht Algerier, mit und ohne Familie, in der Sonne, bei der Arbeit, mit düsterem Blick. Im Register findet der Leser keine Erklärungen, nur Zahlencodes.
Bourdieu wird zwar als Autor angegeben, aber die Herausgeber des Bandes zitieren aus längst veröffentlichten Texten und fügen sie den Fotos irgendwie hinzu. Doch obwohl Fotos und Texte ein eklektisches Sammelsurium ergeben, ist das Buch wunderbar. Warum? Es entwirft ein geradezu universales Modell der Tragödie von Entwurzelung und Heimatverlust, von Flucht und Vergewaltigung und den daraus folgenden seelischen Verstümmelungen. Bourdieu schreibt zwar von Kabylen und Berbern, wir aber können darin Vertriebene jeglicher Couleur, auch unsere eigenen, wiedererkennen. Er fotografierte übrigens mit einem deutschen Fotoapparat, einer Zeiss Ikoflex.
Hitlers Judenhass: Klischee und Wirklichkeit von Ralf Georg Reuth
Piper Verlag
Adolf Hitler darf man ruhig als eine wichtige historische Figur bezeichnen. Um keinen Deutschen ranken sich so viele Publikationen, über keinen Staatsmann der Neuzeit ist so viel nachgedacht worden. Und doch – das ist paradox – weiß man nicht so recht, was er politisch wollte. Was war sein zentraler Impetus? Das Bürgertum vernichten oder den Kommunismus oder die Deutschen oder die Juden? Besonders sein Hass auf die Juden hat viele Fragen aufgeworfen.
Ralf Georg Reuth versucht neue Antworten. Die gängige Theorie behauptet, Hitlers Antisemitismus sei ein Produkt seiner Wiener Jahre gewesen. Reuth dagegen argumentiert, leidenschaftlich und akribisch, daß erst das München der Räterepublik Hitlers Haltung zu den Juden bestimmen sollte. Interessant zu lesen. Das Buch verfügt über ein ausführliches Personregister und ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Roter, brauner und grüner Sozialismus: Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus von Josef Schüßlburner
Lichtschlag Verlag
Wir glauben genau zu wissen, was links und was rechts ist, kommen aber durcheinander, wenn der linke Lafontaine die "Fremdarbeiter" raus haben will oder wenn wir uns erinnern, dass der Putsch des 20. Juli gegen Adolf Hitler nicht von links kam. War also Hitler kein Rechter, sondern ein Linker? Und ist Lafontaine kein Linker, sondern ein Rechter? Die Moskauer Prozesse etwa, durchgeführt in der Welthauptstadt des Sozialismus, waren antisemitisch. Und ein britischer Labour-Abgeordneter, John Beckett, war ein führendes Mitglied der British Union of Fascists. Einige Menschen werden noch wissen, daß Jürgen Habermas die 68er als Links-Faschisten bezeichnete. Kann man also links und zugleich Faschist sein?
Offensichtlich ist die eingefahrene Unterscheidung zwischen links und rechts irreführend und wir sollten uns nach einem anderen Kategorien-Schema umsehen. Ein solches Angebot macht uns Josef Schüßlburner mit seinem klug und zügig geschriebenen Buch. Es hilft uns, die wirre Welt unserer handelsüblichen Ideologien besser zu verstehen. Der Text ist übersichtlich strukturiert, hat aber leider nur einen dürftigen Anhang.

Cover: "Pierre Bourdieu: In Algerien"© UVK Verlagsgesellschaft

Cover: "Ralf Georg Reuth: Hitlers Judenhass"© Piper Verlag

Cover: "Josef Schüßlburner: Roter, brauner und grüner Sozialismus"© Lichtschlag Verlag