Kurz und kritisch

Der junge Autor Jonathan Schnitt hat für sein Buch ein halbes Jahr mit deutschen Soldaten im afghanischen Kunduz verbracht. Johannes Clair schreibt einen Erfahrungsbericht als Zeitsoldat. Marita Scholz schildert, wie zermürbend, angstbesetzt und lebensgefährlich das Leben mit einem Kriegsheimkehrer sein kann.
Jonathan Schnitt: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan
C. Bertelsmann Verlag München.

Bücher vom Krieg in Afghanistan häufen sich. Soldaten berichten, Politiker propagieren, Journalisten beschreiben: es ergibt sich ein vielstimmiges Bild vom fernen, ziemlich abstrakten Geschehen.

Jonathan Schnitt, Jahrgang 1980, hat sich ein halbes Jahr als Beobachter in Kunduz einschleusen lassen, "embedded" nennt sich das, also eingehüllt, eingebettet in die militärischen Kolonnen. Und natürlich fragt man, wie frei der Reporter sich bewegen, wie frei er Auskunft geben kann. Es fand keine Zensur statt, behauptet der Journalist.

Und doch wirkt sein Bericht seltsam weich gespült, keine Traumata werden vermeldet, keine Übergriffe, keine Gewalt, keine brutalen oder demütigenden Kommandos der Befehlshaber - so soll Krieg sein?

Der junge Autor scheint dem Thema nicht gewachsen zu sein: Er schreibt wenig aufregend, analysiert wenig erhellend und kommentiert, als wandele er auf breit getretenen Pfaden. Er hat ein weitgehend unerhebliches Buch vorgelegt.

Johannes Clair: Vier Tage im November. Mein Kampfeinsatz in Afghanistan
Econ Verlag Berlin.

Vier Tage im November 2010 hatte Johannes Clair Dauerbeschuss zu überstehen. "Vier Tage im November" nennt er seinen breiten und ausführlichen Erfahrungsbericht als Zeitsoldat. Zu Beginn trug ihn Begeisterung, wohl auch Abenteuerlust, dann soldatische Tugenden wie Treue, Kameradschaft, Patriotismus. Jedenfalls ging er freiwillig in den Krieg nach Afghanistan.

Von ihm erfahren wir allerlei über militärische Strategien, erhalten akkurate Schilderungen vom Kriegsschauplatz, ellenlange Beschreibungen von Scharmützeln aller Art. Von Wut und Rachegedanken lesen wir, von Sarkasmus und Galgenhumor und schließlich: von erbärmlicher Angst.

Es ist ein Kriegsbericht, ein Überlebensbericht, ein Abenteuerroman, und auch so etwas wie eine Heldengeschichte. Die Sprache wirkt manches Mal wie für einen Landserroman verfasst: Waffen "spien ihre tödliche Fracht" und Gewehrsalven werden zur "bedrohlichen Symphonie". Stellenweise klingt eine Faszination des Krieges wie bei Ernst Jünger an.

Marita Scholz: Heimatfront: Mein Leben mit einem Kriegsheimkehrer aufgezeichnet von Stephanie Schiller, Herder Verlag Freiburg.

Was der Krieg aus Menschen macht, erfährt man von Marita Scholz. "Heimatfront", schon der Titel weist darauf hin, dass der Krieg zu Hause, bei uns in Deutschland, weiter geht und ein Leben mit einem Kriegsheimkehrer zermürbend, angstbesetzt und lebensgefährlich sein kann. Leider hält sie sich mit allzu vielen privaten Details auf, die selbst ein neugieriger Leser nicht wissen will.

Doch davon abgesehen erzählt sie die ganze, erschütternde Leidensgeschichte traumatisierter Soldaten und ihrer Familien: von immer wiederkehrenden Explosionen eines psychisch schwer geschädigten Mannes; von der Untätigkeit Paragraphen reitender Bürokraten, von der Herzenskälte der Ärzte, die sich als Richter aufspielen; von der Verschwiegenheitspflicht der Opfer in Uniform, die so zu Marionetten des Kriegsapparates werden, vom Drama einer "unberechenbaren Kampfmaschine", wie es einmal heißt.

Die Diagnose lautet: "posttraumatische Belastungsstörung". Sie ist ein Hilfeschrei, der den Leser empört und bedrückt zurücklässt.


Und das Fazit der drei Bücher lautet: die Zweifel am Sinn des Krieges überwiegen. Wenig dürfte sich im Land am Hindukusch verändert haben - nach dem Abzug der deutschen, der ausländischen Truppen, vermuten die Heimkehrer.
Cover: "Jonathan Schnitt: Foxtrott 4"
Cover: "Jonathan Schnitt: Foxtrott 4"© C. Bertelsmann Verlag
Cover: "Johannes Clair: Vier Tage im November"
Cover: "Johannes Clair: Vier Tage im November"© Econ Verlag
Cover: "Marita Scholz: Heimatfront"
Cover: "Marita Scholz: Heimatfront"© Herder Verlag