Italien findet jeder Deutsche schön, und daran hat vor allem einer schuld: Johann Wolfgang von Goethe. Der Weimarer Geheimrat flüchtete 1786 in Richtung Süden und erlebte Italien als großen Befreiungsschlag. Die Sinnlichkeit des Landes, aber auch Roms antike Baudenkmäler erlösten ihn von seiner nordischen Melancholie.

Neapel jedoch, so der Literaturwissenschaftler Dieter Richter, irritierte ihn. Einerseits empfand er die Stadt am Golf als berauschend: das Alltagsleben, die Speisen, die Frauen, das Licht und die üppige Vegetation. Andererseits machte ihm der ewige Müßiggang zu schaffen. Neapel ertrug er nur für wenige Monate, dann kehrte er nach Rom zurück – und arbeitete.

Dass er dem Süden nicht vollständig erlag, war für die Literaturgeschichte ein Glücksfall.

Dieter Richter: "Goethe in Neapel", Wagenbach Verlag Berlin

Als sich in Goethes Gefolge Heerscharen beflissener Deutscher in Richtung Süden aufmachten und nach dem großen Bildungserlebnis fahndeten, wurde manch einer bitter enttäuscht.

Da gab es dreckige Laken, räuberische Fremdenführer, Nerven zehrende Gesänge und, wie Gustav Nicolai in seiner Warnschrift von 1833 lauthals beklagte, "scheußliche Speisen, Unflath und Schaaren von Flöhen". Er polemisierte aber nicht nur gegen die weit verbreitete Idealisierung Italiens, sondern vor allem gegen die Verleumdung der Heimat.

Aufschlussreich und spannend zu lesen beschreibt ein Sammelband die Kehrseite der "Grand Tour", hat all die Abrechnungen mit der übertriebenen Italien-Sehnsucht zusammen getragen. Von Nicolai über Dickens bis zu Rolf Dieter Brinkmann sind die verschiedensten Kritiker versammelt. Die kurzweiligen Aufsätze zeigen vor allem eines: Hinter der Verachtung verbirgt sich eine enttäuschte Liebe.

Joseph Imorde und Erik Wegerhoff: "Dreckige Laken. Die Kehrseite der Grand Tour", Wagenbach Verlag Berlin