Kurz und kritisch

Matt Potter zeigt in "Tödliche Fracht" die Welt russischer Militärpiloten. Texte gegen Klischees und Vorurteile liefert Helke Sander mit "Der letzte Geschlechtsverkehr". Heinz-Gerhard Friese beschäftigt sich mit der Durchdringung der äußeren und inneren Nacht.
Matt Potter: Tödliche Fracht. Das heimliche Geschäft mit Waffen und Drogen
Econ Verlag

Warum das Geschäft mit Waffen und Drogen nach dem Ende der UdSSR so viel besser lief, erklärt der Journalist Matt Potter. Sein Buch führt in die Welt ehemaliger russischer Militärpiloten, die sich mit ihren Transportmaschinen plötzlich auf dem freien Markt wiederfanden. Der ist in Krisenregionen schwer zu überwachen. Doch selbst dort, wo die riesigen Antonows und Iljuschins keine heimlichen Zwischenlandungen einlegten, selbst dort, wo sie wegen ihrer konkurrenzlosen Kapazitäten offiziell für Hilfslieferungen gechartert wurden, flog Schmuggelgut mit. Nur erfahrene alte Flieger wüssten, was wirklich in ihren Maschinen stecke: "Du fliegst diese Dinger überall hin auf der Welt und niemand außer dir weiß, dass du noch gut 15 Tonnen mehr verstauen kannst als das, was in der Betriebsanleitung steht", zitiert Potter einen Gewährsmann. Solch lukrative Beiladung reicht von ziviler Schmuggelware über Drogen und Waffen bis zum kompletten Kampfjet.

Matt Potters Buch zeigt, warum das Übel, das viele gut gemeinte Hilfs- und Friedensmissionen bekämpfen wollen, schon auf dem Hinflug mit an Bord ist.

Helke Sanders: Der letzte Geschlechtsverkehr und andere Geschichten über das Altern
Kunstmann Verlag

Helke Sander, die Autorin, eine 68erin ohne Dogmen, beobachtet sich und ihre Altersgenossinnen, auch Genossen, manchmal charmant, manchmal frech, immer reflektiert, ohne dabei theoretisch zu werden. Es geht weder nur um das Altern noch primär um Frauen ohne Sex. Die Autorin nimmt Paare und Männer, abgenutzte Ehen und Frauengruppen unter die Lupe und porträtiert Menschen, die einmal rebellisch waren oder es gar immer noch sind. Sie denkt laut nach - über Beziehungen, über den großen und die vielen kleinen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und über die Frage, was aus den Gefühlen und Ansprüchen geworden ist, die vor über vierzig Jahren das Selbstverständnis von Frauen radikal verändert haben. Es sind Texte gegen Klischees. Manchmal komisch, manchmal melancholisch spießt sie mit spitzer Zunge Vorurteile und Rollenbilder auf.

Sander hat keine Rezepte parat, sie hadert weder mit dem Alter noch mit dem ausbleibenden Sex im Alter. Sie meint, dass die Fragen, die sie als junge Frau beschäftigt haben - wie leben wir anders als unsere Mütter - in abgewandelter Form immer noch aktuell sind.

Heinz-Gerhard Friese: Die Ästhetik der Nacht. Eine Kulturgeschichte
Rowohlt Verlag

Der Nacht droht der globale Ausverkauf, nicht durch die Beherrschung des Feuers, auch nicht durch die Glühbirne. Nein – es sind das Internet, seine Nutzer und die internationalen Finanzströme, die die Schönheit der Nacht bedrohen. So sieht es zumindest, wenn auch polemisch zugespitzt, Heinz-Gerhard Friese, Autor des 1300 Seiten umfassenden Großwerkes "Die Ästhetik der Nacht". Hat man die recht schwer verdauliche, 90-seitige Vorrede der auf Dünndruckpapier verfassten Kulturgeschichte hinter sich gebracht, kann man durchaus Interessantes erfahren über das Verhältnis der äußeren, unermesslichen Nacht, die bestimmt ist durch den Wechsel von Sonne und Mond, zur inneren Nacht, die der Erde und dem menschlichen Körper innewohnt. Frieses Hauptinteresse gilt dabei der ästhetischen Wahrnehmung der gegenseitigen Durchdringung dieser inneren und äußeren Nacht.

Die Neugier, die das Buch auf den ersten Blick weckt, wird jedoch nur schwer befriedigt, denn für eine Kulturgeschichte, die sich an ein breites Publikum wenden könnte, erscheinen Sprache und Gedankenansätze des Autors an vielen Stellen dann doch zu eigenwillig und sperrig.
Cover Matt Potter "Tödliche Fracht"
Cover Matt Potter "Tödliche Fracht"© Econ Verlag
Cover Helke Sander "Der letzte Geschlechtsverkehr"
Cover Helke Sander "Der letzte Geschlechtsverkehr"© Kunstmann Verlag
Cover Heinz-Gerhard Friese "Die Ästhetik der Nacht"
Cover Heinz-Gerhard Friese "Die Ästhetik der Nacht"© Rowohlt Verlag