Kurz und kritisch

Der Karfreitag erzählt von Leid und Tod, und diese Bücher hier tun es auch. Sie behandeln die jüngste Geschichte von Bosnien, Irland und Österreich - und berichten von Menschen, deren Hoffnungen immer wieder betrogen wurden - und die sich ihrem Schicksal dennoch nicht ergeben haben.
Die Logovina, eine der ältesten Straßen Sarajewos, steigt über 500 Meter steil bergan: vom türkischen Marktviertel im Zentrum aus, vorbei an drei Moscheen, einem Friedhof, an Villen im österreichisch-ungarischem Baustil, hinauf zu den Betonklötzen der kommunistischen Ära.

Sie hatte 700 Bewohner, die in 240 Familien lebten, damals, als die bosnische Hauptstadt im Talkessel von Serben aus den umliegenden Bergen beschossen wurde. Mit rotem Harz füllten die Belagerten die Löcher der Granateinschläge auf der Straße aus, nannten sie Rosen von Sarajewo zum Gedenken an die Toten.

Den Überlebenskampf in der Logovina schildert die amerikanische Journalistin Barbara Demick, die von 1993 bis 1995 Korrespondentin des "Philadelphia Inquirer" war – in einer Stadt, in der Bosnier, Serben und Kroaten oder Muslime, orthodoxe und katholische Christen stolz darauf waren, ohne ethnischen Streit zusammengelebt zu haben.

Gemeinsam leisteten sie Widerstand – weniger mit Waffen als mit Solidarität und Haltung. Demonstrativ versuchten sie ein normales Leben fortzuführen, achteten wie zu Friedenszeiten auf ihr gutes Aussehen und leisteten sich hoffnungsfroh einen Babyboom, während die Häuser zu Ruinen wurden.

Barbara Demick: Die Rosen von Sarajewo
Barbara Demick: Die Rosen von Sarajewo© Droemer Verlag
Die Rosen von Sarajevo. Barbara Demick mit einer Geschichte vom Krieg, Droemer Verlag München, 304 Seiten, 19,99 Euro


Vor neunzig Jahren löste sich Irland von Großbritannien, wurde schließlich eine unabhängige Republik – bis auf die britische Provinz Ulster. Nordirland durchlebt bis heute den alten katholisch-protestantischen, irisch-englischen Konflikt. Um ihn besser zu verstehen, ist Jörg Lahme in die Archive von Belfast und Dublin gegangen.

Er stieß dabei auf William Drennan, einen Arzt und Politiker, von dem er glaubt, er sei zu Unrecht angefeindet und vergessen worden, weil er in ihm einen bedeutenden Ideengeber der irischen Unabhängigkeitsbewegung sieht.

Im 18. Jahrhundert wurden Irlands katholische Ureinwohner von einer englisch-anglikanischen Elite beherrscht, die mit der schottisch-presbyterianischen Oberschicht in Ulster konkurrierte. In deren Geist schottischer Aufklärung war William Drennan erzogen, lehnte religiös und politisch das Obrigkeitsdenken der Anglikaner und Katholiken ab.

Inspiriert vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und von der Französischen Revolution engagierte er sich in der außerparlamentarischen Opposition. Sie organisierte sich zunächst als Bürgermiliz der Volunteers und danach als Intellektuellen-Zirkel der United Irishmen, verfügte mithin über einen bewaffneten wie auch einen politischen Arm.

Drennan setzte sich für eine Wahlrechtsreform, die Emanzipation der Katholiken und eine Trennung von der britischen Krone ein. Bei aller Radikalität wollte er einen Bürgerkrieg vermeiden. Die Revolution von 1798 scheiterte denn auch.

Jörg Lahme: William Drennan und der Kampf um die irische Unabhängigkeit
Jörg Lahme: William Drennan und der Kampf um die irische Unabhängigkeit© Wallstein Verlag
William Drennan und der Kampf um die irische Unabhängigkeit. Eine politische Biographie von Jörg Lahme, Wallstein Verlag Göttingen, 448 Seiten, 34,90 Euro, auch als ebook erhältlich.


Ihm fällt es schwer, sich gegenwärtig in der israelischen Gesellschaft zu Hause zu fühlen – und es schmerzt ihn. Ari Rath arbeitete 31 Jahre lang für die englisch-sprachige "Jerusalem Post", zuletzt als Chefredakteur und Herausgeber. Mit 88 Jahren hat er nun seine Erinnerungen aufgeschrieben, die wie im Schnelllauf die junge Geschichte des Staates Israel Revue passieren lassen.

In Wien geboren, als Jugendlicher 1938 nach Palästina ausgewandert, im Kibbuz und in der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung groß geworden, war er ein Anhänger David Ben-Gurions, vor allem aber als Journalist immer und überall dabei.

Die österreichischen Juden erlebte er im Gegensatz zu den deutschen als talentierte Politiker Israels. Am Militärdienst schätzte er die verkehrte Welt, die den Fahrer zum Offizier und seinen Generaldirektor zeitweise zum Gefreiten machte.

Hart geht er mit jenen ins Gericht, welche die Chancen zur Versöhnung mit den palästinensischen Nachbarn nicht genutzt oder gar hintertrieben hätten, auch mit jenen, die in den besetzten Gebieten zu Tätern geworden seien, die israelische Gesellschaft brutalisiert und demoralisiert hätten. Kurz: er ist enttäuscht, dass der Friedensprozess heute aussichtslos stagniert.

Ari Rath: Ari heißt Löwe
Ari Rath: Ari heißt Löwe© Paul Zsolnay Verlag
Ari heißt Löwe. Erinnerungen von Ari Rath, Paul Zsolnay Verlag Wien, 344 Seiten, 24,90 Euro, als ebook 18,99 Euro