Kunstpreis Praemium Imperiale

Spirituelle Räume aus Licht

10:27 Minuten
Lichtinstallation des US-amerikanischen Künstlers James Turrell in der Dorotheenstädtischen Friedhofskapelle. Der Altar, ein Kubus aus Acrylglas mit Leuchtdioden, bildet eine eigene Lichtquelle. Gemeinsam mit anderen Lichtquellen im Raum entsteht eine traumähnliche Atmosphäre.
Traumähnliche Atmosphäre: Lichtinstallation von James Turrell in der Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs in Berlin. © imago / epd / Rolf Zöllner
Klaus-Dieter Lehmann im Gespräch mit Britta Bürger · 14.09.2021
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Die vier Preisträger des Praemium Imperiale 2021 sind bekannt gegeben worden. Klaus Dieter Lehmann, Ex-Präsident des Goethe-Instituts, freut sich insbesondere über die Auszeichnung für den US-amerikanischen Lichtkünstler James Turrell.
Einer der weltweit bedeutendsten Kunst- und Kulturpreise, der "Praemium Imperiale" geht in diesem Jahr an den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, den US-amerikanischen Licht- und Raumkünstler James Turrell, den australischen Architekten Glenn Murcutt, sowie an den US-Cellisten Yo-Yo Ma.
Obwohl der "Praemium Imperiale" sich als eine Art Nobelpreis der Kunst versteht und die Preise mit jeweils 115.000 Euro zu den am höchsten dotierten der Welt zählen, erfährt er bei Weitem nicht so viel mediale Aufmerksamkeit wie die Nobelpreise. Die Japan Art Association sei dafür zu zurückhaltend in ihrer Politik, sagt Klaus-Dieter Lehmann, ehemaliger Präsident des Goethe-Instituts und einer der Berater der Jury. Die Kunstwelt wisse dennoch um das hohe Renommee des Preises.

Traumähnliche Erlebnisse

Den Licht- und Installationskünstler James Turrell habe er selbst stark favorisiert, sagt Lehmann. Turrell vermittle Licht auf eine sehr unwahrscheinliche Weise:
"Er macht keine Kunst, die von Licht handelt, sondern sie ist wirklich Licht. Er beleuchtet nicht, sondern er schafft Räume ohne Grenzen. Das sind fast traumähnliche Erlebnisse, das hat eine Bewusstseinserweiterung in einer Form, die kein anderes Medium leisten kann."
Lichtfarbe und Raum verschmölzen in seinen Arbeiten so miteinander, dass spirituelle Räume entstünden. In der Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs in Berlin könne man beispielsweise erleben, wie Turrell durch das Licht eine spezielle spirituelle Atmosphäre erschaffe. "Es ist einfach großartig, wie er Sichtbares und Unsichtbares ineinandergreifen lässt."

Schönheit und Verletzlichkeit der Natur

Der Fotograf Sebastião Salgado habe den Preis verdient, weil er sich in seinen Arbeiten auf eine einmalige Art und Weise und mit Dringlichkeit für den Umwelt- und Naturschutz einsetze, sagt Lehmann. Salgado habe zuvor über 20 Jahre lang Menschen porträtiert, die durch Krieg, Hunger und Armut bedroht waren.
"Der Völkermord in Ruanda hat ihn an den Gräueltaten dermaßen zerbrechen lassen, dass er die Fotografie für eine ganze Zeit aufgegeben hat. Erst nach einer langen Pause kehrte er 2004 zur Fotografie zurück."
Er habe sich dann in seiner Arbeit der Schönheit und Verletzlichkeit der Natur verschrieben, ohne dabei verklärend zu wirken. Er mahne vor deren Zerstörung und fordere dazu auf, die Schöpfung zu bewahren und damit auch die globale Zivilisation. "Er ist ein fantastischer Fotograf mit einem hohen Wiedererkennungswert aber auch mit einer Botschaft."
Der Fotograf Sebastião Salgado steht bei der Eröffnung seiner "Genesis"-Ausstellung 2017 in Mailand vor einer seiner Fotografien. Zu sehen ist eine Schwarzweißaufnahme eines brennenden Ölfeldes in Kuwait mit einem Arbeiter. 
Sebastião Salgado hatte mit seiner "Genesis"-Ausstellung weltweit Erfolg. Nun wird er mit einem der bedeutendsten Kunstpreise ausgezeichnet.© imago / Italy Photo Press / Mario Romano
Der australische Architekt Glenn Murcutt sei eine Ausnahmeerscheinung, sagt Lehmann. "Er arbeitet in einer Weise, wie sie heute nicht mehr üblich ist, ohne Computer, ohne Vernetzung, analog mit Zeichenstift." Trotzdem sei er seiner Zeit insofern voraus, als dass er Architektur nicht als Fremdkörper in der Umgebung verstehe, sondern als einen Teil davon.
"Er ist auch nie aus Australien rausgegangen. Er hat, glaube ich, außer einer Moschee und einer Kirche nur Privathäuser gebaut. Aber er hat in seiner Wirkung eine enorme Reichweite, weil er sehr viel an Universitäten lehrt und Architekten mit ihren Ideen auf ihn eingehen."

Unterschiedliche Kulturkreise zusammenbringen

Preisträger Yo-Yo Ma schließlich sei einer der wunderbarsten Cellisten und Interpretatoren und habe Musiker aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengebracht, wie in seinem Projekt Silk Road, so Lehmann.
"Er nutzt auch seine Popularität für politische Aussagen. Er hat zum Beispiel an der Grenze der USA zu Mexiko die Cello-Suite von Bach gespielt, um zu zeigen: Wir wollen keine Mauern haben, wir sind eine Welt!"
Das mache Yo-Yo Ma und im Grunde auch alle anderen Preisträger aus. Neben ihrer künstlerischen Qualität seien sie Vertreter einer gesellschaftlichen Botschaft: Sie machten deutlich, dass Kunst nicht nur eine Spielwiese für Künstler und Intellektuelle sei, sondern "ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft - und unser kulturelles Zusammenleben ist dadurch bestimmt, dass man Kultur auch als einen Teil der gesellschaftlichen Essenz wahrnimmt."
(rja)
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