James-Turrell-Museum in den argentinischen Anden

"Licht, wie wir es in einem Traum wahrnehmen"

Die begehbare Lichtinstallation des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell mit dem Titel "Bridget's Bardo" - ausgestellt 2010 im Kunstmuseum Wolfsburg.
Die begehbare Lichtinstallation des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell mit dem Titel "Bridget's Bardo" - ausgestellt 2010 im Kunstmuseum Wolfsburg. © Jochen Lübke dpa/lni
Von Dirk Fuhrig · 01.04.2018
Um die Werke von James Turrell erleben zu können, müssen Besucher zunächst nach Argentinien reisen, eine beschwerliche Fahrt in die Anden hinter sich bringen. Erst dann können sie die Werke des US-amerikanischen Lichtkünstlers bewundern.
Hier wird Kunst in Horizontallage rezipiert. Wir liegen auf dünnen Matten in einem Atrium, schweigen, wie beim Meditieren, blicken nach oben. In der Decke öffnet sich ein Quadrat in den Himmel. Stille. Es ziehen ein paar Wolken. Langsam wird das helle Blau immer dunkler. Gleichzeitig verändert auch der Rahmen seine Farbe – und bald wissen wir nicht mehr, was künstlich erzeugt und was natürlich ist. Nach 20 Minuten ist alles vorbei. Draußen ist die Sonne fast untergegangen.
"Die Umgebung hier ist voll mit natürlichem Licht. Es gibt nur wenig künstliches Licht. Das Interessante ist, wenn natürliches und künstliches Licht aufeinander treffen. Geräusche kommen hinzu. Mitten in einer Stadt ist das natürlich ganz anders als hier draußen", sagt Connie Bearzi, die Leiterin des Colomé-Geländes.
Das Gebäude des James-Turrell-Museums in Argentinien.
Das Gebäude des James-Turrell-Museums in Argentinien. © Deutschlandradio / Dirk Fuhrig
Hier draußen - das heißt: ganz weit draußen. Fünf Stunden hatten wir gebraucht, von Salta aus bis nach Colomé, über atemberaubende Serpentinenstraßen und unbefestigte Schotterpisten - das ist mit einem normalen PKW ein staubiges Vergnügen.
"Ist man im Museum drin, könnte man glauben, man ist in irgendeiner x-beliebigen Großstadt. Aber sobald man die Tür durchschreitet, steht man mitten in den Bergen. Der klare Himmel, nachts die Sterne. Keinerlei künstliches Licht, keine Autos, keine Geräusche – vielleicht ein paar Hunde oder Esel, das ist alles."

Ruhe und Weite, aber auch Üppigkeit

Wer soll sich schon hierher verirren, auf 2300 Meter über dem Meer. Ausgerechnet in diese Einsamkeit der Anden hat der Schweizer Wein- und Immobilien-Unternehmer und Kunstmäzen Donald Hess 2009 dieses Haus für James Turrell gebaut.
"Als Donald Hess dem Künstler am Telefon vorschlug, in Argentinien ein Museum zu eröffnen, meinte Turrell: 'In Buenos Aires war ich noch nie, das ist eine gute Idee'. 'Nun ja', meinte Donald, 'von Buenos Aires aus muss man noch einmal zwei Stunden nach Norden fliegen. Und wenn man in Salta angekommen ist, geht es fünf bis sechs Stunden mit dem Auto weiter'. Turrell schwieg sehr lange, bevor er antwortete: 'Weißt Du, ich habe für meine Kunstwerke so sehr gelitten, da können die Besucher auch etwas auf sich nehmen'."
Ein Besucher steht vor einer Installation des amerikanischen Künstlers James Turrell, ausgestellt im "Garage Center for Contemporary Culture".
Installation des Künstlers James Turrell - ausgestellt in Moskau.© Photo ITAR-TASS/ Alexandra Mudrats
Wer es erstmal in diese Anden-Einsamkeit geschafft hat, wird mit einer außergewöhnlichen Sammlung belohnt. Nirgendwo sonst auf der Welt sind so viele Werke des in Los Angeles geborenen und in Arizona lebenden Land-Art-Künstlers an einem Ort zu erleben. Und so schleppen sich jährlich mehrere Tausend Turrell-Enthusiasten aus aller Welt ins Calchaquí-Tal. So wie dieser Besucher aus dem Saarland: "Wenn man diese Anreise hinter sich hat durch das Nichts, und dann steht man plötzlich vor einem prächtigen Museumsbau inmitten einer wundervollen Winery. Auch mit den besonderen Lichtverhältnissen, inmitten von Bergen und Weinfeldern."
Ruhe und Weite, aber auch Üppigkeit - eine Art Garten Eden zwischen Anden-Gipfeln. Vielleicht wirklich genau der richtige Ort für einen Lichtmagier wie James Turrell: "In diesem Museum nehmen Sie das Licht in einer Weise wahr, wie man es sonst nicht kennt. Normalerweise benutzen wir Licht, um bestimmte Dinge anzustrahlen. Hier sehen wir Licht eher so, wie wir es in einem Traum wahrnehmen."

Irritierend, aber wundervoll

Turrell ist im Vorraum des Museums in Form eines Video-Beitrags präsent. Vom hellen, weißen Foyer betritt man Gänge und Räume, in denen sich die Lichtmagie des weißbärtigen Meisters entfalten kann.
Es ist, als würde man durch einen langen, schmalen Gang gehen, der sich aber immer wieder öffnet in jeden der einzelnen Räume. Der grüne hat eine beklemmende Atmosphäre, das Rot ist warm - erst rot, dann grün, dann lila. Ein schmaler, enger Raum, fühlt sich jeweils komplett anders an, auch der Schall, der Hall gehört dazu. Der sakrale Aspekt ist nicht zu verkennen. Wie in den unteririschen Katakomben einer Kirche. Wie durch die bunten Glasfenster Licht in die Kirche scheint - sakrales Licht.
Auf dem Gelände des James-Turrell-Museums in Argentinien.
Auf dem Gelände des James-Turrell-Museums in Argentinien. © Deutschlandradio / Dirk Fuhrig
Turrells Lichtinstallationen sind keine intellektuelle Kunst. Sie spielen mit dem Eindruck, den Licht auf die Sinne ausübt. "Wenn man durchschreitet, verliert man leicht die Kontrolle, man denkt, man steht in einer Nebelwand ist ein ganz seltsames, fast schon unangenehmes Gefühl. Es ist sehr irritierend, besonders, aber wirklich wundervoll", sagt ein Besucher.
Mittlerweile ist die Sonne komplett hinter den Gipfeln untergegangen. Irgendwo dahinter liegt die die Grenze Argentiniens zu Chile. Das Museum schließt seine Türen. Die letzten Besucher gehen über die Kieswege hinüber zum Hotel. Das Licht ist aus, die Stille ist komplett - hier oben bei der hohen Kunst im Weinberg.
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