Tourismus

Kein Handy, kein Internet

Blick vom Turm der Klosterruine auf die Dorfstraße von Cirta (Kerz) in Siebenbürgen in Rumänien
Im ländlich geprägten rumänischen Siebenbürgen gibt es viele abgeschiedene Dörfer. © picture-alliance / dpa / Rainer Oettel
Von Thomas Wagner · 23.08.2014
In dem siebenbürgischen Dörfchen Reußdorf in der Mitte Rumäniens gibt es kein Internet und kaum Handyempfang. So hat es sich zum Treffpunkt für Touristen gemausert, die gerne auf das verzichten, was die meisten für unverzichtbar halten.
Schon die Autofahrt nach Reußdorf ist ein Abenteuer: Die mit reichlich Schlaglöchern gepflasterte Straße wechselt sich ab mit unwegsamen Kies- und Schotterpisten. Die rund zweistündige Anfahrt wird zur gefühlten Ewigkeit.
Endlich. Nachdem das verrostete Schild "Cund" aufgetaucht ist, heißt es an der alten Dorfkirche : Auto stehen lassen und zu Fuß weiterlaufen auf einem Kiesweg. Hinter einer Kurve taucht plötzlich ein Holzgebäude auf, eine Art Farm. Das Ökohotel Valia Verde.
Auf der Terrasse sitzen gut zwei Dutzend Besucher in der Sonne. Touristen.
"Insofern ist das schon eine tolle Sache: Als ich hier reinkam, habe ich gedacht. O.k., unerreichbar – super-gut!"
Entkoppelt von der digitalen Welt
Michael Weiss erweckt einen durch und durch erholten Eindruck: Der grauhaarige, vital wirkende Endfünfziger aus Deutschland blickt von der Terrasse auf die saftig grünen Hänge gegenüber. Dass er von hier aus weder telefonieren noch im Internet surfen kann, war einer der Gründe, weshalb er sich für Reussdorf als Urlaubort entschieden hat. Nun genießt er die Zeit in vollen Zügen:
"Wenn man nicht entkoppelt ist von dieser medialen, digitalen Welt, sag ich mal, kann man sich nicht entspannen. Wenn das Telefon ständig klingelt oder man ständig irgendwelche E-Mails lesen muss, das ist nichts. Man braucht mal den einen oder anderen Moment, um mal Ruhe zu finden."
"Hat es Ihnen geschmeckt?" –"Ganz vorzüglich." …
Anna Mitea, Anfang 30, wurde in Siebenbürgen als Tochter rumäniendeutscher Eltern geboren, lebt aber seit Jahrzehnten in Wien. Die langen schwarzen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, kommt sie, lässig gekleidet in Shorts und Sportschuhen, auf die Terrasse. Sie ist für ein paar Tage nach Reußdorf gekommen – zur Entspannung:
"Das ist ein Segen. Man kommt aus einer informationsüberflutenden Umgebung. Und Ich habe mich sehr gesehnt aus dem Büro zu flüchten und hierher zu kommen, um einfach Ruhe zu haben und auch die Möglichkeit zu haben, ein bisschen eine Pause einzulegen."
Die Smartphones wollen nicht klingeln
Doch nicht alle auf der kleinen Terrasse sind darüber glücklich. Der Engländer Roy Tucker, ein hagerer dürrer Mann Anfang 70, blickt ziemlich missmutig auf seine beiden Smartphones auf dem Tisch, die einfach nicht klingeln wollen. Seine Frau hat ihn nach Reußdorf gelockt, sie ist naturverbunden. Vom fehlenden Internetkontakt hat sie ihm vorher nichts gesagt. Roy Tucker hat für die elektronische Abgeschiedenheit nichts übrig:
"Also ich ganz persönlich hab’s schon gerne, wenn ich mit meinem Handy telefonieren oder schnell eine E-Mail verschicken kann. Und man kann ganz generell sagen. Die Internet-Verbindungen in Rumänien ganz generell sind besser als bei uns zu Hause, in England. Nur in diesem speziellen Ort hier funktioniert das gar nicht gut: kein Signal weit und breit außer in einem winzigen Streifen. Ich hoffe, die strengen sich bald an, um einen besseren Handy-Empfang hinzukriegen."
Doch die Reußdorfer denken gar nicht daran, die Abgeschiedenheit des Dorfes ist ein Standortvorteil. Das jedenfalls meint Jonas Schäfer, der vor einigen Jahren von Flensburg nach Reußdorf gezogen ist und hier das Ökohotel betreibt. In eleganter weißer Kochjacke wirkt der stämmige Enddreißiger wie ein Sterne-Koch eines Gourmet-Tempels. Vor Jahren brachten er und sein Vater Hilfslieferungen nach Rumänien. Dann beschloss er mit seiner Frau, genau dort etwas Neues aufzubauen, wo die Abgeschiedenheit Programm ist - in Reußdorf:
"Ich bin Smartphone-Besitzer und ein alter Get-it-Freak. So, ich habe immer die neusten Telefone gehabt, habe auch das nach wie vor. Aber es ist ein wahnsinniges Privileg, wenn ich das Handy nur dann anmache, wenn ich diesen Ort verlasse und bin dann überrascht, wie viele Anrufe ich selbst dann noch bekomme, obwohl mich Menschen teilweise über Wochen und Monaten nicht auf dem Handy erreichen und dabei auch ganz verzweifelt sind."
Der Internet-Hotspot ist ein Geheimnis
Dann verfällt Jonas Schäfer in eine Art Flüsterton. Mit leiser Stimme beichtet er: Auch auf seiner Farm in Reußdorf gebe es einen Internet-Hotspot. Davon wissen die Gäste aber nichts:
"Ich habe natürlich noch ein hohes Kommunikationsaufkommen, weil wir auch noch ein Geschäft zu führen haben. Da heißt also: Natürlich schreibe ich viele E-Mails, und selbstverständlich pflege ich eine Website. Doch der andere Lebensrhythmus ist ganz entscheidend für uns."
Wo sich Schäfers Hotspot genau befindet, mit welchem Passwort man hineinkommt – das bleibt sein Geheimnis. Die entspannten Gäste sehen selig den einheimischen Kinder zu, die auf der Straße spielen, und aufwachsen wie sie selbst einstmals: Ohne Kontakt zum World Wide Web.
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