Fluchtpunkt Weltall

Der Weltraumhund "Laika" steht stellvertretend für die Sehnsucht eines ausgebrannten TV-Moderators nach dem Ausstieg. In einer Talkshowkulisse zeigt das Stück von Martijn Padding die Fluchtambitionen eines Muttersöhnchens und das Konkurrenzverhalten in einer Fernsehredaktion.
Laika feiert dieser Tage Auferstehung – die Hündin, die im November 1957 im Zuge der sowjetischen Mission "Sputnik 2" in den Orbit geschossen wurde. Einige Stunden später verendete sie an Bord der etwas zu warm gewordenen Raumkapsel. Jetzt kehrt sie als Kunstobjekt ins Bewusstsein des Publikums zurück. Ihrer wurde kürzlich im Kontext der Installation von Ilja und Emilia Kabakov gedacht, die im Grand Palais in Paris gezeigt wird.
Das Tier, für dessen Rückkehr zur Erde ohnedies keine Vorkehrungen getroffen worden waren, ist auch die Heldin eines neuen Musiktheaterstücks des am Konservatorium in Den Haag lehrenden Martijn Padding. Mit "Laika" wurde heuer das Holland Festival im Neuen Auditorium der Amsterdamer Stadsschouwburg eröffnet.
Theater als Talkshow
In das ließ der als Regisseur debütierende (und auch für die Ausstattung verantwortliche) Aernout Mik, der in den 90er-Jahren die Niederlande bei der Biennale in Venedig vertrat und inzwischen in sehr feine Museen aufgerückt ist, ein veritables Fernsehstudio bauen, wie es für Talkshows mit größerem Publikumsandrang üblich ist. Das erscheint völlig angemessen, da der von mehr oder minder inbrünstigen Banalitäten aufgefütterte Text von P. F. Thomése zu großen Teilen in einem solchen Studio spielt: Es stellt sich heraus, dass der beliebte TV-Moderator Robbert ausgebrannt ist – ihm fehlt jede Motivation, weiterhin in seinem Job zu funktionieren. Ohnedies fühlt er sich von der wohlmeinenden Mutter und der zuständigen Redakteurin Trix heillos dominiert.
Auf ins Sternenland
Robbert entgleist in einer Talkshow, verflüchtigt sich. Da seine Sehnsucht seit Kindertagen den Sternen galt, will er hinauf ins gelobte Sternenland. Er nimmt Kontakt zu dem durch einen Berufsunfall aus dem aktiven Berufsleben geschiedenen Kosmonauten Yuri Gagarin und zu Laika auf – und irgendwie schafft er (doch fragt mich nur nicht wie!) die Himmelfahrt.
Musikalische Ernte des 20. Jahrhunderts
Bon voyage! Zu dieser letzten Reise erhebt sich auch der Tonsatz schwelgerisch aus der Eintopfmasse, die zuvor gut zwei Stunden lang leise köchelte, dämpfelte, dümpelte. Die Ernte aus allerlei im 20. Jahrhundert Zusammengeklaubten ist technisch gesehen reichhaltig. Der genuin kompositorische Innovationsertrag erscheint allerdings gleich null. Padding ist ein Mann ohne nennenswerte musikalische Eigenschaft. Er verfügt über keine charakteristische Handschrift.
Schon in den letzten Jahren ging es bei den neuen Musiktheaterwerken des Holland Festivals bevorzugt um "Life after Life". Und auch heuer wieder. Man hoffte bis hinein in den dritten der vier länglichen Akte: dass es irgendwann bitte ins Ironische, Sarkastische oder gar Polemische kippen möge. Doch Fehlanzeige! Martijn Padding meint es so esoterisch ernst wie der Librettist – eine wenig humoristische Betrachtung des kollegialen Konkurrenzverhaltens in einer Fernsehredaktion knüpft noch lange nicht an der guten Tradition einer scharf kritisch gewürzten Buffo-Oper an, wie sie zum Beispiel 1994 mit Guus Janssens "Noach" beim Holland Festival brillierte oder 2000 mit Janssens "Hier" - über ein neues goldenes Zeitalter, das dank schier unerschöpflicher Organtransplantationen in Amsterdam anbricht.