Kunst im Schloss

Spezielle Symbiose

Die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau" auf Schloss Roskow (Brandenburg) im Jahr 2013.
Die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau" auf Schloss Roskow (Brandenburg) im Jahr 2013. © picture alliance / dpa / Foto: Bernd Settnik
Von Barbara Wiegand · 02.07.2014
Es fing an als eine Art "Künstlerwochenend-Happening" im Spreewald und entwickelte sich zu einem renommierten Kunst- und Kulturfestival: das Kunstprojekt "Rohkunstbau". Am Wochenende eröffnet die 20. Ausgabe unter dem Motto "Revolution".
Eines ist schnell klar, wenn man das kleine Schloss Roskow im Havelland erreicht: das Anfang des 18. Jahrhunderts als Landsitz derer von Katte errichtete Gebäude, das schon etwas verwittert zwischen Trauerweiden und Plattenbauten in einem kleinen Park steht – es bietet nicht gerade die Bühne für einen großen, gar revolutionären Auftritt zum Jubiläum. Aber, dafür ist Roskow ist genau der richtige Ort, um sich auf die Wurzeln des "Rohkunstbau" zu besinnen: mit den kahlen Räumen, in denen der Stuck schon lange abgeschlagen ist, erinnert das Schloss an den Rohbau der ersten Ausstellungsjahre.
Und seine wechselhafte Geschichte als Adelssitz, als Flüchtlingsunterkunft und Schule weist viele Parallelen auf zum Wasserschloss in Großleuthen, wo das Projekt seine prägenden Jahre verbrachte – und bekannt wurde für seine ganz spezielle Art der Symbiose von Kunst und Ausstellungsort.
Arvid Boellert: "Durch die Nutzung zu DDR Zeiten und dadurch, dass es lange Zeit Leerstand ist hier ein Rohbauzustand vorhanden - und das passt sehr gut zu uns, denn es ist das, was Künstler und Besucher auch immer wieder interessiert und des Weiteren sind wir auch mittlerweile mit diesem Ort sehr verbunden, so wie das früher im Spreewald auch war. Und es gibt hier eine Verbindung die einzigartig ist zwischen der Bevölkerung und so einem Kunstprojekt."
Permanenter Überlebenskampf
Man sei angekommen in Roskow, meint Arvid Boellert, Direktor und Initiator des Rohkunstbauprojektes. Ein Projekt, das finanziell allerdings immer wieder auf der Kippe stand. Und vielleicht ist es ja dieser permanente Überlebenskampf, der Boellert und seinen Kurator Mark Gisbourne auf die Idee brachten, die Revolution auszurufen. Ein Ausstellungsthema, das sich wie die beiden vorigen Themen "Macht" und "Moral" locker an Wagners Ring des Nibelungen anlehnt. Das sich aber vor allem auch mit der Frage beschäftigt, was Revolution in der Kunst heute sein kann.
Eine Frage, auf die es in Roskow viele Antworten gibt: Revolution, das kann ein Spiel sein, oder ernsthaft Bezug nehmen, auf die Wirklichkeit. So hat etwa Erik Schmidt Protestaktionen der Occupy Bewegung in New York festgehalten – erst mit der Kamera – dann mit Pinsel und Ölfarbe. Gegenüber seinen gleißend hellen, mit dynamischen Strichen gemalten Bildern wirken die Szenarien von Ruprecht von Kaufmann abgründig düster. Etwa, der Artist, der versucht, auf einem Pferd ohne Beine Halt zu finden, der Kollege, der versucht, einen Elefanten mit seinen Füßen zu balancieren…
Erik Schmidt: "Eigentlich bin ich eher als Revolutionsskeptiker zu bezeichnen. Die Bilder befassen sich oft damit, dass Menschen versuchen ganz prekär den Status quo zu halten, es gibt Bilder, wo ein künstlicher Balancezustand hergestellt wird oder Dinge gemacht werden, die eigentlich eine völlige Absurdität haben – etwa den Elefant auf den Beinen zu balancieren. Eigentlich ist das ein Ausdruck für eine gewisse Hilflosigkeit für ein den Umständen ausgeliefert sein und etwas zu machen nur um es immer weiter zu betreiben."
Die Revolutionierung der Malerei
Doch egal, ob diese beiden nun den Aufbruch oder das Ausgeliefert sein im Bild festhalten, sie tun es mit konventionellen Mitteln. Ganz im Gegensatz zu Ion Sur – er hat nicht die Revolution, sondern die Revolutionierung der Malerei auf seine Leinwände geschrieben. Ein radikaler Wandel, der einem auf den ersten Blick allerdings gar nicht auffällt – angesichts der schwarz-, orange- und grünfarbenen Punkte auf seinen abstrakten Bildern. Doch auf den zweiten, dritten Blick ist plötzlich nichts mehr, wie es anfangs schien
Ion Sur: "Ja, dann fangen an, sich die Punkte zu bewegen und beeinflussen sich untereinander. Man stellt fest, dass ein Kreis nicht nur ein Kreis ist, sondern auch eine Ellipse werden kann und ganz merkwürdige Formen annehmen kann. Man merkt, dass die Stabilität, die man gewohnt ist nicht mehr existiert. Was wir hier sehen hat keine festen körperlichen Grenzen mehr, sondern es ist in performativen Prozessen zueinander."
Selten lag wohl die Kunst mehr im Auge des Betrachters, als in Erik Schmidts Bildern, die er in Öl auf spezielle, die Farben in Wallung bringende Leinwände gemalt hat. Es ist eine der spannendsten Arbeiten für diesen Rohkunstbau. Zeigt sie doch das Spektrum, was Revolution in der Kunst sein oder nicht sein kann. Am anderen Ende dieses Spektrums darf man gespannt sein auf Nezaket Ekicis Eröffnungsperformance, bei der sie als so einfaches wie eindringliches Symbol weiblichen Aufbegehrens gegen islamistische Zwänge in einen Tschador gehüllt kopfüber von der Decke hängt und Koranzitate vorträgt.
Dazwischen allerdings finden sich auch schwächere Arbeiten. Ja, manchmal merkt man diesem Rohkunstbau an, dass er wegen der erst spät gesicherten Finanzierung in ziemlich kurzer Zeit gestemmt werden musste. Dennoch – auch in seinem zwanzigsten Jahr weiß dieses Projekt zu faszinieren: Mit der einzigartigen Symbiose, die die Kunst hier einmal mehr mit ihrem Ausstellungsort eingegangen ist.
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