Kunst

Himmel, Hölle, Fegefeuer

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Yinka Shonibare, How To Blow Up Two Heads At Once (Gentlemen), 2006 © Axel Schneider © MMK
Von Rudolf Schmitz  · 21.03.2014
Man hatte sich mehr erwartet von dieser Ausstellung afrikanischer Gegenwartskunst. Doch den afrikanischen Dante sucht man hier vergebens. Dennoch: Alles ist schön bunt und macht nicht selten auch Spaß.
Das ganze Museum ist freigeräumt, die "Göttliche Komödie" aus Sicht afrikanischer Künstler entfaltet sich auf drei Stockwerken. 51 Künstler sind dabei, fast die Hälfte der Arbeiten ist für Frankfurt hergestellt worden. Doch warum diese Folie einer Renaissancedichtung aus dem frühen 14. Jahrhundert? Was geht das afrikanische Künstler an? Der Kurator Simon Njami, aufgewachsen in der Schweiz, als Kind Kameruner Eltern, ist über die Frage verblüfft. Himmel, Hölle, Fegefeuer, dazu kann doch jeder etwas sagen. Und leben wir nicht in einer Welt des kulturellen Austausches?
"Niemand erinnert sich daran, dass es die afrikanischen Masken waren, die den Kubismus hervorbrachten. Und es interessierte niemanden, dass diese Masken von wem auch immer benutzt wurden. Meine Künstler sind zeitgenössische Künstler, sie gehen ins Kino, sie lesen Bücher aus aller Welt. Ihre Sensibilität ist von dieser Welt geprägt. Und das charakterisiert jeden zeitgenössischen Künstler, egal wo er herkommt."
Politische Arbeiten sind rar
Ob Völkermord in Ruanda oder Aufstände in Ägypten – tatsächlich wäre es nicht verwunderlich, wenn afrikanische Künstler zum Thema Himmel oder Hölle Konkretes zu sagen hätte. Doch das ist die erste Enttäuschung dieser so aufwändig gestalteten Frankfurter Schau: explizit politische Arbeiten sind rar. Es gibt eine Installation der Kenianerin Wangechi Mutu, mit jenen Holzlattentischen, auf denen in Ruanda 1994 die Toten der Massaker gestapelt wurden. Darauf sind weiße Blechschalen platziert, in die aus aufgehängten Flaschen roter Wein tropft. Durchaus beeindruckend, aber auch ziemlich plakativ.
Das mit Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommene makabre Abendmahl von Kudzanai Chiurai aus Simbabwe gehört zu den eher fesselnden Arbeiten: Jesus wird von einer afrikanischen Frau dargestellt, vor ihren Augen geschieht ein Mord, ausgeführt durch einen Soldaten an einem Zivilisten, entsetzte Frauen schauen zu. In der unendlichen Verzögerung der Bewegungen empfindet man ihn als ebenso vorhersehbar wie unabwendbar. Und auch wenn man Yinka Shonibare schon oft gesehen hat: Seine Duellanten mit Gehrock und Schaftstiefeln, die einander den Kopf weggeblasen haben, sind nicht schlecht. Das bringt den postkolonialen Schlamassel auf den Punkt: die unentwirrbare Überlagerung der Bedeutungen. In Shonibares Arbeit signalisieren dies vor allem die verwendeten knallbunten Kleidungsstoffe.
"Und so ist auch seine Arbeit konzipiert, sie stellt eigentlich dar, wie viele Einflüsse in bestimmten Objekten oder Motiven, Stoffen zusammen kommen, die wir für afrikanisch halten. In Wirklichkeit kommen die Muster aus den Philippinen, sie sind gebatikt in Holland, werden dann zurück transportiert nach Afrika und werden dort zu dem verarbeitet, was wir als afrikanische Tracht betrachten."
Einfach nur plakativ
Die drei Etagen des Museums symbolisieren die Sphären, um die es geht: Himmel, Fegefeuer, Hölle. Höllisch sind zweifellos die Zustände auf den Flüchtlingsschiffen, mit denen Afrikaner versuchen, nach Europa zu kommen. Jems Robert Koko Bi, an der Elfenbeinküste geboren, seit langem in der deutschen Stadt Essen lebend, zeigt ein aus Pappelholz geschnitztes Boot, bis zum Rand beladen mit zahllosen schwarzen Köpfen. Sie wirken wie abgehackt.
"Wenn man zum Beispiel Sudan, Kongo, Äthiopia sieht: Ich kann diese Menschen verstehen, woanders zu gehen, weil diese Menschen einfach verlassen sind. Ob Politik oder Wirtschaft, alles geht Bach runter, also was soll ich machen? Ich würde versuchen, auch wenn ich weiß, dass ich da sterben werde".
So sympathisch dieser Künstler auch ist – seine sicherlich mit Herzblut geschaffene Arbeit wirkt einfach nur plakativ. Und das ist das Problem zahlreicher Arbeiten dieser Ausstellung. Besonders wenn es um das Thema "Himmel" geht. Die marokkanische Künstlerin Zoulihka Bouabdellah zeigt ein Patchwork aus Gebetsteppichen. In ihre jeweilige Mitte ist ein Loch geschnitten, darin steht ein silberner Stöckelschuh. Ist das etwa feministische Utopie? Bekanntlich sind Schuhe vor dem Betreten der Moschee auszuziehen, für Frauen ist dieser Gebetsort ohnehin tabu. Geht es hier also um eine sexy Vision aus einer fernen islamischen Zukunft?
Das ist alles schön bunt, macht nicht selten auch Spaß, aber weder die gezeigten Fotografien noch die zahlreichen Videos können wirklich überzeugen. Diese Begegnung mit afrikanischer Gegenwartskunst ist leider enttäuschend. Da findet man kein Werk, das nachhaltig beeindrucken, überraschen oder gar überfordern könnte. Der Titel der Ausstellung – Göttliche Komödie" – ließ auf einen afrikanischen Dante hoffen. Den, oder gar seine berühmte Muse Beatrice, sucht man hier vergebens.
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