Wolfram Weimer

Ein konservativer Quereinsteiger wird Kulturstaatsminister

Wolfram Weimer, designierter Staatsminister für Kultur und Medien
Kritische Reaktionen: Wolfram Weimer soll neuer Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien werden © picture alliance/ photothek.de/ Florian Gaertner
Friedrich Merz hat den Journalisten und Verleger Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister nominiert. Weimer ist ein Medienprofi ohne politische Erfahrung. Hervorgetan hat er sich mit konservativen Positionen. Was kann die Kultur erwarten?
Wolfram Weimer gilt als langjähriger Weggefährte von CDU-Chef Merz. Zuletzt gründete der 60-jährige Medienprofi („Welt“, „Cicero“, „Focus“) einen eigenen Verlag, die Weimer Media Group. Zu der gehört unter anderem das Magazin „The European“. Als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien - kurz: Kulturstaatsminister - muss Weimer offiziell noch vom neuen Bundeskanzler ins Amt berufen werden. Friedrich Merz soll am 6. Mai gewählt werden.

Wer ist Wolfram Weimer?

Der 60-jährige Publizist und Verleger Wolfram Weimer war für die „FAZ“ tätig, Chefredakteur von „Welt“ und „Focus“ und gründete das Magazin „Cicero“. Er gilt als CDU-nah, hat aber kein Parteibuch. Weimer ist ein langjähriger Vertrauter des voraussichtlich neuen Bundeskanzlers und CDU-Chefs Friedrich Merz. Die beiden Männer haben eine persönliche Verbindung, kennen sich unter anderem vom Golfspielen aus dem sehr wohlhabenden Kosmos am oberbayerischen Tegernsee.
Neben seiner journalistischen und publizistischen Tätigkeit schrieb Weimer eine Reihe von Sachbüchern und einen Roman. 2012 gründete er die Weimer Media Group, zu der unter anderem das Magazin „The European“ gehört. Kurz nach seiner Nominierung wurde bekannt gegeben, dass nur noch Christiane Götz-Weimar, die Ehefrau von Weimers, die Geschäftsführung des Verlags innehat. Weimer hat sich aus dieser Position zurückgezogen.
Der 1964 im hessischen Gelnhausen geborene Weimer studierte Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaften und Volkswirtschaft in Frankfurt am Main und Washington.

Wofür steht der designierte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer?

Die Kulturwelt muss sich nach den Jahren der Grünen Claudia Roth und der Merkel-Vertrauten Monika Grütters (CDU) als Kulturstaatsministerinnen an den konservativen Weimer gewöhnen. Weimer bringt ein doppeltes Manko mit: Der Publizist hat weder Erfahrung in der Politik noch sind Kontakte in die Kulturwelt bekannt.
Um einzuschätzen, welchen Kulturbegriff Weimer vertritt, lohnt es sich, auf seine publizistischen Einlassungen zu schauen. Aufgrund seiner beruflichen Karriere steht er für soliden Journalismus, aber auch für polarisierende Publizistik.
Auf dem Höhepunkt der Migrationsdebatte schrieb er etwa im „Cicero“ einen Meinungsbeitrag mit dem Titel „Die Multikulti-Lüge“. Sein Buch „Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit" beschrieb er selbst als „Gift für Linke“ und „eine Zumutung für Rechte“. Ein weiteres Buch von ihm heißt „Sehnsucht nach Gott. Warum die Rückkehr der Religion gut für unsere Gesellschaft ist“.
In dem von der Weimer Media Group erscheinenden Onlinemagazin „The European“ gibt es Artikel, die kritisch mit eher links orientierten politischen Bewegungen umgehen. Im Februar erschien dort etwa ein Beitrag, der von einem „linken Antifa-Spektakel“ sprach. Gemeint waren die Debatte nach der gemeinsamen Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag und die Demonstrationen danach.

Ein bekennender Liberalkonservativer

Beobachter ordnen Weimers weltanschauliche Position häufig zwischen liberal- und erzkonservativ ein. Hinzu kommen Aspekte wie Eurozentrismus und Islamkritik. Ohne Zweifel gab es eine Zeit, in der der designierte Staatsminister stark polarisieren wollte. Ob das heute noch so ist, wird man abwarten müssen.
Weimer beschreibt sich selbst als „Mann der bürgerlichen Mitte.“ Seit Jahren schreibe und rede er gegen die AfD und Rechtspopulismus an. „Die liberale, weltoffene Demokratie ist mein Gehäuse. Als leidenschaftlicher Europäer ist mir Nationalismus fremd.“
Zugleich sei er „bekennender Liberalkonservativer und Werteverfechter der bürgerlichen Kultur“. Er betonte, Wertkonservative hingen nicht an dem, was gestern gewesen sei, sondern schätzten das, was immer gelte: „Zum Beispiel die Weite von Bildung, die Freiheit im Denken, die Tiefe der Sehnsucht, die Magie der Ästhetik und die Schönheit des Zweifelns. Und die Freiheit, unterschiedliche Meinungen als Bereicherung zu empfinden.“ Weimer sagte auch, er trete seit jeher engagiert gegen jeden Antisemitismus ein.

Welche Aufgaben liegen vor dem Kulturstaatsminister?

Das Amt des Kulturstaatsministers ist im Kanzleramt angesiedelt. Zu den Aufgaben zählen Kunst- und Kulturförderung, Denkmalschutz, die Erinnerungspolitik, die Filmförderung des Bundes sowie medienpolitische Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit der Länder fallen.
Wolfram Weimer formuliert seine Ziele für das Amt so: „Ich möchte die wunderbar reichhaltige Kulturlandschaft stärken und in ihrer außergewöhnlichen Vielfalt unterstützen. Wer von mir den Sparkommissar erwartet, den muss ich enttäuschen.“
Darüber hinaus muss ein Kulturstaatsminister Vertrauen und Netzwerke aufbauen, sich mit den Macherinnen und Machern des Kulturbetriebs treffen und für sie auch ein Ansprechpartner sein. Aktuell steht er vor der Aufgabe, die Kulturwelt zu einigen und Geld und Mehrheiten für die Kultur zu organisieren.
Aufgrund seiner beruflichen Laufbahn kann man davon ausgehen, dass Weimer sich stärker auf den Medien- als auf den Kulturbereich konzentrieren wird. Ein Viertel seines Ressortetats entfällt etwa auf den deutschen Auslandssender "Deutsche Welle".

Welche Reaktionen hat die Berufung Wolfram Weimers ausgelöst?

Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bezeichnete Weimer als den „falschen Mann am falschen Platz“. Kaube begründete das mit dessen Kulturbegriff und Geschichtsverständnis. Der Politologe Thorsten Faas hält es für bemerkenswert, dass selbst die „FAZ“ die Berufung Weimers kritisch kommentiert. Dabei gehe es nicht nur um die konservativen Positionen Weimers. Es stehe infrage, ob es bei ihm ein genuines Interesse an Kultur gibt.
Der Verein „ensemble-netzwerk“ forderte die künftige Bundesregierung gemeinsam mit weiteren Erstunterzeichnern in einer Petition dazu auf, die Entscheidung für Wolfram Weimer rückgängig zu machen. Die Online-Petition hatte am Mittag des 1. Mai mehr als 50.000 Unterschriften erreicht.
Auch im Kulturbetrieb trifft die Berufung des Medienunternehmers zum Kulturstaatsminister auf Skepsis. „Er hat ein Sendungsbewusstsein, um nicht zu sagen: Er ist ein Ideologe“, sagte der Schauspieler Ulrich Matthes gegenüber 3sat. Das „disqualifiziert ihn für das Amt des Kulturstaatsministers“. Weimer vertrete wirtschaftsliberale Theorien. Das führe womöglich dazu, dass er für Einschnitte im Subventionssystem der Hochkultur eintreten wird.

Wird Weimer eine liberale Politik machen?

Olaf Zimmermann vom deutschen Kulturrat sagte, Weimer sei in der Kulturszene weitgehend unbekannt. Es gebe große Sorgen. Deswegen werde „Herr Weimer darum werben müssen, dass er klassische liberale Kulturpolitik machen wird“.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, steht auf einer Bühne und spricht. Er hat den Kopf leicht nach recht geneigt, seine Hände sind in einer erklärenden Haltung vor seinem Körper.
Der Geschäftsführer des deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, verweist auf die Sorgen, die es mit Blick auf die Nominierung Wolfram Weimers gibt© picture alliance / dpa / Carsten Koall
Der Präsident der Akademie der Künste Berlin, Manos Tsangaris, äußerte sich zurückhaltend. Er gehe davon aus, dass Weimer ein kultur- und kunstaffiner Mensch ist. Ihm werde rasch bewusst werden, „dass wir in der nächsten Zeit, in den nächsten Jahren starke demokratieorientierte Institutionen benötigen“.
Bei aller Kritik an seiner Person gab es auch positive Reaktionen auf Weimers Nominierung. So lobte die Vereinigung der Europäischen Rabbiner seine Benennung ausdrücklich. Weimer habe sich "für eine klare Haltung in der Bekämpfung von Antisemitismus und Israelhass" eingesetzt. "Über das positive Echo der jüdischen Gemeinschaft zu meiner Nominierung und insbesondere vom Karlspreisträger 2024 und Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt habe ich mich sehr gefreut", sagte Weimer.

aha
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