Wolfram Weimer

Ein konservativer Quereinsteiger ist Kulturstaatsminister

Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien
Kritisch kommentiert: Wolfram Weimer ist neuer Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. © picture alliance/ photothek.de/ Florian Gaertner
Friedrich Merz hat den Journalisten und Verleger Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister ernannt. Weimer ist ein Medienprofi ohne politische Erfahrung. Hervorgetan hat er sich mit konservativen Positionen. Was kann die Kultur erwarten?
Wolfram Weimer gilt als Vertrauter von CDU-Chef Friedrich Merz. Als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien - kurz: Kulturstaatsminister - ist Weimer am 7. Mai 2025 vom neuen Bundeskanzler ins Amt berufen worden.

Wer ist Wolfram Weimer?

Der 60-jährige Publizist und Verleger Wolfram Weimer war für die „FAZ“ tätig, Chefredakteur von „Welt“ und „Focus“ und gründete das Magazin „Cicero“. Zuletzt leitete er einen eigenen Verlag, die Weimer Media Group. Zu der gehört unter anderem das Magazin „The European“. Kurz nach seiner Nominierung wurde bekannt gegeben, dass nur noch Christiane Götz-Weimar, die Ehefrau Weimers, die Geschäftsführung des Verlags innehat. Weimer hat sich aus dieser Position zurückgezogen.
Neben seiner journalistischen und publizistischen Tätigkeit schrieb Weimer eine Reihe von Sachbüchern und einen Roman. Der 1964 im hessischen Gelnhausen geborene Weimer studierte Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaften und Volkswirtschaft in Frankfurt am Main und Washington.

Wofür steht Kulturstaatsminister Wolfram Weimer?

Die Kulturwelt muss sich nach den Jahren der Grünen Claudia Roth und zuvor der Merkel-Vertrauten Monika Grütters (CDU) als Kulturstaatsministerinnen an den konservativen Weimer gewöhnen. Weimer bringt ein doppeltes Manko mit: Der Publizist hat weder Erfahrung in der Politik noch sind Kontakte in die Kulturwelt bekannt.
Um einzuschätzen, welchen Kulturbegriff Weimer vertritt, lohnt es sich, auf seine publizistischen Einlassungen zu schauen. Aufgrund seiner beruflichen Karriere steht er für soliden Journalismus, aber auch für polarisierende Publizistik.
Auf dem Höhepunkt der Migrationsdebatte schrieb er etwa im „Cicero“ einen Meinungsbeitrag mit dem Titel „Die Multikulti-Lüge“. Sein Buch „Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit" beschrieb er selbst als „Gift für Linke“ und „eine Zumutung für Rechte“.
In dem von der Weimer Media Group erscheinenden Onlinemagazin „The European“ gibt es Artikel, die kritisch mit eher links orientierten politischen Bewegungen umgehen. Im Februar 2025 erschien dort etwa ein Beitrag, der von einem „linken Antifa-Spektakel“ sprach. Gemeint waren die Debatte nach der gemeinsamen Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag zur Migrationspolitik und die anschließenden Demonstrationen dagegen.
Beobachter ordnen Weimers weltanschauliche Position häufig zwischen liberal- und erzkonservativ ein. Hinzu kommen Aspekte wie Eurozentrismus und Islamkritik. Weimer selbst beschreibt sich als „Mann der bürgerlichen Mitte“. Seit Jahren schreibe und rede er gegen die AfD und Rechtspopulismus an. „Die liberale, weltoffene Demokratie ist mein Gehäuse. Als leidenschaftlicher Europäer ist mir Nationalismus fremd.“
Zugleich sei er „bekennender Liberalkonservativer und Werteverfechter der bürgerlichen Kultur“. Er betonte, Wertkonservative hingen nicht an dem, was gestern gewesen sei, sondern schätzten das, was immer gelte: „Zum Beispiel die Weite von Bildung, die Freiheit im Denken, die Tiefe der Sehnsucht, die Magie der Ästhetik und die Schönheit des Zweifelns. Und die Freiheit, unterschiedliche Meinungen als Bereicherung zu empfinden.“
Weimer betont, dass es in einer Demokratie Platz für kontroverse Debatten auch an den Rändern der Gesellschaft geben müsse. Doch diese Räume für gesellschaftliche Diskurse sehe er zusehends durch „Stigmatisierung“ gefährdet: „Da wende ich mich dagegen, dass sowohl die Linksextremen wie die Rechtsextremen immer häufiger die Debatte auch verengen mit wechselseitigen Verbotsreflexen.“
Die angebliche Einengung beschreibt er mit Begriffen, die selbst an einen Kulturkampf erinnern. Er schreibt von „Verbotszonen, freiheitsfeindlicher Übergriffigkeit der Linken, radikal-feministischer, postkolonialer, ökosozialistischer Empörungskultur“, von „linkem Alarmismus“ und „Sprachwächtertum“.
Ihn stört, dass mit Widerspruch rechnen muss, wer mit Sprache unsensibel umgeht, und nennt Beispiele wie den Comedian Dieter Nuhr oder die Autorin J.K. Rowling. Tatsächlich wird beiden aber gar nichts verboten: Nuhr kann seine Thesen in einer bundesweiten Sendung in der ARD verbreiten und Rowlings Bücher sind in allen deutschen Buchhandlungen erhältlich.
Beispiele für eine massive Bedrohung der Kulturfreiheit von rechts kommen bei Weimer vor allem aus den USA, wo Bücher verboten und Universitäten reglementiert werden. Der Druck, den die AfD in Deutschland auf Theater, Museen, Bibliotheken und die Freie Szene vor allem im Osten ausübt, erwähnt er nicht.
Weimer sagte auch, er trete seit jeher engagiert gegen jeden Antisemitismus ein. So nimmt sich Weimer nach seiner Amtseinführung als erstes großes Thema die Bekämpfung von Antisemitismus vor – und lud als ersten Gast den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ins Kanzleramt ein. Dabei ging es auch um die Wiederherstellung der nach Weimers Aussage in Schieflage geratenen Beziehung des Beauftragten für Kultur und Medien zur jüdischen Community.
Hintergrund ist die Kritik des Zentralrats der Juden an antisemitischen Darstellungen auf der Kunstausstellung documenta in Kassel 2022 und an Äußerungen zum Gaza-Krieg während der Berlinale-Gala im Februar 2024.

Welche Aufgaben liegen vor dem Kulturstaatsminister?

Das Amt des Kulturstaatsministers ist im Kanzleramt angesiedelt. Zu den Aufgaben zählen Kunst- und Kulturförderung, Denkmalschutz, die Erinnerungspolitik, die Filmförderung des Bundes sowie medienpolitische Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit der Länder fallen.
Wolfram Weimer formuliert seine Ziele für das Amt so: „Ich möchte die wunderbar reichhaltige Kulturlandschaft stärken und in ihrer außergewöhnlichen Vielfalt unterstützen. Wer von mir den Sparkommissar erwartet, den muss ich enttäuschen.“
Darüber hinaus muss ein Kulturstaatsminister Vertrauen und Netzwerke aufbauen, sich mit den Macherinnen und Machern des Kulturbetriebs treffen und für sie auch ein Ansprechpartner sein. Aktuell steht er vor der Aufgabe, die Kulturwelt zu einigen und Geld und Mehrheiten für die Kultur zu organisieren.
Aufgrund seiner beruflichen Laufbahn kann man davon ausgehen, dass Weimer sich stärker auf den Medien- als auf den Kulturbereich konzentrieren wird. Ein Viertel seines Ressortetats entfällt etwa auf den deutschen Auslandssender "Deutsche Welle".

Welche Reaktionen hatte die Berufung Wolfram Weimers ausgelöst?

Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bezeichnete Weimer nach dessen Nominierung Ende April 2025 als den „falschen Mann am falschen Platz“. Kaube begründete das mit dessen Kulturbegriff und Geschichtsverständnis. Der Politologe Thorsten Faas hält es für bemerkenswert, dass selbst die „FAZ“ die Berufung Weimers kritisch kommentiert. Dabei gehe es nicht nur um die konservativen Positionen Weimers. Es stehe infrage, ob es bei ihm ein genuines Interesse an Kultur gibt.
Gegen Weimers Ernennung zum Kulturstaatsminister hatten Kulturschaffende im April 2025 eine Petition gestartet, die bis Juni 75.000 Unterschriften sammelte. Der Schauspieler Paul Maximilian Pira, Initiator der Petition, sieht Weimers Äußerungen in seinem Gastbeitrag aus dem Juni 2025 in der „Süddeutschen Zeitung“ als Bestätigung seiner Kritik gegenüber dem ehemaligen Verleger. In dem Artikel wendet sich Weimer unter anderem gegen "Kulturkämpfe" von links und rechts. Weimer inszeniere sich darin selber als Kulturkämpfer und diskreditiere sich damit für das Amt, so Pira. Statt tatsächlich eine Bühne für die Aushandlung von Kultur zu ermöglichen, mische er sich sehr wohl inhaltlich ein, indem er eine Deutungshoheit für sich beanspruche.
Und statt seine persönliche Meinung in den Vordergrund zu stellen, solle er sich um die Rahmenbedingungen für Kultur kümmern, also um das Rechtliche und das Finanzielle. Die künstlerische Freiheit werde besonders durch mangelnde Finanzierung im Kulturbereich bedroht, so Pira.
„Er hat ein Sendungsbewusstsein, um nicht zu sagen: Er ist ein Ideologe“, sagte der Schauspieler Ulrich Matthes gegenüber 3sat. Das disqualifiziere Weimer "für das Amt des Kulturstaatsministers“. Matthes äußerte die Befürchtung, dass Weimer für Einschnitte im Subventionssystem der Hochkultur eintreten könnte.
Es hatte aber auch positive Reaktionen nach Weimers Nominierung gegeben. So lobte die Vereinigung der Europäischen Rabbiner seine Benennung ausdrücklich. Weimer habe sich "für eine klare Haltung in der Bekämpfung von Antisemitismus und Israelhass" eingesetzt.

aha, rja
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