Kulturgutscheine für Jugendliche
Ist vermutlich bald überflüssig: die Kulturpass-App. © picture alliance / Flashpic / Jens Krick
Der Kulturpass wird abgeschafft - kein Geld mehr für Tickets und Bücher

Der Kulturpass wird abgewickelt. Der Bundesrechnungshof hält die Finanzierung nicht für verfassungskonform. Kulturstaatsminister Weimer folgt der Einschätzung. Verbände kritisieren die Entscheidung und fordern eine Fortsetzung des Angebots.
Der Kulturpass ist erst zwei Jahre alt, aber bald schon wieder Geschichte: Das Angebot wird zum Jahresende eingestellt. Der Pass war auf Initiative der ehemaligen Kulturstaatsministerin Claudia Roth eingeführt worden, um junge Menschen zur Teilhabe an kulturellen Angeboten zu ermutigen. 2023 bekamen Jugendliche, die in diesem Jahr 18 Jahre alt geworden waren, einen Zuschuss von 200 Euro für den Kauf von Konzert-, Kino- oder Ausstellungstickets, Büchern, Musikinstrumenten oder Platten. Im vergangenen Jahr waren es 100 Euro.
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Warum soll es den Kulturpass nicht mehr geben?
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer beruft sich zum einen auf die Rechtslage. Auf diese hatte der Bundesrechnungshof verwiesen. Nach Ansicht der Behörde ist der von der Ampelregierung eingeführte Kulturpass verfassungsrechtlich nicht gedeckt. Demnach gibt es „keine verfassungsrechtliche Finanzierungskompetenz“ des Bundes für ein Projekt wie den Pass: Kultur sei in Deutschland Ländersache.
Zum anderen kritisiert Weimer die Umsetzung des Angebots. Zwar sei mit dem Pass eine gute Intention verfolgt worden, so der Kulturstaatsminister. Schlecht sei allerdings, dass bestimmte Zielgruppen, die man im Auge habe, nicht richtig adressiert worden seien – beispielsweise Menschen aus dem ländlichen Raum oder „sozial-vulnerable Gruppen“. Auch seien zu viele Jugendliche einfach nur ins Kino gegangen oder hätten sich einen Comic gekauft, so Weimer. „Das war nicht die Intention des Kulturpasses.“

Wolfram Weimer bei den Bayreuther Festspielen: Wie will er die kulturelle Teilhabe von jungen Menschen fördern?© picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Überdies hatten Jugendliche mit migrantischem Hintergrund den Kulturpass anteilig deutlich weniger genutzt als andere. Der Pass konnte außerdem nur für analoge Angebote verwendet werden, digitale Güter waren ausgeschlossen.
Eine BKM-Sprecherin teilte zudem mit, die Nutzung des Passes sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben und die IT-Kosten seien auf mehr als 30 Millionen Euro gestiegen. Der Kulturpass galt als Prestigeprojekt der früheren Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Allerdings hatte bereits die Ampelregierung die Mittel für den Pass eingekürzt und am Ende sogar gar kein Geld mehr dafür vorgesehen.
Gibt es unterschiedliche Ansichten über die Rechtslage?
Ja, Weimer wird für seine Haltung scharf kritisiert. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, sagt, die Einführung des Passes sei „selbstverständlich nicht verfassungswidrig“ gewesen. Der Bund dürfe alles im Kulturbereich machen, was eine bundesweite Ausstrahlung habe – und Modellprojekte sowieso.
Das wisse eigentlich auch der Bundesrechnungshof, so Zimmermann. Mit dem Hof gebe es seit 30 Jahren immer wieder die gleichen Debatten: „Immer sagt er, dass alles, was auf der Bundesebene im Kulturbereich gemacht wird, eigentlich dem Föderalismus widersprechen würde und deshalb nicht verfassungsgemäß sei.“ Allerdings habe es nie eine Klage gegeben – weil es kein Problem gebe.
"Überzeugende verfassungsrechtliche Gründe für die Abschaffung sind nicht erkennbar", sagt auch die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs.
Wenn Weimer den Pass politisch nicht wolle, könne er das ja so entscheiden, betont Zimmermann: „Dafür ist er jetzt im Amt.“ Außerdem solle er auch sagen, was er stattdessen machen wolle. Der Kulturstaatsminister hat inzwischen angekündigt: „Wir werden fortan andere Projekte der Kulturförderung für Jugendliche intensivieren.“
Welche Reaktionen gibt es?
Neben dem Kulturrat hatte auch die Stiftung Lesen gegen das Aus für den Kulturpass protestiert. Die Geschäftsführerin der Stiftung, Sabine Uehlein, sprach von einem falschen Signal. Das Gegenteil müsse passieren: "Wir müssen mehr in Kinder, Jugend und Bildung investieren und nicht weniger."
Ebenfalls enttäuscht zeigt sich die Bundesschülerkonferenz. Der Kulturpass habe für Chancengleichheit gesorgt und damit auch demokratische Werte und Teilhabe gestärkt.
Kein Verständnis für das Aus hat auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. "Der Kulturpass hat sich als erfolgreiches Angebot erwiesen, junge Menschen niedrigschwellig an Kultur heranzuführen und sollte eher auf Jugendliche ab 16 Jahren ausgeweitet als komplett gestrichen werden", sagte Vorsteherin Schmidt-Friderichs. Den Kulturpass abzuschaffen, wäre ein großer Fehler und „ein trauriges Signal für Kultur und Bildung in Deutschland“. Auch die Grünen sehen im Aus für den Kulturpass einen „schweren Fehler“. Die Linke will den Pass ebenfalls erhalten. Die SPD sieht Reformbedarf.

Werbung für den Kulturpass auf der Leipziger Buchmesse 2024.© picture alliance / dpa / Jan Woitas
Wie wurde der Kulturpass bisher genutzt?
Nach Angaben des BKM hatte der Pass Ende 2024 rund 463.300 aktive Nutzer. In den ersten 14 Monaten nach der Einführung, also von Juni 2023 bis Anfang August 2024, nutzten rund 373.000 Jugendliche ihr Kulturpass-Budget. Berechtigt waren laut Statistischem Bundesamt rund 750.000 Jugendliche.
Den höchsten Umsatz in diesem Zeitraum erzielten dabei Buchhandlungen mit knapp 950.000 reservierten Titeln. Mehr als 183.000 der 18-Jährigen nutzten ihren Kulturpass auch für Konzerte und Theateraufführungen, außerdem wurden über 600.000 Kinotickets gekauft. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben aus dem Haushalt des Kulturstaatsministers den Angaben zufolge bisher auf über 100 Millionen Euro.
ahe/tmk