Kulturbetrieb

Langfristiges Arbeiten statt Themenhopping!

Die Illustration zeigt den Oberkörper eines Mannes von hinten, in dessen Kopf ein Fenster eingezeichnet ist, und der vor einer rot eingefärbten Bühne mit geöffnetem grünen Vorhang steht. Über seinem Kopf fliegen bunte Schmetterlinge.
Kultureinrichtungen sollten besser ein Thema wie Queerness langfristig bearbeiten, statt von Projekt zu Projekt zu springen, meint die Theatermacherin Simone Dede Ayivi. © imago / Design Pics
Ein Kommentar von Simone Dede Ayivi |
Flucht, Gender, Klima: Um relevant zu bleiben, hängen sich Museen und Theater gerne an aktuelle Debatten. Doch die seien meist zu komplex für nur ein Projekt, so Regisseurin Simone Dede Ayivi. Man müsse vielmehr langfristig sensibilisieren.
Kultureinrichtungen springen schnell auf aktuelle Themen auf. Es wird sich an politischen Diskursen und gesellschaftlichen Fragestellungen bedient, egal ob diese aus der Uni oder von der Straße kommen. Dass Kultureinrichtungen zu politischen Themen arbeiten, ist selbstverständlich richtig. Vieles lässt sich gar über die Kunst zugänglicher machen und besser erschließen. Und für viele staatliche Museen oder Theater ist es Teil ihres öffentlichen Auftrags, Raum für die politischen Fragen zu schaffen, die gerade viele Menschen bewegen.
Das Problem ist, dass dabei häufig die Komplexität einer sozialen Bewegung auf ein Spielzeitmotto verkürzt wird. Eine Weile lang wird zu einem bestimmten Thema recherchiert. Für das Rahmenprogramm, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen werden Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen eingeladen. Es heißt, man wolle Inhalten mehr Öffentlichkeit verschaffen, dabei geht es meist nur um die eigene Relevanz.

Machtkritik auf der Bühne, Machtmissbrauch hinter den Kulissen

Die meisten Fragen lassen sich nicht auf ein Spielzeitmotto verkürzen. Hier schnell mal was zu Flucht, danach irgendwas mit Gender und dann schnell Themensprung zu Klima. Besonders nachhaltig ist das nicht. Denn die Institutionen bauen keine langfristigen Bündnisse auf und ändern selten etwas an den Strukturen im Betrieb. 
Erst werden Klimaschutz und Nachhaltigkeit zum großen Themenschwerpunkt erkoren und anschließend Ressourcen für opulente Bühnenbilder verschwendet. Zu oft findet man Machtkritik auf der Bühne und Machtmissbrauch hinter den Kulissen.

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Dabei übersteht das Spielzeitmotto am Stadt- und Staatstheater immerhin ein ganzes Jahr. In der freien Theater-Szene reden wir von einzelnen Projekten. Damit diese überhaupt realisiert werden können, müssen zunächst Anträge gestellt werden, für die Künstler*innen jedes Mal etwas Neues erfinden sollen.
Es geht darum, die Jury, die über die Projektgelder entscheidet, mit etwas Frischem und Aktuellem umzuhauen. Projekte sollen innovativ, zukunftsorientiert und dabei politisch relevant sein. Und so springen wir in schwindelerregendem Tempo von Subjekt zu Subjekt.

Queerness? Projektgelder gibt es nur für frische Themen

Wer gerade ein Stück zu Big Data auf die Bühne bringt, arbeitet gleichzeitig an einem Antrag für das Projekt im nächsten Jahr. In diesem soll dann mit Geflüchteten über ihr Trauma gesprochen werden. Dafür ausgebildet ist man nicht. Doch sich über Jahre eine Expertise aufbauen und in einem Themenfeld bleiben, das zieht nicht bei den Förderern.
Aus meiner eigenen Jury-Tätigkeit ist mir noch gut die Aussage einer Mit-Jurorin im Ohr: „Da sind schon wieder so viele Anträge mit Queerness. Wir hatten so viele queere Künstler*innen im letzten Jahr.“ Queere Künstler*innen werden auch im nächsten und übernächsten Jahr noch queer sein. Und sie sollten weiter ihre Arbeit machen können.

Nachhaltigkeit statt Innovationsdruck

Als Theatermacherin kenne ich Innovationsdruck und den Wunsch nach Relevanz, die dazu führen, dass man zum Beispiel bei migrantischen Selbstorganisationen und Verbänden nur noch müde lächelt, wenn sich mal wieder ein Theater meldet. Für Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte Expertise aufgebaut haben, ist es zermürbend, den Zirkus immer weiter ziehen zu sehen. Aktivist*innen, die sich immer wieder darauf einlassen, die angebotene Reichweite schnell anzunehmen, bevor das Angebot vorbei ist, brennen langsam aus.
Länger an einem Thema dranzubleiben, ist vielleicht weniger werbewirksam, aber langfristige Ziele und beständige Zusammenarbeit bringen mehr Sensibilisierung und Informiertheit in einem Komplex mit sich. Es könnten nachhaltige Verbindungen aus der Institution in die Stadtgesellschaft geknüpft werden.
Davon würden am Ende alle profitieren: Die Institution, die Künstler*innen, das Publikum. Und die Themen, die uns am Herzen liegen.

Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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