Kultur als Spielball der Politik
In den 14 Jahren der Regierung Chávez hat das kulturelle Leben in Venezuela massiv gelitten. Der Präsident wollte die Kultur in den Dienst seiner politischen Projekte stellen - zum Leidwesen vieler Künstler und Intellektueller.
Hugo Chávez: "Unsere Kultur muss eine subversive, befreiende, revolutionäre Kultur sein. Die Revolution ist Kultur, oder sie ist keine Revolution."
Präsident Chávez auf einer Massenversammlung junger Venezolaner, die gerade ihre Ausbildung zu Kulturarbeitern beendet haben. Er signalisierte ihnen, dass Kultur in den Dienst seines politischen Projekts zu stellen sei und ihm untergeordnet werden müsse. Der damalige Kulturminister Sesto konkretisierte seine Aus-sage:
"Bisher gab es eine Kultur der Elite für die Elite, von der das Volk ausgeschlossen war. Die Revolutionsregierung hat statt ihrer eine revolutionäre, populäre, partizipative, massenhafte, demokratische, dekonzentrierte Kultur entwickelt."
Das zuständige Organ hieß nach kubanischem Vorbild "Ministerium der Volksmacht für Kultur". Das Maß aller Dinge hieß Massenkultur. Was dort nicht hineinpasste, wurde marginalisiert oder der Masse angepasst, so zum Beispiel die einst internatio-nal berühmte Museumslandschaft von Caracas. Sie wurde in einer National-stiftung der Museen zusammengefasst und damit ihres Profils beraubt. Ihre Kunstwerke wurden in einem einzigen Depot konzentriert, obwohl es weder über die nötigen Installationen noch über das Fachpersonal verfügte. Die langjährige Direktorin des Museums der Schönen Künste wurde entlassen.
Maria Elena Ramos: "Dort werden Ausstellungen gemacht, die nichts mit Qualität, sondern nur mit Politik zu tun haben. Es gibt auch keine Einzel-, sondern nur noch Kol-lektivausstellungen. Das hat dazu geführt, dass das Publikum seit Beginn die-ser Kulturrevolution die Museen immer öfter gemieden hat."
Auch das Theater hat gelitten. In den 14 Jahren der Regierung Chávez mussten drei Viertel der Spielstätten schließen, denn viele Venezolaner verlassen abends nur un-gern das Haus: Caracas ist zu einer der gefährlichsten Metropolen der Welt geworden. Auch musste eine ganze Reihe freier Gruppen ihre Aktivitäten einschränken, weil ihnen die Subventionen aus politischen Gründen gestri-chen wurden. Héctor Manrique, Leiter der renommierten Grupo Actoral 80:
"Wir wurden als ‚schädlich‘ und ‚die Stabilität der Bevölkerung gefährdende Gruppe‘ einge-stuft und zwar nur deshalb, weil wir kritische Stücke aufgeführt haben. Dabei arbeiten Mitglieder unseres Ensembles im staatlichen Fernsehen. Gerade sie wurden von Funktionären des Kulturministeriums unter Druck gesetzt: Sie sollten darauf hinwirken, dass ich die Gruppe verlasse. Ich glaube, die Regie-rung war auch darüber verärgert, dass ich ein Stück von Mario Vargas Llosa aufzuführen gewagt und ihn auch noch eingeladen hatte."
Selbst von Rajatabla, Venezuelas legendärem und auch in Deutschland bekanntem Ensemble, ist nichts mehr zu sehen. Es verfügte als einziges über eine eigene Spielstätte. Aber das Kulturzentrum Ateneo, in dem es zu Hause war, wurde verstaatlicht und fristet heute eine marginale Existenz weit vom Zentrum entfernt. Nur wenige Künstler und Intellektuelle unterstützten Präsident Chávez. Die meisten lehnten seinen diktatorischen und populistischen Regierungsstil ab – wie der Schriftsteller Alberto Barrera.
"Sie glauben, die neue Kultur sei eine Kultur der Solidarität, nicht des Egoismus. Dabei ist es eher eine Kultur der Intoleranz. Sie wollen den Menschen vorschreiben, wie sie zu sein haben, was sie konsumieren, was sie malen sollen. Sie wollen statt der Vielfalt eine Kultur implantieren, wie sie zeitweise in Kuba herrschte. Aber das geht hier nicht, denn hier gibt es eine lange, tief verwurzelte gesell-schaftliche Tradition, so etwas wie eine natürliche demokratische Reserve."
Sie findet sich heute außerhalb des staatlichen Einflusses in privaten Institutionen und in Stadt-vierteln, wo die Opposition regiert, zum Beispiel in Chacao. Hier wurde ein ehemaliges Theater in ein lebendiges Kulturzentrum mit vielfältigen Aktivitä-ten verwandelt. In ehemaligen Lagerhallen eröffneten Galerien und zeigen dort die zeitgenössische Kunst, die aus dem staatlich kontrollierten Raum fast verschwunden ist. Und selbst in einem Einkaufszentrum hat ein Investor einen Ort für kulturelle Aktivitäten, vor allem alternative Film- und Theater-aufführungen, geschaffen: den Trasnocho Cultural.
Die Bolivarianische Revolution von Hugo Chávez hat die venezolanische Kultur gespalten und besonders staatliche Institutionen in Mitleidenschaft gezogen. Die verordnete Massenkultur hat sich genauso wenig durchsetzen können wie das gesellschaftliche Projekt des verstorbenen Präsidenten. Viele Künstler und Intellektuelle haben inzwischen gelernt, sich der politischen Verein-nahmung zu entziehen und sorgen weiterhin für kulturelle Vielfalt in Venezuela.
Präsident Chávez auf einer Massenversammlung junger Venezolaner, die gerade ihre Ausbildung zu Kulturarbeitern beendet haben. Er signalisierte ihnen, dass Kultur in den Dienst seines politischen Projekts zu stellen sei und ihm untergeordnet werden müsse. Der damalige Kulturminister Sesto konkretisierte seine Aus-sage:
"Bisher gab es eine Kultur der Elite für die Elite, von der das Volk ausgeschlossen war. Die Revolutionsregierung hat statt ihrer eine revolutionäre, populäre, partizipative, massenhafte, demokratische, dekonzentrierte Kultur entwickelt."
Das zuständige Organ hieß nach kubanischem Vorbild "Ministerium der Volksmacht für Kultur". Das Maß aller Dinge hieß Massenkultur. Was dort nicht hineinpasste, wurde marginalisiert oder der Masse angepasst, so zum Beispiel die einst internatio-nal berühmte Museumslandschaft von Caracas. Sie wurde in einer National-stiftung der Museen zusammengefasst und damit ihres Profils beraubt. Ihre Kunstwerke wurden in einem einzigen Depot konzentriert, obwohl es weder über die nötigen Installationen noch über das Fachpersonal verfügte. Die langjährige Direktorin des Museums der Schönen Künste wurde entlassen.
Maria Elena Ramos: "Dort werden Ausstellungen gemacht, die nichts mit Qualität, sondern nur mit Politik zu tun haben. Es gibt auch keine Einzel-, sondern nur noch Kol-lektivausstellungen. Das hat dazu geführt, dass das Publikum seit Beginn die-ser Kulturrevolution die Museen immer öfter gemieden hat."
Auch das Theater hat gelitten. In den 14 Jahren der Regierung Chávez mussten drei Viertel der Spielstätten schließen, denn viele Venezolaner verlassen abends nur un-gern das Haus: Caracas ist zu einer der gefährlichsten Metropolen der Welt geworden. Auch musste eine ganze Reihe freier Gruppen ihre Aktivitäten einschränken, weil ihnen die Subventionen aus politischen Gründen gestri-chen wurden. Héctor Manrique, Leiter der renommierten Grupo Actoral 80:
"Wir wurden als ‚schädlich‘ und ‚die Stabilität der Bevölkerung gefährdende Gruppe‘ einge-stuft und zwar nur deshalb, weil wir kritische Stücke aufgeführt haben. Dabei arbeiten Mitglieder unseres Ensembles im staatlichen Fernsehen. Gerade sie wurden von Funktionären des Kulturministeriums unter Druck gesetzt: Sie sollten darauf hinwirken, dass ich die Gruppe verlasse. Ich glaube, die Regie-rung war auch darüber verärgert, dass ich ein Stück von Mario Vargas Llosa aufzuführen gewagt und ihn auch noch eingeladen hatte."
Selbst von Rajatabla, Venezuelas legendärem und auch in Deutschland bekanntem Ensemble, ist nichts mehr zu sehen. Es verfügte als einziges über eine eigene Spielstätte. Aber das Kulturzentrum Ateneo, in dem es zu Hause war, wurde verstaatlicht und fristet heute eine marginale Existenz weit vom Zentrum entfernt. Nur wenige Künstler und Intellektuelle unterstützten Präsident Chávez. Die meisten lehnten seinen diktatorischen und populistischen Regierungsstil ab – wie der Schriftsteller Alberto Barrera.
"Sie glauben, die neue Kultur sei eine Kultur der Solidarität, nicht des Egoismus. Dabei ist es eher eine Kultur der Intoleranz. Sie wollen den Menschen vorschreiben, wie sie zu sein haben, was sie konsumieren, was sie malen sollen. Sie wollen statt der Vielfalt eine Kultur implantieren, wie sie zeitweise in Kuba herrschte. Aber das geht hier nicht, denn hier gibt es eine lange, tief verwurzelte gesell-schaftliche Tradition, so etwas wie eine natürliche demokratische Reserve."
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