Künstliche Intelligenz

Wie halten es Roboter mit dem Glauben?

Ein Roboter sitzt mit einem Laptop auf dem Bordstein und guckt nach oben in die Kamera.
Das EU-Parlament hat vorgeschlagen, zumindest für die ausgeklügeltsten Roboter einen Status als "elektronische Person" zu schaffen – daraus ergeben sich neue Fragen. © imago / Westend61
Überlegungen von Uwe Bork · 14.12.2018
Über Religion wissen Alexa und Siri ziemlich gut Bescheid. Aber wissen heißt nicht glauben. Wie halten sie es selbst mit der Religion? Fragen nach Gott, nach Reset oder Tod könnten bald auch für Roboter und Cyborgs aktuell werden, meint Autor Uwe Bork.
Nein, nicht, dass ich um diese Zeit etwa schon mit meinem Wasserkocher den Gottesbeweis des Thomas von Aquin erörtert hätte. Dafür fehlt es dem Kessel derzeit einfach noch an Denkfähigkeit. Und nicht nur ihm: Sogar mein 'smartes' Telefon hat bislang noch keine Neigung erkennen lassen, mit mir die Rätsel seiner Existenz zu ventilieren.
Damit, dass selbst den leistungsfähigsten Chips noch der Sinn für den Sinn fehlt, könnte es indes bald vorbei sein. Die von uns selbst geschaffene künstliche Intelligenz entwickelt sich schon seit geraumer Zeit weit schneller als unsere eigene. Der unlängst verstorbene Stephen Hawking erwartet deshalb, dass die maschinelle Denkfähigkeit die menschliche schon in absehbarer Zeit stärker übertreffen wird als unser Intellekt denjenigen der Schnecken. Und jetzt überlegen Sie bitte einmal, wie wir mit Schnecken umgehen…

Mensch als Juniorpartner der Maschinen

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass wir nächstens allenfalls die intellektuellen Juniorpartner unserer ehemaligen digitalen Domestiken spielen dürfen. Wer wollte so naiv sein anzunehmen, dass sich eine immer potentere künstliche Intelligenz auf Dauer damit begnügen wird, als Gipfel ihrer geistigen Herausforderung den Inhalt unserer Kühlschränke zu überwachen? Schon heute wird unsere soziale Infrastruktur schließlich durch ein globales Datennetz gesichert.
Mögen wir im Moment auch stolz sein, ein immer leistungsfähigeres 'Internet der Dinge' zu schaffen, wer sagt uns denn, dass diese Dinge nicht in nächster Zukunft auch ergründen wollen, was denn der Urgrund ihrer eigenen Existenz sein könnte.
Und dann?
Werden wir in diesen Grübeleien noch einen Platz haben? Denken Sie an die Schnecken! Werden menschliche und künstliche Intelligenz – bitte verzeihen Sie das schiefe Bild! – 'auf Augenhöhe' miteinander über Gott und die Welt nachdenken können und was für einen Gott werden sie dann suchen?

Wird Jesus sich den Robotern zuwenden?

Noch den christlichen, der seinen Sohn hinunter auf die Erde geschickt hat, um die Menschen zu erlösen? Würde er sich nach einer möglicherweise kommenden Theologie nicht auch fehlerhaft programmierten Robotern zuwenden müssen?
Und was wird aus dem Islam mit seiner Bilderfeindlichkeit? Wird sie nicht obsolet, wenn künstliche Wesen die Welt nur per Kamera wahrnehmen können? Leicht dagegen der Umgang mit der buddhistischen Meditation: Ist sie nicht einfach eine analoge Vorform jenes Ruhezustands, den als Stand-by bereits die ersten Handys pflegten?
Abwegig sind solche Gedanken keineswegs. Das Europäische Parlament hat beispielsweise vorgeschlagen, "zumindest für die ausgeklügeltsten autonomen Roboter" einen Status als "elektronische Person" zu schaffen.
Diese Überlegungen gewinnen noch dadurch an Bedeutung, dass die Abgeordneten sich ebenfalls mit der – wie auch immer gearteten – "Optimierung" des Menschen befassten. Sie sehen sogenannte "cyber-physische Systeme" voraus, Mensch-Maschinen oder Maschinenmenschen mit allen Chancen und Risiken: Nicht mehr mein Notebook wird demnächst gehackt, ich selber werde es sein.

Reset oder Tod?

Wo wird es für solche Fälle einen Notschalter geben, der alles stoppt und auf Null zurückfährt? Wer wird ihn drücken dürfen – und mit welchen Konsequenzen? Reset für die einen, Tod für die anderen?
Ich fürchte, wir werden uns schon bald mit den intelligentesten unserer Roboter über solche und ähnliche Fragen unterhalten müssen. Es wäre gut, wenn wir dabei gemeinsame Maßstäbe hätten.
Vielleicht sollte ich mit meinem nächsten Wasserkocher doch einmal über Gott reden…

Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zwei Mal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Uwe Bork arbeitet als Autor, Referent und freier Journalist.

© Deutschlandradio / Manfred Hilling
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