Künstler Horst Hoheisel

"Negativdenkmal" als Mahnung an Nazi-Verbrechen

"Denkmal der Grauen Busse" vom Kasseler Künstler Horst Hoheisel im Stadtzentrum Hadamar
"Denkmal der Grauen Busse" vom Kasseler Künstler Horst Hoheisel im Stadtzentrum Hadamar im Mai 2018 © Deutschlandradio / Ludger Fittkau
Ludger Fittkau · 26.01.2019
Ob in Buchenwald mit einer Bodenplatte oder in Hadamar mit einem grauen Bus - Horst Hoheisel macht mit seinen Kunstwerken auf die Verbrechen des NS-Regimes aufmerksam. Nicht jede Kommune heißt die Aktionen gut.
Ich muss mich sehr vorsichtig durch das Atelier des Kasseler Künstlers Horst Hoheisel bewegen. Denn schon im Treppenhaus lehnen überall unbefestigt dünne Metallstangen an der Wand – wie auf einer Baustelle. Die Stangen sind eng in weißer Schrift beschrieben.
Jedes Wort ist einer Zeichnung Hoheisels zugeordnet. "Ausgegrenzt" ist der etwa der Begriff, der zu einem Hundekopf gehört, den Hoheisel am 20.12. 2018 gezeichnet hat. Das Wort steht nun auf der Rückseite der Zeichnung und gleichzeitig auf einer Metallstange. Ich komme mit meiner Reportertasche zwar durchs Treppenhaus, doch im eigentlichen Atelierraum übersehe ich dann eine Stange: es kracht.
"Kein Problem. Das passiert."
Das geräumige Atelier Hoheisels liegt auf mehreren Etagen verteilt in einem alten Lagerhaus mitten in der Kasseler Innenstadt. Im obersten Stockwerk hat Hoheisel, ein schmaler Mann Mitte 70, eine Dauerausstellung mit Fotos und Objekten früherer Kunstaktionen aufgebaut.

Eine warme Bodenplatte am kalten Ort

Viele beschäftigten sich mit dem Nationalsozialismus. So hat Hoheisel auf dem Appellplatz in Buchenwald eine Bodenplatte mit Insignien verlegt. Sie erinnert an einen provisorischen Obelisken, den die Häftlinge nach der Befreiung des Lagers 1945 an gleicher Stelle errichtet hatten. Auf einem Foto im Atelier ist der ehemalige US-Präsident Barak Obama zu sehen, der eine weiße Rose auf die Denkmal-Platte legt:
"Der Appellplatz von Buchenwald gerade im Winter war ein sehr kalter Platz. Die Überlebenden, die alten Gefangenen von damals, die spürten noch in ihrem Körper und erinnerten sich an diese Kälte. Und jetzt ist diese Tafel auf 37 Grad menschliche Körpertemperatur, Tag und Nacht, Sommer wie Winter erwärmt."
"Negativdenkmal"- so nennt Horst Hoheisel seine Kunstprojekte, mit denen er vor allem an Opfer des Nationalsozialismus erinnern will. Die Kunstaktionen zeigen die Lücken auf, die der NS-Regime durch seinen Terror hinterlassen hat.
Ein besonders monumentales Negativdenkmal hat Hoheisel unmittelbar vor dem Kasseler Rathaus errichtet. 1908 hatte hier der jüdische Kasseler Unternehmer Sigmund Aschrott einen 12 Meter hohen Obelisken in einen Brunnenbau integrieren lassen. Die Nationalsozialisten rissen diesen Brunnen 1939 wieder ab.
Der Künstler Horst Hoheisel 
Der Künstler Horst Hoheisel © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Für die documenta 8 errichtete Horst Hoheisel den Brunnen neu – allerdings umgekehrt - er versenkte ihn in den Boden. Oberirdisch ist heute nur eine Bodenplatte zu sehen. Durch Metallgitter kann man jedoch in die Erde hineinschauen, unter der Teile des Obelisken nachgebaut wurden, der aber nun ins Erdinnere zeigt.
"Wenn man da rauf sich stellt, bricht unter einem eben dieses Negativ auf und das Wasser stürzt laut hinein und man verliert ein wenig unter den Füssen das Gleichgewicht, aber das eigentliche Denkmal könnte sich im Kopf abspielen der Passantin oder des Passaten, die darüber nachdenken: Wieso ist hier dieses komische Loch hier vor dem Rathaus, dieser Verlust?".

Graue Busse holten die Behinderten ab

Horst Hoheisels vielleicht bekanntestes Werk ist das "Denkmal der grauen Busse." Es ist ein annähernd originalgroßer Beton-Nachguss eines der Fahrzeuge, mit denen die Nationalsozialisten Behinderte und psychisch Kranke in Gasmordanstalten fuhren und umbrachten. Etwa in die hessische Anstalt Hadamar, wo rund 15.000 Menschen im Rahmen sogenannter "Euthanasieaktionen" ermordet wurden.
Das "Denkmal der grauen Busse" ist im Prinzip eine Wanderausstellung, die gerade in Hadamar Station macht und am 26.1. dort wieder abgebaut wird. Doch Horst Hoheisel setzt sich dafür ein, dass eine Kopie des weithin sichtbaren Mahnmals dauerhaft im Ortskern von Hadamar verbleibt. Auch weil seine Tante Gisela von Rutkowski dort ermordet wurde. Einer ihrer Brüder gehörte zu den Tätern, so Horst Hoheisel:
"Lothar Stengel von Rutkowski. Einer der maßgeblichen Rassehygiene-Ideologen der Nazis. Er war Assistent von Astel in Jena, vom Professor Astel. Und er war Leiter des Rasseamtes in Weimar und wurde dann nach dem Krieg wieder hier angestellt in Hessen, weil er in Marburg auch gelebt hatte, als Leiter des Gesundheitsamtes Korbach. Und mit ihm habe ich mich auch persönlich auseinandergesetzt."
Lothar Stengel von Rutkowski habe ihm gegenüber behauptet, die Ermordung seiner Schwester nicht verhindert zu haben, weil er zu diesem Zeitpunkt an der Front gewesen sei, erzählt Horst Hoheisel. Der Name seiner Tante ist derzeit in der Gedenkstätte Hadamar nirgendwo zu finden. Das, so wurde ihm versprochen, soll sich bald ändern.
"Dann würde auch Gisela von Rutkowski da erscheinen, meine Tante. Die Menschen hatten eine Identität, die hatten einen Namen, diese Namen müssen ihnen zurückgegeben werden. Alles andere ist Täterschutz."
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