Der Historiker Ulrich Herbert bewertet den Besuch Brandners in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald im Rahmen unserer Sendung Studio 9:
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Knigge: "Vernunft war hier nicht mit am Tisch"
Die KZ-Gedenkstätte Buchenwald erteilte dem AfD-Politiker Höcke Hausverbot, nachdem dieser das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte. Nun empfing die Gedenkstätte den AfD-Politiker Brandner. Ein Fehler? Darüber sprechen wir mit dem Stiftungsdirektor.
Volkhard Knigge sagt nach dem Gespräch mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner, dass es tatsächlich überhaupt keinen Sinn mache, mit Vertretern der AfD zu sprechen.
Brandner habe sich dezidiert einer grundsätzlichen Klärung über in der AfD weitverbreitete geschichtsrevisionistische und geschichtswissenschaftlich nicht begründbare Positionen verweigert.
"Wollten uns nicht Unfairness vorwerfen lassen"
Auch Fragen zu den antisemitischen Auslassungen von Wolfgang Gedeon oder zu den in der Thüringer Landtagsfraktion beschäftigten Mitarbeitern, die aus rechtsextremen Burschenschaften stammen, habe er sich verweigert. Zudem habe er sich klar und deutlich zu Höcke bekannt. "Wir wollten der AfD keine Bühne geben, uns Unfairness vorwerfen zu lassen, dass man sie nicht ernst nimmt und ihnen alles Mögliche unterstellt", deswegen habe man mit Brandner gesprochen, erklärt Knigge.
"Wie beim Hornberger Schießen"
Außerdem sei Brandner bisher nicht offensiv geschichtsrevisionistisch hervorgetreten. "Wir haben ihn erstmal formal wie einen Abgeordneten behandelt, aber ihm dann Fragen vorgelegt, um zu klären, ob man mit ihm überhaupt über die deutsche Geschichte vernünftig reden kann." Doch Brandner habe sich dem verweigert, das Gespräch sei ausgegangen "wie beim Hornberger Schießen".
Volkhard Knigge bereut es nicht, mit Brandner gesprochen zu haben, er wollte eine Schlagzeile wie "Gedenkstättendirektor verweigert Gespräch" unbedingt vermeiden. Doch dann sei Brandner selbst vor die Presse getreten und habe stolz verkündet, dass er in einen Dialog mit dem Gedenkstättendirektor treten werde, ohne die Bedingungen für dieses Gespräch zu erwähnen. Damit sei klar gewesen, dass "Vernunft hier nicht mit am Tisch war".
"Rote Linie ziehen"
Ein Hausverbot gegen Brandner als Privatmann werde nicht verhängt, dennoch sei es die klare Haltung der Kollegen in der Gedenkstätte, dass "wir hier eine rote Linie ziehen werden, wir werden in dieser Weise nicht mehr mit AfD-Abgeordneten verkehren. Wir sind Historiker, wir wissen, wie rechtspopulistische Bewegungen sich entfalten, wie 'tricky' sie sein können. Ich erwarte von Menschen, die sich aus dem demokratischen Spektrum herausbewegen, nicht mehr, dass man vernünftig mit ihnen reden kann", erklärt Knigge.
"Gegenwartsintervention" gehört dazu
Zur Frage, ob sich Gedenkstätten vor allem im Hinblick auf das langsame Aussterben der Zeitzeugen, verändern müssen, sagt Knigge: "Die Gedenkstättenarbeit hat sich in Richtung Beschäftigung mit den Tätern entwickelt, mit der Vorgeschichte des Nationalsozialismus und dessen Wiederaufscheinen heute." Gedenkstätten würden viel stärker als Orte, die "Licht auf eine mögliche Zukunft werfen", gesehen, nicht mehr nur auf die Vergangenheit.
Gedenkstättenarbeit wird politischer
Die Gedenkstättenarbeit werde also politischer. Und genau diesen Vorwurf habe auch Brandner ihm angetragen und gefragt, woher die Stiftung das allgemeine politische Mandat dafür nehme. "Gegenwartsintervention", so Knigge, gehöre dazu. Außerdem: Den Blick auf "Entzündungsherde für menschenfeindliches Handeln, für das Umkippen einer Gesellschaft aus ihrer Rechtsstaatlichkeit vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung zu schärfen." Volkhard Knigge beschließt das Gespräch mit den Worten: "Wir sind keine nostalgischen Einrichtungen."