Krypto-Mining mit Pflanzenenergie

Geld, das unter Pflanzen wächst

06:23 Minuten
Sonnenblumtrieb in ihrer Entwicklung, vom Samen zum Sprössling.
Die Energie der Pflanzen nutzen: ein Sonnenblumensamen keimt. © picture alliance / dpa / Flowerphotos
Von Friedemann Brenneis · 13.07.2019
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Der Künstler Michael Sedbon sorgt dafür, dass Geld unter Pflanzen wächst, wortwörtlich: Mit Hilfe mikrobieller Brennstoffzellen lässt er lebende Pflanzen Strom erzeugen, mit dem er wiederum Computer fürs Mining von Kryptowährungen betreibt.
In einem kleinen Park steht ein schwarzer Kasten auf dem Boden. Darum in einem Halbkreis sechs grasartige Pflanzen. Sie wachsen aus transparenten, kinderschuhkartongroßen Containern heraus, die über Dutzende Kabel mit dem schwarzen Kasten in der Mitte verbunden sind.
Auch das Innere der mit Erde befüllten Pflanzkästen durchziehen feine gelbe Kabel. Jeder eine Art ökologisches Mini-Kraftwerk, denn durch die Kabel fließt der Strom, den die Pflanzen als Nebenprodukt ihrer Photosynthese erzeugen.
"Überall auf der Welt gibt es in der Erde Bakterien, die die biochemischen Abfallprodukte der Photosynthese konsumieren, die von den Pflanzen abgegeben werden, die auf dieser Erde wachsen. Dabei geben die Bakterien Elektronen ab und aus diesen Elektronen lässt sich Strom gewinnen. Das Verfahren heißt 'Mikrobielle Brennstoffzelle' und ich nutze es um damit eine Kryptowährung zu schürfen."

Geld und dessen Anreize neu überdenken

Michael Sedbon ist Interaktionsdesigner und hat das Kunst-Projekt "Alt C" ins Leben gerufen. "Alt C" ist die Abkürzung für "Alternative Currencies", also "Alternative Währungen". Der Name spielt auf die vielen Möglichkeiten an, Geld und dessen Anreize neu zu durchdenken, die durch die Erfindung von Kryptowährungen wie Bitcoin entstanden sind.
Die Idee dafür kam dem 24-jährigen Franzosen, als er sich damit auseinandersetzte, wie der Umgang mit Informationen die menschliche Gesellschaft, Kultur und auch die Umwelt beeinflusst.
"Ich habe angefangen, über kybernetische Natur und kybernetische Wälder nachzudenken, und irgendwann kam ich zu dem Punkt, dass Wälder auch eine Form eines informationverarbeitenden Systems sind und dass sie Energie produzieren. Und als vor ein, zwei Jahren alle super aufgeregt über Kryptowährungen waren, fiel für mich anhand meiner Recherchen die Entscheidung, dass wir vielleicht doch digitales Geld auf Bäumen wachsen lassen könnten."
Auch wenn der Prototyp funktioniert - reich ist Michael Sedbon mit seiner grünen Mining Farm bisher nicht geworden. Dafür ist die Energiegewinnung aus Pflanzen noch lange nicht effizient genug. Viel mehr, als eine LED leuchten zu lassen, kann eine einzelne Pflanze bisher noch nicht leisten. Dafür ist das Prinzip der Mikrobiellen Brennstoffzelle noch ein zu junges Forschungsfeld. Doch gebe es für die Zukunft durchaus Potenzial.
"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Energiegewinnung zu verbessern. Man muss die richtigen Pflanzen nehmen, auf das richtige Wetter achten. Aber auch die Auswahl der Elektroden, der Kabel und wie man alles aufbaut, hat einen Einfluss. Vielleicht können wir eines Tages die Dächer von Häusern bepflanzen und mit dem erzeugten Strom einen Teil des Bedarfs des Gebäudes decken."

Denkanstöße geben

Das "Alt C"-Projekt ist aber eher ein Nachweis der grundsätzlichen Machbarkeit als ein marktreifes Produkt. Von einer Konkurrenzfähigkeit zu professionellen Krypto-Minern mit ihren Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde ist Michael Sedbons Einplatinen-Rechner weit entfernt. Denn selbst um den dauerhaft zu betreiben, bräuchte er zehnmal mehr Pflanzen als bisher. Noch sammelt er die Energie seiner sechs Pflanzen daher zunächst in einer Batterie und gibt sie dann gebündelt ab. Doch geht es ihm als Künstler ja auch weniger um Effizienz als vielmehr darum, Denkanstöße zu geben. Gerade im Bereich von Kryptowährungen.
"Wenn wir die Fläche von der Größe eines Fußballfeldes brauchen, um unsere Kryptowährung in Echtzeit wachsen zu lassen, sollten wir dann nicht auch den Wert dieser Kryptowährung anders als nur vom Markt bestimmen lassen? Wenn eine Kryptowährung der Gesellschaft zuträglich ist, zum Beispiel indem durch sie neue Bäume gepflanzt werden, sollte sie dann nicht anders bewertet werden als nur durch die Preisfindung des freien Marktes?"

Eine pflanzengenerierte Kryptowährung

Was wäre außerdem, wenn die Gewinne aus einer pflanzengenerierten Kryptowährung direkt in die Erschließung und den Aufbau neuer Felder und Wälder fließen würden? Sich ein System entwickeln ließe, dass einen direkten finanziellen Anreiz zum Erhalt der Umwelt, zur Renaturierung und zur Aufforstung böte. Sedbon gibt aber zu bedenken:
"Stell dir ein System vor, das immer neues Land kauft, während seine Kryptowährung immer erfolgreicher wird. Irgendwann wird es vielleicht alles Land aufgekauft haben und all das Land wird nur noch zur Erzeugung immer neuer Kryptowährungen verwendet. Dann gibt es vielleicht gar kein Land mehr, um Nahrungsmittel anzubauen."
Ein potenziell kritisches Szenario, das an die Umwandlung von Nutzfläche in endlose Maisfelder erinnert, auf denen der Rohstoff für lukrative Biogasanlagen gezogen wird.
Ob die mikrobielle Brennstoffzelle und Michael Sedbons Kryptowährung jedoch jemals diese Dimension erreichen werden, ist fraglich. Für den Künstler ist das Projekt erst einmal abgeschlossen. Doch würde er sich freuen, wenn jemand das Konzept vom Geld, das unter den Bäumen wächst, aufgreift und weiterentwickelt.
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