Hatteland Endresen: “Saugut und ein wenig wie wir”

Ein Fleischesser schreibt über Schweine

06:21 Minuten
Das Cover des Buchs “Saugut und ein wenig wie wir” von Hatteland Endresen. Ein Schwein im Profil in einer Schwarzweißaufnahme. Außerdem steht der Name des Autors auf dem Cover.
© Westend

Kristoffer Hatteland Endresen

Übersetzt von Günther Frauenlob und Frank Zuber

Saugut und ein wenig wie wir. Eine Geschichte über das SchweinWestend, Frankfurt am Main 2022

272 Seiten

24,00 Euro

Von Anne Kohlick · 13.04.2022
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Ein saugutes Buch: Die Menschen konsumieren kein Tier mehr als das Schwein. Dabei haben beide Spezies mehr gemeinsam, als angenommen wird. Kristoffer Hatteland Endresen beleuchtet diese Parallelen.
Schnitzel, Leberwurst, Kochschinken: Fast täglich kommt Schweinefleisch auf den Tisch von Kristoffer Hatteland Endresen. Der norwegische Historiker und Journalist ist trotzdem überrascht, als er aus der Zeitung erfährt, dass in seiner Heimatprovinz Rogaland mehr Schweine als Menschen leben. Wie kann das sein, wenn er bisher nie eins der Tiere lebendig gesehen hat?
In seinem klugen und persönlichen Buch „Saugut und ein wenig wie wir“ schildert der 1983 geborene Autor seine Suche nach einem Viehzüchter, der ihm erlaubt, Schweine face to face kennenzulernen. Das war keine einfache Aufgabe. Denn als Kristoffer Hatteland Endresen 2019 recherchiert, haben sich die Fronten zwischen Bauern und Tierschützern in Norwegen gerade verhärtet. Grund war ein Dokumentarfilm, der das Leid von Nutztieren in drastischen Bildern zeigt.

Frei von Vorurteilen

Aufrütteln oder polarisieren – gerade das will Hatteland Endresen mit seinem Sachbuch nicht, sondern Wissen vertiefen und das Verhältnis von Schwein und Mensch möglich frei von Vorurteilen untersuchen. Er beschreibt, wie ein Bauer ihn schließlich den Lebenszyklus seiner Schweine beobachten lässt: von der Besamung der Sau über die Geburt der Ferkel bis zum Schlachthof.
Persönliche Eindrücke des Autors aus dem Schweinestall wechseln sich ab mit Einblicken in Biologie und Kulturgeschichte des Schweins. So finden sich die Tiere in der ältesten bisher identifizierten Höhlenmalerei, entstanden vor 44.000 Jahren in Indonesien. Vor rund 11.000 Jahren begannen Menschen in der Türkei, Wildschweine zu domestizieren. Unsere heutigen Industrieschweine sehen ihnen kaum noch ähnlich.

Ekelerregende Glücksbringer

"Saugut und ein wenig wie wir" zeigt auch, wie ambivalent unser Verhältnis zu Schweinen ist: Einerseits gelten sie als Glücksbringer, andererseits als ekelerregend und personifizierte Sünde. Dabei sind Schweine uns Menschen in vieler Hinsicht ähnlich. Sie erkennen sich selbst im Spiegel, haben ein komplexes Sozialverhalten und sind wie wir Allesfresser.
Diese Eigenschaft macht die Spezies für Mediziner interessant, denn die Organe von Schweinen und Menschen ähneln sich im Aufbau. Erst Anfang März ist ein Mann gestorben, in dessen Brust zwei Monate lang ein genmanipuliertes Schweineherz geschlagen hat.

Geringerer Fleischkonsum, weniger Epidemien

Wie relevant und aktuell Hatteland Endresens Reflexion über das Verhältnis von Mensch und Schwein ist, zeigt auch die Pandemie: Zwar waren es bei SARS-Cov-2 wohl Fledermäuse oder Schuppentiere, in denen das Virus für Menschen gefährlich wurde. Doch hinter der Spanischen Grippe vor 100 Jahren steckte wohl ein Erreger, der im Zwischenwirt Schwein so tödlich mutierte, dass zwei Prozent der Weltbevölkerung starben.
Würden Menschen weniger Fleisch essen – und damit weniger Tiere halten -, könnte das Epidemien vermeiden, appelliert Kristoffer Hatteland Endresen am Ende seines überzeugenden Buches. Er selbst ist seit seiner Recherche zwar kein Vegetarier geworden, aber Fleisch kommt inzwischen seltener auf seinen Tisch, und wenn dann aus Bio-Haltung.

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